„Atomisierung“ des Urlaubs

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„Atomisierung“ des Urlaubs

Beitrag von WernerSchell » 17.08.2019, 06:20

„Atomisierung“ des Urlaubs

Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Baden-Württemberg vom 6.3.2019, 4 Sa 73/18

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1. Der Urlaub ist gem. § 7 Abs. Absatz 2 Satz 1 Bundesurlaubsgesetz (BurlG) zusammenhängend zu gewähren. Jedenfalls ein Urlaubswunsch, der auf eine Zerstückelung und Atomisierung des Urlaubs in Kleinstraten gerichtet ist, muss nicht erfüllt werden. Eine solche Urlaubsgewährung wäre nicht geeignet, die Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers zu erfüllen.
2. Das BUrlG kennt keinen Rechtsanspruch auf halbe Urlaubstage oder sonstige Bruchteile von Urlaubstagen.


Aus den Gründen:
Der Urlaub ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG nur dann entsprechend den Wünschen des Arbeitnehmers festzulegen, wenn der Urlaubswunsch des Arbeitnehmers die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 BUrlG erfüllt. Gem. § 7 Abs. 2 Satz 1 BUrlG ist der Urlaub jedoch zusammenhängend zu gewähren. Eine Ausnahme hiervon greift nur, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe eine Teilung erforderlich machen.
Umstritten ist schon, ob allein der bloße Wunsch des Arbeitnehmers, einen geteilten Urlaub zu erhalten, bereits ein in der Person des Arbeitnehmers liegender Grund für eine solche Teilung darstellen kann, jedenfalls solange eine zusammenhängende Gewährung von mindestens zwei Wochen gem. § 7 Abs. 2 Satz 2 BUrlG nicht verhindert wird (bejahend: LAG Niedersachsen 23. April 2009 - 7 Sa 1655/08 -; Arnold in Arnold/Tillmanns BUrlG 3. Aufl. § 7 Rn. 74; ablehnend: ErfK/Gallner 19. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 25; Neumann in Neumann/Fenski/Kühn BUrlG 11. Aufl. Rn. 60). Jedenfalls ausgehend von der gesetzgeberischen Grundwertung, dass der Urlaub Erholungszwecken zu dienen hat (BAG 29. Juli 1965 - 5 AZR 380/64 -), kann selbst auf Wunsch des Arbeitnehmers eine Zerstückelung und Atomisierung des Urlaubs in viele kleine Einheiten nicht gefordert werden (Arnold in Arnold/Tillmanns BUrlG 3. Aufl. § 7 Rn. 74; Neumann in Neumann/Fenski/Kühn BUrlG 11. Aufl. § 7 Rn. 62). Eine solche Urlaubsgewährung in Kleinstraten wäre vielmehr keine ordnungsgemäße Erfüllung des Urlaubsanspruchs des Arbeitnehmers. Ein derart gewährter Urlaub könnte nochmals gefordert werden (BAG 29. Juli 1965 - 5 AZR 380/64 -; Neumann in Neumann/Fenski/Kühn BUrlG 11. Aufl. § 7 Rn. 62; ErfK/Gallner 19. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 26). Eine Urlaubsgewährung von nur Bruchteilen eines Urlaubstages ist ohnehin gänzlich ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um einen Bruchteil von unter 0,5, der sich aus der Teilurlaubsberechnung nach § 5 Abs. 2 BUrlG ergibt (BAG 19. Juni 2018 - 9 AZR 615/17 -; BAG 29. Juli 1965 - 5 AZR 380/64 -; ErfK/Gallner 19. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 26).
Von diesen Grundsätzen kann gem. § 13 Abs. 1 BUrlG auch arbeitsvertraglich nicht zu Ungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden.
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist festzustellen, dass der Kläger gerade eine „Atomisierung“ seines Urlaubsanspruchs in viele Bruchteile von Urlaubstagen begehrt. Dies ist nach Maßgabe des § 7 Abs. 2 BUrlG unzulässig.

Quelle: Mitteilung vom 05.08.2019
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