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Betriebsrätin nicht außerordentlich kündigen

Verfasst: 30.12.2016, 08:12
von WernerSchell
Betriebsrätin nicht außerordentlich kündigen – Herkunft einer Trauerkarte bleibt ungeklärt

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Das Landesarbeitsgericht Hamm verhandelte über die Absicht der AWO (Arbeiterwohlfahrt Bezirk Westliches Westfalen e.V.), sich im Wege der außerordentlichen Kündigung von einer seit rund 20 Jahren in einem Bochumer Seniorenzentrum beschäftigten Betriebsrätin zu trennen. Zum Hintergrund: Betriebsratsmitglieder sind im Regelfall vor ordentlicher Kündigung besonders geschützt. Eine außerordentliche Kündigung ist nur aus wichtigem Grund und nur mit Zustimmung des Betriebsrats möglich. Verweigert dieser die Zustimmung, kann diese durch arbeitsgerichtlichen Beschluss ersetzt werden, welcher die Kündigungssperre beseitigt. Das Arbeitsgericht Bochum hatte vorliegend mit Beschluss vom 16. Februar 2016 (Az.: 2 BV 36/15) den Zustimmungsersetzungsantrag der Arbeitgeberin abgewiesen. Dagegen richtete sich das von der Arbeitgeberin aufgerufene Rechtsmittel der Beschwerde.
Die Anhörung der Beteiligten vor der Beschwerdekammer ließ erkennen, dass sich die Kündigungsabsicht auf den aus Arbeitgebersicht dringenden Verdacht einer gravierenden Pflichtwidrigkeit der Betriebsrätin stützt. Diese soll einer Wohnbereichsleiterin, die ihr Arbeitsverhältnis wenig später beendete, eine Trauerkarte mit dem handschriftlichen Zusatz „Für Dich (bist die nächste)“ in das Dienstpostfach eingelegt haben, was streitig blieb. Ein von der Arbeitgeberin selbst außergerichtlich eingeholtes Schriftgutachten hatte insoweit ergeben, dass der handschriftliche Zusatz mit „hoher Wahrscheinlichkeit“ (3. von 8 Übereinstimmungsgraden) von der Betriebsrätin stammte. Die höheren Übereinstimmungsgrade „an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit“ und „sehr hohe Wahrscheinlichkeit“ vermochte der Sachverständige hingegen nicht festzustellen. Der Prozessbevollmächtige der Arbeitgeberin betonte im Zusammenhang mit der Kündigungsabsicht, dass man insbesondere zum Schutz der weiteren Beschäftigten des Seniorenzentrums tätig werden wolle. Im Rahmen des Rechtsgesprächs machte der Kammervorsitzende deutlich, dass eine Verdachtskündigung und damit die beantragte Zustimmungsersetzung nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur unter engen Voraussetzungen in Betracht kommen könne. So müsse aufgrund objektiver Tatsachen der dringende Verdacht einer gravierenden Pflichtwidrigkeit bestehen. Der Arbeitgeber müsse alle ihm möglichen und zumutbaren Mittel der Sachverhaltsaufklärung ausgeschöpft und insbesondere den betroffenen Arbeitnehmer zu den konkreten Verdachtsmomenten angehört haben. Zudem müsse aufgrund der Verdachtslage die zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauensbasis zerstört sein.
Die Beschwerdekammer hat mit am Ende der Sitzung verkündeter Entscheidung das Rechtsmittel der Arbeitgeberin zurückgewiesen und weitere Rechtsmittel nicht zugelassen. Sie hatte bereits im Termin – insbesondere bezogen auf den zur Kündigung erforderlichen Verdachtsgrad – Bedenken an der Begründetheit des Antrags erkennen lassen (7 TaBV 45/16).

Quelle: Mitteilung vom 27.11.2016
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