Entgeltfortzahlung am Tag der Erkrankung

Arbeits- und Arbeitsschutzrecht, Allgemeine Rechtskunde (einschließlich Staatsrecht), Zivilrecht (z.B. Erbrecht)

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Entgeltfortzahlung am Tag der Erkrankung

Beitrag von WernerSchell » 01.11.2018, 07:24

Entgeltfortzahlung am Tag der Erkrankung

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Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Köln vom 12.01.2018, 4 Sa 290/17

Ein Arbeitnehmer, der während eines Arbeitstages erkrankt, erhält für den gesamten Arbeitstag die Vergütung gemäß § 611 BGB und keine Entgeltfortzahlung gemäß § 3 Abs. 1 EFZG (vgl. auch BAG, Urteil vom 26.02.2003 - 5 AZHR 112/02 -).
Aus den Gründen:
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erhält der Arbeitnehmer, der im Laufe der Arbeitsschicht erkrankt, für den angebrochenen Arbeitstag insgesamt die volle Vergütung, auch wenn der angebrochene Arbeitstag bei der Berechnung des Sechswochenzeitraumes nicht mit eingerechnet wird. Diese Handhabung sei ein Gebot der Praktikabilität und entspreche der seit "eh und je" bestehenden betrieblichen Praxis (grundlegend BAG, Urteil vom 04.05.1971 - 1 AZR 305/70 -, zu 2b), juris; BAG, Urteil vom 26.02.2003 - 5 AZR 112/02 -, zu II.), juris). Darlegungs- und beweisbelastet für krankheitsbedingte Verhinderung an der Dienstleistung ist der Arbeitnehmer (BAG, Urteil vom 26.02.2003 - 5 AZR 112/02 -, zu II.), juris).
Vorliegend hat das Arbeitsgericht zu Recht und mit überzeugender Begründung festgestellt, dass der Kläger durch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 10.05.2016 dargelegt und bewiesen hat, dass er im Laufe des 10.05.2016 arbeitsunfähig erkrankt ist und dass es eines weiteren Beweises nicht bedurfte, weil der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch in Ansehung des Vortrags der Beklagten nicht erschüttert ist.

Quelle: Mitteilung vom 06.08.2018
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Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall - Einheit des Verhinderungsfalls

Beitrag von WernerSchell » 11.12.2019, 12:35

Bild Bundesarbeitsgericht

Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall - Einheit des Verhinderungsfalls

Der gesetzliche Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist auch dann auf die Dauer von sechs Wochen beschränkt, wenn während bestehender Arbeitsunfähigkeit eine neue, auf einem anderen Grundleiden beruhende Krankheit auftritt, die ebenfalls Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat (Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls). Ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch entsteht nur, wenn die erste krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung bereits zu dem Zeitpunkt beendet war, zu dem die weitere Erkrankung zur Arbeitsunfähigkeit führte.

Die Klägerin war bei der Beklagten bis zum 31. Juli 2017 als Fachkraft in der Altenpflege beschäftigt. Seit dem 7. Februar 2017 war sie infolge eines psychischen Leidens arbeitsunfähig. Die Beklagte leistete Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bis einschließlich 20. März 2017. Im Anschluss bezog die Klägerin auf der Grundlage von Folgebescheinigungen ihrer Hausärzte, die zuletzt am 5. Mai 2017 eine bis einschließlich 18. Mai 2017 fortbestehende Arbeitsunfähigkeit attestierten, Krankengeld. Am 19. Mai 2017 unterzog sich die Klägerin wegen eines gynäkologischen Leidens einer seit längerem geplanten Operation. Ihre niedergelassene Frauenärztin bescheinigte am 18. Mai 2017 als „Erstbescheinigung“ eine Arbeitsunfähigkeit vom 19. Mai 2017 bis zum 16. Juni 2017 und durch Folgebescheinigung eine fortbestehende Arbeitsverhinderung bis einschließlich 30. Juni 2017. Im Juli 2017 erbrachte die Klägerin im Hinblick auf ihr gewährten Urlaub und Überstundenausgleich keine Arbeitsleistungen mehr und begann eine Psychotherapie bei einem Neurologen.

Die Klägerin erhielt in der Zeit vom 19. Mai bis zum 29. Juni 2017 weder von der Beklagten Entgeltfortzahlung noch von ihrer Krankenkasse Krankengeld. Mit ihrer Klage hat sie für diesen Zeitraum von der Beklagten die Zahlung von 3.364,90 Euro brutto nebst Zinsen verlangt. Sie hat geltend gemacht, sie sei ab dem 19. Mai 2017 wegen eines neuen Leidens arbeitsunfähig gewesen. Die Arbeitsunfähigkeit wegen ihrer psychischen Erkrankung habe am 18. Mai 2017 geendet. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, den Umständen nach sei von einem einheitlichen Verhinderungsfall auszugehen. Die Klägerin habe deshalb nur einmal für die Dauer von sechs Wochen Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall beanspruchen können. Diesen Anspruch habe sie erfüllt. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat die Klage - nach Beweisaufnahme durch Vernehmung von drei Ärzten - abgewiesen.

Die Revision der Klägerin hatte vor dem Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Ist der Arbeitnehmer krankheitsbedingt arbeitsunfähig und schließt sich daran in engem zeitlichen Zusammenhang eine im Wege der „Erstbescheinigung“ attestierte weitere Arbeitsunfähigkeit an, hat der Arbeitnehmer im Streitfall darzulegen und zu beweisen, dass die vorangegangene Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt des Eintritts der weiteren Arbeitsverhinderung geendet hatte. Dies ist der Klägerin nicht gelungen. Das Landesarbeitsgericht hat durch Vernehmung der die Klägerin behandelnden Ärzte umfassend Beweis erhoben. Danach konnte nicht festgestellt werden, dass ein einheitlicher Verhinderungsfall nicht vorlag. Das gilt umso mehr als nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme eine Untersuchung der Klägerin durch den behandelnden Arzt bei der Feststellung der bis einschließlich 18. Mai 2017 attestierten Arbeitsunfähigkeit nicht erfolgte.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11. Dezember 2019 - 5 AZR 505/18 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 26. September 2018 - 7 Sa 336/18 -


Quelle: Pressemitteilung vom 11.12.2019 Nr. 45/19
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Freizeitausgleich zum Abbau des Arbeitszeitkontos - Freistellung in gerichtlichem Vergleich

Beitrag von WernerSchell » 30.12.2020, 12:54

Bundesarbeitsgericht[/size][/b]


Freizeitausgleich zum Abbau des Arbeitszeitkontos - Freistellung in gerichtlichem Vergleich


Eine Freistellung in einem gerichtlichen Vergleich erfüllt den Anspruch des Arbeitnehmers auf Freitzeitausgleich zum Abbau des Arbeitszeitkontos nur dann, wenn in dem Vergleich hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt, dass mit der Freistellung auch ein Positivsaldo auf dem Arbeitszeitkonto ausgeglichen werden soll. Dem genügt die Klausel, der Arbeitnehmer werde unwiderruflich von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt, nicht.

Die Klägerin war bei der Beklagten als Sekretärin beschäftigt. Nachdem die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt hatte, schlossen die Parteien im Kündigungsschutzprozess am 15. November 2016 einen gerichtlichen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis durch ordentliche Arbeitgeberkündigung mit Ablauf des 31. Januar 2017 endete. Bis dahin stellte die Beklagte die Klägerin unwiderruflich von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung unter Fortzahlung der vereinbarten Vergütung frei. In diesem Zeitraum sollte auch der Resturlaub eingebracht sein. Eine allgemeine Abgeltungs- bzw. Ausgleichsklausel enthält der Vergleich nicht.

Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat die Klägerin die Abgeltung von 67,10 Gutstunden auf ihrem Arbeitszeitkonto mit 1.317,28 Euro brutto nebst Zinsen verlangt. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen.

Die vom Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts zugelassene Revision der Klägerin war erfolgreich und führte zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Endet das Arbeitsverhältnis und können Gutstunden auf dem Arbeitszeitkonto nicht mehr durch Freizeit ausgeglichen werden, sind sie vom Arbeitgeber in Geld abzugelten. Die Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeitspflicht in einem gerichtlichen Vergleich ist nur dann geeignet, den Anspruch auf Freizeitausgleich zum Abbau von Gutstunden auf dem Arbeitszeitkonto zu erfüllen, wenn der Arbeitnehmer erkennen kann, dass der Arbeitgeber ihn zur Erfüllung des Anspruchs auf Freizeitausgleich von der Arbeitspflicht freistellen will. Daran fehlte es vorliegend. In dem gerichtlichen Vergleich ist weder ausdrücklich noch konkludent hinreichend deutlich festgehalten, dass die Freistellung auch dem Abbau des Arbeitszeitkontos dienen bzw. mit ihr der Freizeitausgleichsanspruch aus dem Arbeitszeitkonto erfüllt sein soll.



Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. November 2019 - 5 AZR 578/18 - > https://juris.bundesarbeitsgericht.de/c ... linked=urt
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 19. Juni 2018 - 12 Sa 218/18 -

Quelle: Pressemitteilung Nr. 40/19 des Bundesarbeitsgerichts
httpshttps://www.bundesarbeitsgericht.de/grafiken/Bu ... z=19&pos=8
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