Arbeitszeugnis - Formulierungen - Bedeutung?

Arbeits- und Arbeitsschutzrecht, Allgemeine Rechtskunde (einschließlich Staatsrecht), Zivilrecht (z.B. Erbrecht)

Moderator: WernerSchell

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sine
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Arbeitszeugnis - Formulierungen - Bedeutung?

Beitrag von sine » 13.07.2005, 23:51

Hallo!

Ich habe ein Arbeitszeugnis bekommen wo drin steht:

"Ihr Verhalten gegenüber Kollegen und dem Vorgesetzten war offen und ehrlich"

Was bedeutet diese Formulierung?

Bedanke mich schon mal im vorraus.

Gruß sine

Gast

Arbeitszeugnis - Formulierungen - Bedeutung?

Beitrag von Gast » 14.07.2005, 11:20

In diesem Forum gibt es bereits Hinweise zu Zeugnisformulierung; siehe unter
Zeugnisanalyse - Zeugnisformulierungen
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... 1120819422
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... 1119521823
Dort gibt es v.a. Hinweise zu weiterführenden Seiten.

Weitere Informationen unter
http://old.lsvd.de/bund/recht/zeugnis.html
http://www.uni-tuebingen.de/uni/qqp/Arbeitszeugnis.html
http://www.wiwi-treff.de/home/lounge/re ... i=131&t=22
http://www.bachmann-berlin.de/arbeitszeugnis.htm
http://www.azuro-muenchen.de/ausbildung ... rater.html
http://www.scheurmann-schraad.de/index2.html
http://www.personalentwicklungsberatung ... rungen.pdf
http://www.cyberlaw.de/Recht/Zeugnis/ReZe015.pdf
http://home.wtal.de/bl/Zeugnisformulierungen.pdf
http://www2.jura.uni-hamburg.de/moritz/ ... ml#Zeugnis
http://www.verwaltung.fh-koeln.de/organ ... /00536.php

Die Formulierung "Ihr Verhalten gegenüber Kollegen und dem Vorgesetzten war offen und ehrlich" schätze ich eher als negativ ein. "Plaudertasche"?!
Bedeutsam erscheint mir aber der Hinweis, dass es nicht allein auf eine einzelne Formulierung ankommt. Formulierungen müssen immer im Gesamtzusammenhang gesehen werden.

Gast

Arbeitszeugnis wahr und wohlwollend

Beitrag von Gast » 14.07.2005, 13:27

Hallo Sine,

die vorgegebenen Informationsquellen sind allesamt sehr aufschlußreich. Danach wird einzelnen Bemerkungen / Sätzen oft eine ganz bestimmte Bedeutung zugemessen.

Worauf ist mir aber ankommt: Ein Zeugnis muss auch im Zusammenhang gesehen werden. Daher sind abschließende Bewertungen zu einzelnen Sätzen immer schwierig.

Der Satz "Ihr Verhalten gegenüber Kollegen und dem Vorgesetzten war offen und ehrlich" kann z.B. auch ablenken von der Tatsache, dass ein Mitarbeiter möglicherweise fachlich Schwächen hatte. Statt an irgendeiner Stelle etwas Negatives herauszustellen, beschreibt man einen anderen Sachverhalt unverfänglich, vielleicht postiv gedacht.

Das alles ist darin begründet, dass nach unserer Rechtsprechung Arbeitszeugnisse "wahr" und "wohlwollend" sein müssen. Unter Umständen passt das aber nicht zusammen. Daher der Formulierungswirrwarr.

Es grüßt herzlich
Eberhard Kühn

Gast

Arbeitszeugnis - Formulierungen - Bedeutung?

Beitrag von Gast » 14.07.2005, 22:46

Hallo Sine,
einzelne Sätze eines Arbeitszeugnisses sagen oft nichts darüber, wie das Zeugnis insgesamt zu bewerten ist. Ich würde daher raten, den gesamten Text zu beleuchten; ggf. um Erklärungen bitten.
Es gibt gute Literatur zum Thema; juristische Buchbuchhandlungen werden entsprechend beraten. Hier wurden ja auch gute Quellen im Netz genannt.
Ich habe z.B. folgende Bücher vorliegen:
Claus Coelius "Zeugnisse - Arbeitszeugnisse und was sie aussagen - Wie Sie böse Überraschungen vermeiden", CC-Verlag.
Günter Huber "Das Arbeitszeugnis in Recht und Praxis", Haufe.
MfG
Lis

sine
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Re: Arbeitszeugnis - Formulierungen - Bedeutung?

Beitrag von sine » 27.07.2005, 15:16

Hallo!

Bei mir hat eine Formulierung im Arbeitszeugnis (Vorstellungsgespräch) als negativ für mich herausgestellt.
Wo bekommt man kostenlose Rechtsberatung.Gibt es eine Arbeiterkammer in Niedersachsen?
Gruß Sine

Gast

Arbeitszeugnis - Formulierungen - Bedeutung?

Beitrag von Gast » 27.07.2005, 15:25

Kostenlose Beratung in einem Einzelfall gibt es wohl eher nicht, es sei denn, man ist in einer Gewerkschaft oder einem Berufsverband (Rechtsschutzversicherung würde auch helfen).

Ich würde die hier im Forum bereits genannten Internetquellen zunächst einmal auswerten und versuchen, damit weiter zu kommen. Dann bliebe nur die Inanspruchnahme eines Anwalts (für Arbeitsrecht).

Eine Arbeitskammer ist mir nur aus dem Saarland bekannt. Siehe unter
http://www.arbeitskammer.de/
In Niedersachsen gibt es m.E. eine solche Einrichtung nicht.

MfG H.P.

Gast

Arbeitszeugnis - Formulierungen - Bedeutung?

Beitrag von Gast » 28.07.2005, 18:18

Arbeitszeugnis: Anspruch des Arbeitnehmers auf wohlwollende Beurteilung

Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber die Erteilung eines schriftlichen Zeugnisses verlangen. Das Zeugnis muss über die Art und die Dauer des Arbeitsverhältnisses Auskunft geben (so genanntes einfaches Zeugnis). Der Arbeitnehmer kann auch ein so genanntes qualifiziertes Zeugnis verlangen; dieses muss neben der Art und der Dauer des Arbeitsverhältnisses auch eine Beurteilung über Leistung und Führung des Arbeitnehmers enthalten. In einem qualifizierten Zeugnis müssen alle wesentlichen Tatsachen und Bewertungen enthalten sein, die für die Gesamtbeurteilung des Arbeitnehmers von Bedeutung sind; der zukünftige Arbeitgeber muss in die Lage versetzt werden, sich eine klare Vorstellung über die Person und die Fähigkeiten des Arbeitnehmers machen zu können.

...
Weiter unter
http://www.ratgeberrecht.de/aktuell/nl200503-4.html

Quelle: Newsletter ARD-Ratgeber Recht aus Köln vom 28.7.2005

Gast

Arbeitszeugnis - lesen und verstehen - Notenskala

Beitrag von Gast » 29.07.2005, 11:02

Das Arbeitszeugnis - lesen und verstehen - Notenskala für Führungsverhalten

http://www.arbeitsrecht.de/arbeitsrecht ... p?navid=17

Winfried_Moenig

Re: Arbeitszeugnis - Formulierungen - Bedeutung?

Beitrag von Winfried_Moenig » 01.08.2005, 18:35

Hallo Sine,

Arbeitnehmerkammern gibt es meines Wissens ausschließlich im Saarland und in Bremen. In Niedersachsen nicht.

Mit freundlichen Grüßen

WernerSchell
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Arbeitszeugnis „einwandfrei – stets einwandfrei“

Beitrag von WernerSchell » 11.09.2016, 06:27

Arbeitszeugnis „einwandfrei – stets einwandfrei“

Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) München vom 27.01.2016, 10 Sa 815/15

1. Die von der Beklagten verwandte Verhaltensbeurteilung "einwandfrei" kann nicht anhand eines allgemein anerkannten Bewertungsschemas ausgelegt werden. In der Praxis hat sich eine der Gesamtbeurteilung vergleichbare einheitliche Notenskala für die Verhaltensbeurteilung nicht herausgebildet.
2. Es ist daher weder möglich, bei der Auslegung einer Führungsbeurteilung auf ein anerkanntes Bewertungsschema zurückzugreifen, noch ist es möglich an ein solches anknüpfend Folgerungen für die Darlegungs- und Beweislast zu ziehen. Das gilt insbesondere für die Behauptung, die vorliegend gewählte Verhaltensbeurteilung sei bereits überdurchschnittlich, für eine bessere Beurteilung trage daher der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast.
3. Die Auslegung der Verhaltensbeurteilung "einwandfrei" nach allgemeinen Grundsätzen ergibt, dass im erteilten Zeugnis dem Kläger bescheinigt wird, dass das Verhalten des Klägers nicht durchgehend einwandfrei gewesen ist, weil verstärkende Formulierungen vor "einwandfrei", wie z.B. "stets", fehlen.
4. Die Darlegungs- und Beweislast für die Richtigkeit der darin liegenden Tatsachenbehauptung trägt nach allgemeinen Grundsätzen der Arbeitgeber, der diese Behauptung aufstellt.
5. Im zu entscheidenden Fall trägt dessen Vortrag diese Bewertung nicht.

Quelle: Mitteilung vom 11.09.2016
Verband Kirchlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Rheinland-Westfalen-Lippe
Weißenburger Straße 12
44135 Dortmund
Tel.: 0231/ 579743
Fax: 0231/ 579754
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WernerSchell
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Kein Anspruch auf ungefaltetes und ungetackertes Arbeitszeugnis

Beitrag von WernerSchell » 20.08.2018, 06:26

Kein Anspruch auf ungefaltetes und ungetackertes Arbeitszeugnis

Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 09.11.2017, 5 Sa 314/17

Kein Anspruch auf ein ungefaltetes und ungetackertes Arbeitszeugnis. Ein getackertes Zeugnis ist wird nicht als unzulässiges Geheimzeichen betrachtet.
Aus den Gründen:
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der auch das LAG Rheinland-Pfalz folgt, erfüllt ein Arbeitgeber den Anspruch des Arbeitnehmers auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses auch mit einem Zeugnis, das er zweimal faltet, um den Zeugnisbogen in einen Geschäftsumschlag üblicher Größe unterzubringen, wenn das Originalzeugnis kopierfähig ist und die Knicke im Zeugnisbogen sich nicht auf den Kopien abzeichnen, zB. durch Schwärzungen (vgl. BAG 21.09.1999 - 9 AZR 893/98). Damit kann der Kläger kein ungeknicktes Zeugnis verlangen. Auch der vom Kläger zitierte Autor Hans Gottlob Rühle (Folge 7: "Kein Anspruch auf ungefaltetes Zeugnis"), der Praxistipps im Internet veröffentlicht, vertritt die Ansicht, dass insbesondere keine Verpflichtung des Arbeitgebers bestehe, das Zeugnis in einem DIN A4 Umschlag ungefaltet und in besonderer Weise durch Verstärkung geschützt zu übersenden.
Hinzu kommt, dass die Beklagte vorgetragen hat, sie habe dem Kläger alle bisher erstellten Zeugnisse (Erstexemplar und außergerichtlich geänderte Fassungen) ungeknickt mit der Post übersandt. Im ersten Fall sei der Briefkasten des Klägers nach ihren Informationen völlig überfüllt gewesen, so dass der Postbote den DIN A4 Umschlag offensichtlich in den Briefkasten "hineingeknüllt" habe, um überhaupt die Zustellung zu bewirken. Das mit der Klageschrift angegriffene Zeugnis (geänderte Fassung) habe sie ebenfalls in einem DIN A4 Umschlag per Post versandt. Obwohl sie dem Anwalt des Klägers mitgeteilt habe, dass sie kein Zeugnis mehr verschicken wolle, sondern es an ihrem Standort Mainz zur Abholung bereithalten werde, habe der Klägervertreter (ausweislich seines Schreibens vom 20.04.2016, Anlage K4 zur Klageschrift) erneut um Versendung gebeten. Es war dem in A-Stadt wohnhaften Kläger nicht unzumutbar, das Zeugnis in Mainz abzuholen oder durch einen beauftragten Boten abholen zu lassen (zur Holschuld vgl. BAG 08.03.1995 - 5 AZR 848/93). Es grenzt schon an Rechtsmissbrauch über zwei Instanzen ein ungeknicktes Zeugnis einzuklagen, anstatt es sich bei der Beklagten - wie angeboten - an seinem früheren Arbeitsort (Entfernung zur Wohnung ca. 11 Kilometer) abzuholen.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf ein ungetackertes Zeugnis. Auf seine subjektiven Vorstellungen, die er zu einer allgemein verschlüsselten Bedeutung der Verwendung von Heftklammern entwickelt hat, kommt es nicht an. Das erteilte Arbeitszeugnis besteht aus zwei Seiten. Auch wenn eine feste körperliche Verbindung einzelner Blätter einer Urkunde, die (nur) am Ende des Textes unterzeichnet ist, nach der sog. „Auflockerungsrechtsprechung“ nicht erforderlich ist, wenn sich deren Einheitlichkeit aus anderen eindeutigen Merkmalen zweifelsfrei ergibt (vgl. BAG 04.11.2015 - 7 AZR 933/13 - Rn. 18 mwN), stellt es kein unzulässiges Geheimzeichen dar, wenn der Arbeitgeber die Blätter des Zeugnisses mit einem Heftgerät körperlich miteinander verbindet (ugs. "tackert"). Anders als der Kläger meint, gibt es keinerlei Belege dafür, dass ein "getackertes Zeugnis" einem unbefangenen Arbeitgeber mit Berufs- und Branchenkenntnis signalisiert, der Zeugnisaussteller sei mit dem Arbeitnehmer nicht zufrieden gewesen. Der Kläger verkennt, dass es auf die Sicht des objektiven Empfängerhorizonts und nicht auf vereinzelt geäußerte Rechtsansichten ankommt, selbst wenn sie im Internet zu "Geheimcodes" kursieren (so schon BAG 15.11.2011 - 9 AZR 386/10 - Rn. 19).

Quelle: Mitteilung vom 20.08.2018
Verband Kirchlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Rheinland-Westfalen-Lippe
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Arbeitszeugnis muss als Datum Tag der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufweisen

Beitrag von WernerSchell » 03.08.2020, 06:45

Arbeitszeugnis muss als Datum Tag der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufweisen
Beschluss des Landesarbeitsgerichts (LAG) Köln vom27.03.2020 - 7 Ta 200/19 -

Ein Arbeitszeugnis muss als Datum den Tag der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufweisen. Unzulässig als Zeugnisdatum ist dagegen der Tag der physischen Ausstellung des Zeugnisses.

Aus den Gründen:
Im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens vor dem Arbeitsgericht Siegburg im Jahr 2019 schlossen die Parteien einen Vergleich, mit dem sich die Arbeitgeberin unter anderem dazu verpflichtete, der Arbeitnehmerin ein Arbeitszeugnis auszustellen. Nachfolgend konnten sich die Parteien nach einigem hin und her auf einen Inhalt einigen. Jedoch bestand nunmehr Streit über das Datum des Zeugnisses. Die Arbeitgeberin hatte als Datum den Tag der physischen Ausstellung des Zeugnisses genommen. Dies war der 05.09.2019. Die Arbeitnehmerin war aber der Meinung, dass der Tag der Beendigung des Arbeitsverhältnisses richtig sei, also der 31.12.2018.
Das Landesarbeitsgericht Köln entschied, dass ein Arbeitszeugnis als Datum den Tag der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu tragen hat. Dies schaffe zum einen Rechtssicherheit. Zum anderen beuge sie der Gefahr vor Spekulationen vor, ob zwischen den Parteien ein Streit über Erteilung und Inhalt des Zeugnisses ausgetragen worden ist. Diese Befürchtung könne entstehen, wenn zwischen der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem Zeitpunkt der tatsächlichen Erstellung des Zeugnisses ein längerer Zeitraum verstrichen ist. Es bestehe zudem ein sachlicher Grund als Datum den Tag der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu nehmen. Denn das Datum bezeichne den Zeitpunkt, von dem aus der Zeugnisinhalt beurteilt worden ist.

Quelle: Mitteilung vom 02.08.2020
Verband Kirchlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Rheinland-Westfalen-Lippe
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