Arbeitszeitgesetz - ein Wunschkonzert?

Arbeits- und Arbeitsschutzrecht, Allgemeine Rechtskunde (einschließlich Staatsrecht), Zivilrecht (z.B. Erbrecht)

Moderator: WernerSchell

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Hasilein
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Arbeitszeitgesetz - ein Wunschkonzert?

Beitrag von Hasilein » 15.02.2012, 21:20

Ein Mitarbeiter der Dauernachtwache hatte Sonntag auf Montag Nachtwache bis einschließlich kommenden Freitag.
Am Montagmorgen nahm er von 9:00h bis 17:00h an einer internen Fortbildung teil.
Das heisst er hatte um 7:00h Dienstschluss, hat eine Stunde geschlafen, hat die Fortbildung mitgemacht und ist am selben Abend wieder in die Nachtwache.
Trotz mehrerer Proteste hat die Leitung dies toleriert und der Kollege wurde noch gebauchpinselt und für seinen "Einsatz" gelobt.
Die Mehrheit der Mitarbeiter, mich eingeschlossen sind der Meinung, dass es sich hier um einen klaren Verstoss gegen das Arbeitsschutzgesetz/Ruhezeiten handelt. Unser Arbeitgeber weiss das und hätte aus Fürsorge den Kollegen nach Hause zum Schlafen schicken müssen.
Für diese Gesetze haben andere Leute jahrelang gekämpft und nun werden Leute gegeneinander ausgespielt und eine Farce daraus gemacht: Guter Kollege, kommt obwohl er Nachtwache hatte, was für ein Einsatz!
Leider haben wir keinen Betriebsrat mehr.
Aber uns bewegt trotzdem die Frage, ist dieses Gesetz eine Pflicht, hätte der Arbeitgeber reagieren müssen oder liegt es tatsächlich in der Hand des betroffenen Arbeitnehmers. Also durfte der betroffene Kollege sich diesen Marathon wirklich zumuten?
Sind die Ruhezeiten nun Pflicht oder nur "Wahlpflicht"?
Leben und leben lassen!

Herbert Kunst
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Arbeitszeitgesetz ist bindend

Beitrag von Herbert Kunst » 16.02.2012, 07:57

Hallo Hasilein,

das Arbeitszeitgesetz ist für die Beteiligten bindend. Wenn also in § 5 Arbeitszeitgesetz - http://www.gesetze-im-internet.de/arbzg/__5.html - von einer Ruhezeit die Rede, muss diese in der dort beschriebenen Art und Weise umgesetzt werden. So ist auch im 1. Satz von "müssen" die Rede. Die Vorschriften dienen u.a. dem Gesundheitsschutz und sind hinsichtlich ihrer Beachtung nicht in das Belieben der Beteiligten, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, gestellt. Da, wo es aber keinen Kläger gibt, ist auch keinen Richter.
Ich denke, dass in der beschriebenen Angelegenheit eine Einschaltung der Arbeitnehmervertretung vonnöten ist. Auf das Arbeitsschutzgesetz, v.a. § 17, mache ich aufmerksam. Siehe auch:
viewtopic.php?t=16799

Gruß
Herbert Kunst
Für menschenwürdige Pflege sind wir alle verantwortlich! - Dazu finde ich immer wieder gute Informationen unter http://www.wernerschell.de

Hasilein
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Kein Kläger - keinen Richter

Beitrag von Hasilein » 16.02.2012, 10:57

Da, wo es aber keinen Kläger gibt, ist auch keinen Richter.

Ähnliches sagte gestern unser Supervisor auch.

Unser Chef meinte nur: Dann gibt es in Zukunft auch keine "kurzen Wechsel" mehr. Das sind Wechsel von SD auf FD, rein zahlenmässig stimmt das, es wären tatsächlich nur 8,5h. 22 - 6:30h.
Stimmt leider auch. :(

Eine Arbeitnehmervertretung haben wir nicht. Das Hospiz "gehört" dem Hospizverein, unsere Arbeitsverträge sind mit diesem geschlossen, wir unterliegen leider keinem Tarifwerk.

Sich an übergeordnete Vorgesetzte (Geschäftsleitung) zu wenden, finde ich äußerst schwierig bezüglich des Vertrauensverhältnisses.

Vermutlich fahre ich zukünftig damit besser, meine Rechte wahrzunehmen und ansonsten die Klappe zu halten.

Vielen Dank für die rasche Beantwortung!
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Nachteile bei kritischen Wortmeldungen

Beitrag von Anja Jansen » 16.02.2012, 18:44

Ich denke, dass sich bei den Pflegenden tagtäglich Fragen dahingehend stellen, ob man einen Missstand ansprechen soll oder muss. Leider lässt die Politik die ArbeitnehmerInnen weitgehend allein. Denn wenn sie sich, eigentlich gefordert, zu Wort melden, haben ganz schnell Nachteile, bis zur Kündigung, zu erwarten - und keiner hilft. Daher macht es schon Sinn zu überlegen, wann man sich einbringt oder nicht.
Siehe da´her auch unter:
viewtopic.php?t=16148

LB. Grüße
Anja
Es ist mehr Aufmerksamkeit für dementiell erkrankte Menschen nötig. Unser Pflegesystem braucht deshalb eine grundlegende Reform!

PflegeCologne
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Kein Kläger - keinen Richter

Beitrag von PflegeCologne » 17.02.2012, 08:37

Hasilein hat geschrieben: .... Vermutlich fahre ich zukünftig damit besser, meine Rechte wahrzunehmen und ansonsten die Klappe zu halten. ....
Hallo und guten Morgen,
ja, manchmal kann es sinnvoll sein, gewisse Vorgänge mit Aufmerksamkeit zu registrieren, aber nichts weiter zu unternehmen.
Man kann auch daran denken, die MitarbeiterInnen zu informieren und verbal zu unterstützen, die ungerecht behandelt werden.
Es ist dabei zu bedenken, dass es manchmal sogar von Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern ausdrücklich akzeptiert wird,
bei der Diensteinteilung rechtswidrig zu verfahren.
MfG Pflege Cologne
Alzheimer - eine Krankheit, die mehr Aufmerksamkeit erfordert! - Pflegesystem muss dem angepasst werden, auch, wenn es teurer wird! - Ich bin dabei:
http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de

KPHNeuss
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Wertschätzung und Anerkennung praktizieren

Beitrag von KPHNeuss » 19.02.2012, 08:50

Guten Morgen und Helau!
Ich habe mir so meine Gedanken gemacht. Die Arbeitszeitregelungen werden in der Pflege vielfach mit Füßen getreten. Denn wie kann es sonst sein, dass viele Pflegekräfte Überstunden vor sich her schieben, sie nicht abfeiern können und auch nicht vergütet bekommen. Wie oft müssen Pflegekräfte - wie selbstverständlich - früher kommen und dürfen später gehen? - Das sind natürlich alles Situationen, die den Druck und Belastungen erhöhen, Krankheiten produzieren. An diesen "Stellschrauben" muss gedreht werden. Lippenbekenntnisse, die Wertschätzung und Anerkennung ausdrücken wollen, benötigen die Pflegekräfte eher nicht. Diese Wertschätzung und Anerkennung müssen wir praktisch erleben.
Es grüßt
KPH Neuss
Für eine uneingeschränkt gute Pflege müssen wir alle eintreten - die Verfassung enthält die entscheidenden Wertegrundsätze: Die Menschenwürde ist unantastbar!

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