Ein Arbeitnehmer darf seine erworbenen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub nicht automatisch verlieren, ...

Arbeits- und Arbeitsschutzrecht, Allgemeine Rechtskunde (einschließlich Staatsrecht), Zivilrecht (z.B. Erbrecht)

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Ein Arbeitnehmer darf seine erworbenen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub nicht automatisch verlieren, ...

Beitrag von WernerSchell » 18.01.2019, 07:04

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Gerichtshof der Europäischen Union
PRESSEMITTEILUNG Nr. 165/18
Luxemburg, den 6. November 2018


Urteile in den Rechtssachen C-619/16 und C-684/16
Sebastian W. Kreuziger / Land Berlin und
Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e. V. /
Tetsuji Shimizu


Ein Arbeitnehmer darf seine erworbenen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub nicht automatisch deshalb verlieren, weil er keinen Urlaub beantragt hat

Weist der Arbeitgeber jedoch nach, dass der Arbeitnehmer aus freien Stücken und in voller Kenntnis der Sachlage darauf verzichtet hat, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, nachdem er in die Lage versetzt worden war, seinen Urlaubsanspruch tatsächlich wahrzunehmen, steht das Unionsrecht dem Verlust dieses Anspruchs und – bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses – dem entsprechenden Wegfall einer finanziellen Vergütung nicht entgegen

Herr Kreuziger absolvierte als Rechtsreferendar beim Land Berlin seinen juristischen Vorbereitungsdienst. Während der letzten Monate nahm er keinen bezahlten Jahresurlaub. Nach dem Ende des Vorbereitungsdienstes beantragte er eine finanzielle Vergütung für die nicht genommenen Urlaubstage. Das Land lehnte den Antrag ab. Herr Kreuziger focht daraufhin die Ablehnung vor den deutschen Verwaltungsgerichten an.
Herr Shimizu war bei der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften beschäftigt. Etwa zwei Monate vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses bat die Max-Planck-Gesellschaft Herrn Shimizu, seinen Resturlaub zu nehmen (ohne ihn jedoch zu verpflichten, den Urlaub zu einem von ihr festgelegten Termin zu nehmen). Herr Shimizu nahm nur zwei Urlaubstage und beantragte die Zahlung einer Vergütung für die nicht genommenen Urlaubstage, was die Max-Planck-Gesellschaft ablehnte. Herr Shimizu wandte sich daraufhin an die deutschen Arbeitsgerichte.
Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (Deutschland) und das Bundesarbeitsgericht (Deutschland) möchten wissen, ob das Unionsrecht einer nationalen Regelung1 entgegensteht, die den Verlust des nicht genommenen bezahlten Jahresurlaubs und den Verlust der finanziellen Vergütung für diesen Urlaub vorsieht, wenn der Arbeitnehmer den Urlaub nicht vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses beantragt hat.
Sie haben den Gerichtshof daher ersucht, in diesem Kontext das Unionsrecht2 auszulegen, wonach der Anspruch jedes Arbeitnehmers auf einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden darf.
Mit seinen Urteilen von heute entscheidet der Gerichtshof, dass das Unionsrecht es nicht zulässt, dass ein Arbeitnehmer die ihm gemäß dem Unionsrecht zustehenden Urlaubstage und entsprechend seinen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für den nicht genommenen Urlaub automatisch schon allein deshalb verliert, weil er vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses (oder im Bezugszeitraum) keinen Urlaub beantragt hat.
Diese Ansprüche können nur untergehen, wenn der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber z. B. durch angemessene Aufklärung tatsächlich in die Lage versetzt wurde, die fraglichen Urlaubstage rechtzeitig zu nehmen, was der Arbeitgeber zu beweisen hat.
Der Arbeitnehmer ist nämlich als die schwächere Partei des Arbeitsverhältnisses anzusehen. Er könnte daher davon abgeschreckt werden, seine Rechte gegenüber seinem Arbeitgeber ausdrücklich geltend zu machen, da insbesondere die Einforderung dieser Rechte ihn Maßnahmen des Arbeitgebers aussetzen kann, die sich zu seinem Nachteil auf das Arbeitsverhältnis auswirken können.
Ist der Arbeitgeber hingegen in der Lage, den ihm insoweit obliegenden Beweis zu erbringen, dass der Arbeitnehmer aus freien Stücken und in voller Kenntnis der Sachlage darauf verzichtet hat, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, nachdem er in die Lage versetzt worden war, seinen
Urlaubsanspruch tatsächlich wahrzunehmen, steht das Unionsrecht dem Verlust dieses Anspruchs und – bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses – dem entsprechenden Wegfall der finanziellen Vergütung für den nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub nicht entgegen.
Jede Auslegung der fraglichen Unionsvorschriften, die den Arbeitnehmer dazu veranlassen könnte, aus freien Stücken in den betreffenden Bezugs- oder zulässigen Übertragungszeiträumen keinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, um seine Vergütung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu erhöhen, wäre nämlich mit den durch die Schaffung des Rechts auf bezahlten Jahresurlaub verfolgten Zielen unvereinbar. Diese bestehen u. a. darin, zu gewährleisten, dass der Arbeitnehmer zum wirksamen Schutz seiner Sicherheit und seiner Gesundheit über eine tatsächliche Ruhezeit verfügt.
Der Gerichtshof stellt weiter fest, dass die vorstehenden Grundsätze unabhängig davon gelten, ob es sich um einen öffentlichen Arbeitgeber (wie das Land Berlin) oder einen privaten Arbeitgeber (wie die Max-Planck-Gesellschaft) handelt.

______
1 § 9 der Verordnung über den Erholungsurlaub der Beamten und Richter vom 26. April 1988 (GVBl. 1988, S. 846) bzw. § 7 des Bundesurlaubsgesetzes vom 8. Januar 1963 (BGBl. 1963, S. 2) in der Fassung vom 7. Mai 2002 (BGBl. 2002 I S. 1529).
2 Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. 2003, L 299, S. 9) sowie die Charta der Grundrechte der Europäischen Union.

HINWEIS: Im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens können die Gerichte der Mitgliedstaaten in einem bei ihnen anhängigen Rechtsstreit dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts oder nach der Gültigkeit einer Handlung der Union vorlegen. Der Gerichtshof entscheidet nicht über den nationalen Rechtsstreit. Es ist Sache des nationalen Gerichts, über die Rechtssache im Einklang mit der Entscheidung des Gerichtshofs zu entscheiden. Diese Entscheidung des Gerichtshofs bindet in gleicher Weise andere nationale Gerichte, die mit einem ähnlichen Problem befasst werden. Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet. Der Volltext der Urteile (C-619/16 und C-684/16) wird am Tag der Verkündung auf der Curia-Website veröffentlicht.

Pressekontakt: Hartmut Ost  (+352) 4303 3255
Filmaufnahmen von der Verkündung der Urteile sind verfügbar über „Europe by Satellite“  (+32) 2 2964106
Quelle: https://curia.europa.eu/jcms/upload/doc ... 0165de.pdf

+++
Tagesschau am 06.11.2018:
Urteil des EuGH
Urlaubsanspruch erlischt nicht automatisch

Wer seinen Jahresurlaub nicht beantragt, behält deshalb trotzdem seinen Anspruch auf eine Auszahlung. Auch im Erbfall hat der EuGH die Arbeitnehmerrechte gestärkt. ... (weiter lesen unter) ... https://www.tagesschau.de/wirtschaft/ar ... b-103.html bzw. https://www.tagesschau.de/inland/faq-ur ... h-101.html

Süddeutsche Zeitung am 06.11.2018:
EuGH stärkt Arbeitnehmerrechte bei Urlaubsanspruch
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die Rechte von Arbeitnehmern auf eine Auszahlung nicht genommenen Urlaubs gestärkt.
Der EuGH entschied am Dienstag, dass Beschäftigte ihre Ansprüche nicht automatisch verlieren dürften, wenn sie keinen Urlaub beantragt haben.
In einem weiteren Urteil stellte das Gericht fest, dass beim Tod eines Arbeitnehmers die Erben eine finanzielle Abgeltung für nicht genommenen Urlaub verlangen können.
... (weiter lesen unter) ... https://www.sueddeutsche.de/karriere/eu ... -1.4198854

LTO am 06.11.2018:
EuGH gibt Rechtsreferendar Recht
Ver­gü­tung von Res­t­ur­laub geht auch ohne Urlaub­s­antrag

von Tanja Podolski
Urlaub kann in Geld abgegolten werden, selbst wenn der Arbeitnehmer keinen Urlaub beantragt hatte. Ausnahme: Der Arbeitgeber hat über mögliche Anspruchsverluste genau informiert. Geklagt hatte ein Rechtsreferendar. .... (weiter lesen unter) ... https://www.lto.de/recht/hintergruende/ ... haedigung/
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Verfall von Urlaubsansprüchen - Obliegenheiten des Arbeitgebers

Beitrag von WernerSchell » 19.02.2019, 17:18

Bundesarbeitsgericht

Verfall von Urlaubsansprüchen
- Obliegenheiten des Arbeitgebers


Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub erlischt in der Regel
nur dann am Ende des Kalenderjahres, wenn der Arbeitgeber ihn zuvor über seinen
konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den
Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.
Der Beklagte beschäftigte den Kläger vom 1. August 2001 bis zum 31. Dezember
2013 als Wissenschaftler. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangte
der Kläger ohne Erfolg, den von ihm nicht genommenen Urlaub im Umfang von
51 Arbeitstagen aus den Jahren 2012 und 2013 mit einem Bruttobetrag iHv.
11.979,26 Euro abzugelten. Einen Antrag auf Gewährung dieses Urlaubs hatte er
während des Arbeitsverhältnisses nicht gestellt.
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat
angenommen, der Urlaubsanspruch des Klägers sei zwar zum Jahresende verfallen.
Der Kläger habe aber Schadensersatz in Form von Ersatzurlaub verlangen können,
weil der Beklagte seiner Verpflichtung, ihm von sich aus rechtzeitig Urlaub zu
gewähren, nicht nachgekommen sei. Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses
sei der Ersatzurlaubsanspruch abzugelten.
Die Revision des Beklagten hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts
Erfolg. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.
§ 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG sieht vor, dass Urlaub, der bis zum Jahresende nicht
gewährt und genommen wird, verfällt. Das galt nach bisheriger Rechtsprechung
selbst für den Fall, dass der Arbeitnehmer den Arbeitgeber rechtzeitig, aber erfolglos
aufgefordert hatte, ihm Urlaub zu gewähren. Allerdings konnte der Arbeitnehmer
unter bestimmten Voraussetzungen Schadensersatz verlangen, der während des
Arbeitsverhältnisses auf Gewährung von Ersatzurlaub und nach dessen Beendigung
auf Abgeltung der nicht genommenen Urlaubstage gerichtet war.
Diese Rechtsprechung hat der Senat weiterentwickelt und damit die Vorgaben
des Gerichtshofs der Europäischen Union aufgrund der Vorabentscheidung vom
6. November 2018 (- C-684/16 - [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der
Wissenschaften]) umgesetzt. Nach Maßgabe des § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG ist es
dem Arbeitgeber vorbehalten, die zeitliche Lage des Urlaubs unter Berücksichtigung
der Urlaubswünsche des Arbeitnehmers festzulegen. Entgegen der Annahme des
Landesarbeitsgerichts zwingt die Vorschrift den Arbeitgeber damit zwar nicht, dem
Arbeitnehmer von sich aus Urlaub zu gewähren. Allerdings obliegt ihm unter
Beachtung von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG (Arbeitzeitrichtlinie) die
Initiativlast für die Verwirklichung des Urlaubsanspruchs. Nach der Rechtsprechung
des Gerichtshofs ist der Arbeitgeber gehalten, „konkret und in völliger Transparenz
dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten
Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn - erforderlichenfalls förmlich - auffordert, dies
zu tun“. Der Arbeitgeber hat klar und rechtzeitig mitzuteilen, dass der Urlaub am
Ende des Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums verfallen wird, wenn
der Arbeitnehmer ihn nicht nimmt.
Bei einer richtlinienkonformen Auslegung des § 7 BUrlG kann der Verfall von Urlaub
daher in der Regel nur eintreten, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor
konkret aufgefordert hat, den Urlaub zu nehmen, und ihn klar und rechtzeitig darauf
hingewiesen hat, dass der Urlaub anderenfalls mit Ablauf des Urlaubsjahres oder
Übertragungszeitraums erlischt. Das Landesarbeitsgericht wird nach der Zurückverweisung
der Sache aufzuklären haben, ob der Beklagte seinen Obliegenheiten
nachgekommen ist.

Bundesarbeitsgericht,
Urteil vom 19. Februar 2019 - 9 AZR 541/15 -

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 6. Mai 2015 - 8 Sa 982/14 -

Quelle. Pressemitteilung vom 19.02.2019
Ulrike Emmeluth
Bundesarbeitsgericht
- Pressestelle -
99113 Erfurt
Tel.: 03 61/26 36-12 27
Fax: 03 61/26 36-22 27
E-Mail: pressestelle@bundesarbeitsgericht.de
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Gericht stärkt Arbeitnehmer in Sachen Urlaub

Beitrag von WernerSchell » 20.02.2019, 07:28

Ärzte Zeitung vom 20.02.2019:
Urteil
Gericht stärkt Arbeitnehmer in Sachen Urlaub

Ab in den Urlaub? Nicht beantragter Urlaub kann nicht mehr automatisch verfallen. Mit einem Grundsatzurteil stärkt das Bundesarbeitsgericht die Rechte der Arbeitnehmer. mehr » https://www.aerztezeitung.de/nl/?sid=98 ... efpuryykqr
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Erwerbsminderungsrente - Verfall des Urlaubs - Gilt die 15-Monatsfrist auch bei unterlassener Mitwirkung des Arbeitgeber

Beitrag von WernerSchell » 07.07.2020, 15:57

Bundesarbeitsgericht
Pressemitteilung Nr. 21/20 vom 07.07.2020


Erwerbsminderungsrente - Verfall des Urlaubs - Gilt die 15-Monatsfrist auch bei unterlassener Mitwirkung des Arbeitgebers?

Zur Klärung der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub eines Arbeitnehmers, bei dem eine volle Erwerbsminderung im Verlauf des Urlaubsjahres eingetreten ist, 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres oder ggf. zu einem späteren Zeitpunkt verfallen kann, hat der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gerichtet.*

Der als schwerbehinderter Mensch anerkannte Kläger ist seit dem Jahr 2000 als Frachtfahrer bei der Beklagten beschäftigt. Seit dem 1. Dezember 2014 bezieht er eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, die zuletzt bis August 2019 verlängert wurde. Er hat ua. geltend gemacht, ihm stünden gegen die Beklagte noch 34 Arbeitstage Urlaub aus dem Jahr 2014 zu. Diese Ansprüche seien nicht verfallen, weil die Beklagte ihren Obliegenheiten, an der Gewährung und Inanspruchnahme von Urlaub mitzuwirken, nicht nachgekommen sei. Die Beklagte hat demgegenüber die Auffassung vertreten, der im Jahr 2014 nicht genommene Urlaub des Klägers sei mit Ablauf des 31. März 2016 erloschen. Sei der Arbeitnehmer - wie vorliegend der Kläger aufgrund der vollen Erwerbsminderung - aus gesundheitlichen Gründen langandauernd außerstande, seinen Urlaub anzutreten, trete der Verfall 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres unabhängig von der Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten ein.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Für die Entscheidung, ob der Urlaub des Klägers aus dem Jahr 2014 am 31. März 2016 oder ggf. zu einem späteren Zeitpunkt verfallen ist, kommt es für den Neunten Senat auf die Auslegung von Unionsrecht an, die dem Gerichtshof der Europäischen Union vorbehalten ist.

Nach § 7 Abs. 3 BUrlG muss Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf die ersten drei Monate des folgenden Kalenderjahres ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Diese Bestimmung hat der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts verschiedentlich unionsrechtskonform ausgelegt.

Im Anschluss an die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 6. November 2018 (- C-684/16 - [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften]) zu Art. 7 RL 2003/88/EG (Arbeitszeitrichtlinie) sowie zu Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union hat der Neunte Senat erkannt, dass der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub grundsätzlich nur dann nach § 7 Abs. 3 BUrlG am Ende des Kalenderjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums erlischt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor konkret aufgefordert hat, seinen Urlaub rechtzeitig im Urlaubsjahr zu nehmen, und ihn darauf hingewiesen hat, dass dieser andernfalls verfallen kann, und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat (vgl. dazu Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts Nr. 9/19 vom 19. Februar 2019).

Für den Fall, dass der Arbeitnehmer im Urlaubsjahr aus gesundheitlichen Gründen an seiner Arbeitsleistung gehindert war, versteht der Neunte Senat § 7 Abs. 3 BUrlG nach Maßgabe der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 22. November 2011 (- C-214/10 - [KHS]) außerdem dahin, dass gesetzliche Urlaubsansprüche bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit 15 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres erlöschen (vgl. dazu Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts Nr. 56/12 vom 7. August 2012).

Für die Entscheidung des Rechtstreits bedarf es nunmehr einer Klärung durch den Gerichtshof der Europäischen Union, ob das Unionsrecht den Verfall des Urlaubsanspruchs nach Ablauf dieser 15-Monatsfrist oder ggf. einer längeren Frist auch dann gestattet, wenn der Arbeitgeber im Urlaubsjahr seine Mitwirkungsobliegenheiten nicht erfüllt hat, obwohl der Arbeitnehmer den Urlaub im Urlaubsjahr bis zum Zeitpunkt des Eintritts der vollen Erwerbsminderung zumindest teilweise hätte nehmen können.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 7. Juli 2020 - 9 AZR 245/19 -
Vorinstanz: Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 7. März 2019 - 9 Sa 145/17 -

Quelle: Mitteilung vom 07.07.2020
Bundesarbeitsgericht
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