Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte

Arbeits- und Arbeitsschutzrecht, Allgemeine Rechtskunde (einschließlich Staatsrecht), Zivilrecht (z.B. Erbrecht)

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Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte

Beitrag von WernerSchell » 02.04.2018, 07:32

Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte

Urteil des Landesarbeitsgerichts Mainz vom 12.11.2015 - 5 Sa 141/15 -
>> http://www3.mjv.rlp.de/rechtspr/Display ... BBAB473E15}

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Redaktionelle Leitsätze:
1. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können in entsprechender Anwendung von §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus ihrer Personalakte verlangen, wenn die Abmahnung entweder inhaltlich unbestimmt ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens der Arbeitnehmerin beruht oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt, sowie auch dann, wenn selbst bei einer zu Recht erteilten Abmahnung kein schutzwürdiges Interesse der Arbeitgeberin mehr an deren Verbleib in der Personalakte besteht.
2. Nach § 4 Nr. 1 MTV-Pro Seniore ist die Arbeitnehmerin verpflichtet, sich auf Verlangen der Arbeitgeberin vor ihrer Einstellung ärztlich auf ihre körperliche Eignung (Gesundheitszustand und Arbeitsfähigkeit) untersuchen zu lassen und während des Arbeitsverhältnisses bei gegebener Veranlassung dem Verlangen des Arbeitgeberin auf Wiederholung dieser Untersuchung durch einen Arbeitsmediziner nachkommen; wird die Arbeitnehmerin gemäß § 4 Nr. 1 MTV-Pro Seniore von der Arbeitgeberin aufgefordert, sich beim Betriebsarzt vorzustellen, und nimmt sie den insoweit bestimmten Untersuchungstermin nicht wahr, ohne ihr Fernbleiben zuvor zu entschuldigen, ist eine diesbezügliche Abmahnung, soweit sie hinreichend bestimmt ist und auch keine unrichtigen Tatsachen enthält, berechtigt.
3. Die Arbeitnehmerin darf angesichts einer klaren Rechtslage aufgrund eindeutiger gerichtlichen Vorgaben in Vorprozessen zwischen den Parteien nicht darauf vertrauen, dass sie eine nach § 4 Nr. 1 MTV-Pro Seniore angeordnete betriebsärztliche Untersuchung mit dem Argument ablehnen kann, dass der MTV-Pro Seniore auf ihr Arbeitsverhältnis keine Anwendung findet; selbst bei einer unklaren Rechtslage handelt die Arbeitnehmerin bereits fahrlässig, wenn sie sich erkennbar in einem Grenzbereich des rechtlich Zulässigen bewegt, in dem sie eine von der eigenen Einschätzung abweichende Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit des fraglichen Verhaltens in Betracht ziehen muss.
4. Für einen Rechtsirrtum ihres Prozessbevollmächtigten hat die Arbeitnehmerin Klägerin nach § 278 BGB einzustehen.
5. Ein von der Arbeitnehmerin vorgelegtes Attest, wonach "aus fachpsychiatrischer Sicht und hinsichtlich der Prophylaxe gravierender gesundheitlicher Störungen iSd. SGB V derzeit weder Nachtdienste noch Dienste durchgeführt werden können, die vor 7:30 Uhr morgens beginnen", während "reguläre Schichtdienste tagsüber" und "Spätschicht durchgeführt werden können, ohne dass Labilisierungen der Psychopathologie und des Biorhythmus zu erwarten sind", entspricht nicht den Mindestanforderungen einer Nachvollziehbarkeit, wenn insbesondere Diagnose und Therapie nicht angeführt worden sind.
6. Eine Verpflichtung der Arbeitgeberin, nicht an dem von ihr bestimmten Arzt für die Untersuchung festzuhalten, kann sich nur dann ergeben, wenn die Arbeitnehmerin (rechtzeitig) begründete Einwände gegen ihn erhebt; aus der Luft gegriffene oder in der Sache unbeachtliche Bedenken gegen den von der Arbeitgeberin bestimmten Arzt ("Lagertheorie") reichen nicht aus.
Quelle und weitere Informationen:
https://www.jurion.de/Urteile/LAG-Rhein ... -Sa-141_15
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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