Heimliche Videoaufnahmen eines Arbeitnehmers

Arbeits- und Arbeitsschutzrecht, Allgemeine Rechtskunde (einschließlich Staatsrecht), Zivilrecht (z.B. Erbrecht)

Moderator: WernerSchell

Gesperrt
WernerSchell
Administrator
Beiträge: 25301
Registriert: 18.05.2003, 23:13

Heimliche Videoaufnahmen eines Arbeitnehmers

Beitrag von WernerSchell » 13.07.2015, 06:42

Bild

Observation durch einen Detektiv mit heimlichen Videoaufnahmen

Ein Arbeitgeber, der wegen des Verdachts einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit einem Detektiv die Überwachung eines Arbeitnehmers überträgt, handelt rechtswidrig, wenn sein Verdacht nicht auf konkreten Tatsachen beruht. Für dabei heimlich hergestellte Abbildungen gilt dasselbe. Eine solche rechtswidrige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kann einen Geldentschädigungsanspruch („Schmerzensgeld“) begründen.

Die Klägerin war bei der Beklagten seit Mai 2011 als Sekretärin der Geschäftsleitung tätig. Ab dem 27. Dezember 2011 war sie arbeitsunfähig erkrankt, zunächst mit Bronchialerkrankungen. Für die Zeit bis 28. Februar 2012 legte sie nacheinander sechs Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor, zuerst vier eines Facharztes für Allgemeinmedizin, dann ab 31. Januar 2012 zwei einer Fachärztin für Orthopädie. Der Geschäftsführer der Beklagten bezweifelte den zuletzt telefonisch mitgeteilten Bandscheibenvorfall und beauftragte einen Detektiv mit der Observation der Klägerin. Diese erfolgte von Mitte bis Ende Februar 2012 an vier Tagen. Beobachtet wurden ua. das Haus der Klägerin, sie und ihr Mann mit Hund vor dem Haus und der Besuch der Klägerin in einem Waschsalon. Dabei wurden auch Videoaufnahmen erstellt. Der dem Arbeitgeber übergebene Observationsbericht enthält elf Bilder, neun davon aus Videosequenzen. Die Klägerin hält die Beauftragung der Observation einschließlich der Videoaufnahmen für rechtswidrig und fordert ein Schmerzensgeld, dessen Höhe sie in das Ermessen des Gerichts gestellt hat. Sie hält 10.500 Euro für angemessen. Die Klägerin habe erhebliche psychische Beeinträchtigungen erlitten, die ärztlicher Behandlung bedürften.

Das Landesarbeitsgericht hat der Klage in Höhe von 1.000,00 Euro stattgegeben. Die Revisionen beider Parteien blieben vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts ohne Erfolg. Die Observation einschließlich der heimlichen Aufnahmen war rechtswidrig. Der Arbeitgeber hatte keinen berechtigten Anlass zur Überwachung. Der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen war weder dadurch erschüttert, dass sie von unterschiedlichen Ärzten stammten, noch durch eine Änderung im Krankheitsbild oder weil ein Bandscheibenvorfall zunächst hausärztlich behandelt worden war. Die vom Landesarbeitsgericht angenommene Höhe des Schmerzensgeldes war revisionsrechtlich nicht zu korrigieren. Es war nicht zu entscheiden, wie Videoaufnahmen zu beurteilen sind, wenn ein berechtigter Anlass zur Überwachung gegeben ist.

Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 19. Februar 2015 - 8 AZR 1007/13 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil vom 11. Juli 2013 - 11 Sa 312/13 -

Quelle: Pressemitteilung vom 19.02.2015
Hugo-Preuß-Platz 1
99084 Erfurt
Telefon: 0361 2636-0
Fax: 0361 2636-2000
E-Mail: bag@bundesarbeitsgericht.de

http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cg ... oaufnahmen

+++
Allg. Zeitung Mainz:
Bedenklich / Kommentar zur Mitarbeiterkontrolle

Mainz (ots) - Bei unbegründetem Misstrauen hört der Spaß auf - Kontrolle zerstört nicht nur notwendiges Vertrauen, sie verletzt auch massiv Persönlichkeitsrechte. Das einmal mehr klarzustellen, war wichtig, und das Bundesarbeitsgericht hat gut daran getan, entsprechend zu entscheiden. Es mag sogar Arbeitnehmer geben, die nach dem Motto - ich habe nichts zu verbergen - argloser reagiert hätten als die Klägerin. Das wäre leider ziemlich blauäugig, wie man einräumen muss. Denn allzu oft geht es bei solchen Kontrollen gar nicht darum, tatsächlich den Krankenstand anzuzweifeln. Wenn dazu Tatsachen Anlass geben, räumen die Richter das Recht auf Detektivarbeit ja sogar ein. Nein, Arbeitgeber suchen hier häufig einfach eine Möglichkeit, Beschäftigte endgültig loszuwerden. Leider ist aber absehbar, dass die Kontroll-Unsitte mit dem aktuellen Urteil nur bedingt gestoppt wird. Denn auch künftig riskieren Unternehmen bei unzulässiger Überwachung weder Strafen noch hohes Schmerzensgeld.
Solange hier keine Änderung in Sicht ist, werden Mitarbeiter weiterhin mit Geschnüffel in ihrer Privatsphäre rechnen müssen. Und das ist bedenklich.

Quelle: Pressemitteilung vom 19.02.2015 Allgemeine Zeitung Mainz
Pressekontakt: Allgemeine Zeitung Mainz
Florian Giezewski
Regionalmanager
Telefon: 06131/485817
desk-zentral@vrm.de

+++
Siehe zum Thema Videoüberwachung auch unter
Fussek fordert Überwachung - „Installiert Kameras in Pflege"
>>> viewtopic.php?f=3&t=20665
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
Bild

Gesperrt