VERDACHTSKÜNDIGUNG EINER ARBEITNEHMERIN

Arbeits- und Arbeitsschutzrecht, Allgemeine Rechtskunde (einschließlich Staatsrecht), Zivilrecht (z.B. Erbrecht)

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VERDACHTSKÜNDIGUNG EINER ARBEITNEHMERIN

Beitrag von Presse » 12.08.2009, 07:19

VERDACHTSKÜNDIGUNG EINER ARBEITNEHMERIN NACH 30-JÄHRIGER BETRIEBSZUGEHÖRIGKEI

Manipuliert eine Beschäftigte die Arbeitszeiterfassung unter Ausnutzung ihrer Vertrauensstellung, ist eine fristlose Kündigung auch nach langjähriger, ansonsten beanstandungsfreier Betriebszugehörigkeit und ohne restlose Aufklärung des Sachverhalts zulässig. .....
LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.03.2009, 7 Sa 735/08 ....
.... (mehr)
http://www.haufe.de/recht/newsDetails?n ... d=00954390

Siehe auch unter
http://www.verdi-bub.de/urteil/116/
viewtopic.php?t=11140&highlight=verdachtsk%FCndigung

WernerSchell
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Tricksen bei der Arbeitszeiterfassung kostet Job

Beitrag von WernerSchell » 23.02.2015, 07:50

Tricksen bei der Arbeitszeiterfassung kostet Job
(Quelle: LAG Hessen, Urteil vom 17. Febr. 2014, 16 Sa 1299/13 )

Der verheiratete 46 Jahre alte Kläger, der Vater eines Kindes ist, war seit mehr als 25 Jahren in einer Großmetzgerei beschäftigt. Beim Verlassen des Produktionsbereichs wegen privater Arbeitsunterbrechungen müssen die Mitarbeiter eine Zeiterfassung über einen Chip bedienen. Ebenso müssen sie sich rückmelden, wenn sie den Produktionsbereich wieder betreten. Der Kläger wurde dabei beobachtet, dass er den Chip in seiner Geldbörse ließ und zusätzlich mit seiner Hand abschirmte, wenn er diesen vor das Zeiterfassungsgerät zum An- und Abmelden hielt. Eine Kontrolle durch den Arbeitgeber ergab, dass der Kläger in 1,5 Monaten so Pausen von insgesamt mehr als 3,5 Stunden gemacht hatte, ohne sich an- und abzumelden. Die Zeiten waren bezahlt worden.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die fristlose Kündigung wegen Arbeitszeitbetrugs für gerechtfertigt gehalten. Die Zeiterfassung piepe, wenn ein Mitarbeiter sich an- oder abmelde. Ein Versehen des Klägers sei ausgeschlossen. Dieser habe bewusst nur so getan, als würde er die Anlage bedienen. Wegen des fehlenden akustischen Signals habe dieser gewusst, dass er den Chip erfolgreich abgedeckt hatte.
Dem Arbeitgeber sei es wegen des vorsätzlichen Betrugs nicht zumutbar, nur mit einer Abmahnung zu reagieren. Der Vertrauensbruch wiege schwerer als die lange Betriebszugehörigkeit.
Das Hessische Landesarbeitsgericht hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht nicht zugelassen.

Quelle: Mitteilung vom 23.02.2015
Verband Kirchlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Rheinland-Westfalen-Lippe
Weißenburger Straße 12
44135 Dortmund
Tel.: 0231/ 579743
Fax: 0231/ 579754
E-Mail: info@vkm-rwl.de
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Verpflichtung des Arbeitgebers zur Arbeitszeiterfassung?

Beitrag von WernerSchell » 11.02.2019, 07:47

Verpflichtung des Arbeitgebers zur Arbeitszeiterfassung?

(Quelle: juris.de) Der Europäische Gerichtshof beschäftigt sich zurzeit mit der Frage, ob Arbeitgeber verpflichtet sind, die tgl. Arbeitszeit zu erfassen (EuGH, C-55/18; PM EuGH Nr. 8/2019 v. 31.01.2019). Nach Auffassung von Generalanwalt Giovanni Pitruzzella sind Unternehmen verpflichtet, ein System zur Erfassung der täglichen effektiven Arbeitszeit einzuführen, wobei es den Mitgliedstaaten freistehe, die Formen und Wege der Umsetzung dieser Verpflichtung zu bestimmen.
Generalanwalt Giovanni Pitruzzella hat in seinen Schlussanträgen vom 31.01.2019 dem EuGH vorgeschlagen festzustellen, dass die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) und die Richtlinie 2003/88 (Arbeitszeitrichtlinie) den Unternehmen die Verpflichtung auferlegten, ein System zur Erfassung der täglichen effektiven Arbeitszeit für Vollzeitarbeitnehmer einzuführen, die sich nicht ausdrücklich individuell oder kollektiv zur Ableistung von Überstunden verpflichtet hätten. Jedoch stehe es den Mitgliedstaaten frei, die für die Erreichung der praktischen Wirksamkeit des Unionsrechts geeignetste Form der Erhebung der effektiven täglichen Arbeitszeit vorzusehen.
Es müsse gewährleistet werden, dass die den Arbeitnehmern durch die Charta und die Richtlinie 2003/88 verliehenen Rechte auf Begrenzung der Höchstarbeitszeit und auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten umfassend und tatsächlich in Anspruch genommen werden könnten. Ein umfassender und wirksamer Schutz setze nämlich die Bestimmung spezifischer Verpflichtungen der beteiligten Personen voraus, damit vermieden werde, dass der Unterschied in der wirtschaftlichen Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, der die schwächere Partei des Arbeitsvertrags sei, die tatsächliche Inanspruchnahme der von der Charta und der Richtlinie zuerkannten Rechte beeinträchtige. Die Mitgliedstaaten könnten zwar die Mittel und Wege, mit denen sie die Richtlinie 2003/88 umsetzten, frei wählen, doch werde ihnen jedenfalls eine Verpflichtung zur Erreichung eines bestimmten Ergebnisses auferlegt, die im Hinblick auf die Anwendung der in der Richtlinie 2003/88 aufgestellten Regeln durch keinerlei Bedingungen eingeschränkt sei. Sie hätten eine nationale Regelung zu erlassen, die geeignet sei, das Ziel des Schutzes der Gesundheit und der Sicherheit der Arbeitnehmer (deren Schutz zu den grundlegenden Zielen der Richtlinie gehöre) mittels der effektiven Einhaltung der Grenzen der Arbeitszeiten zu erreichen und jedes Hindernis zu beseitigen, das die Inanspruchnahme der von der Richtlinie zuerkannten subjektiven Rechte tatsächlich beeinträchtige oder beschränke. Diesen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Richtlinie entspreche eine besondere Verantwortung des Arbeitgebers, der seinerseits die Verpflichtung habe, angemessene Maßnahmen zu treffen, um den Arbeitnehmern die Ausübung ihrer von der Richtlinie 2003/88 gewährleisteten Rechte ohne Hindernisse zu ermöglichen.
Im Fall des Fehlens eines Systems zur Messung der Arbeitszeiten gebe es keine Garantie, dass die von der Richtlinie 2003/88 festgelegten zeitlichen Beschränkungen tatsächlich beachtet würden, und daher auch nicht dafür, dass die Rechte, die die Richtlinie den Arbeitnehmern gewähre, ohne Hindernisse ausgeübt werden könnten. Ohne ein solches System könnten weder das Ausmaß tatsächlich geleisteter Arbeit und die Lage der Arbeitszeiten objektiv und sicher festgestellt werden noch zwischen Regelarbeitszeit und Überstunden unterschieden werden. Auch die für die Kontrolle der Einhaltung des Systems für die Sicherheit am Arbeitsplatz zuständige Behörde habe keine konkrete Möglichkeit, eine etwaige Nichterfüllung der Verpflichtungen festzustellen und zu beanstanden.
Zudem mache das Fehlen dieses Systems es für den Arbeitnehmer viel schwieriger, die Rechte, die ihm die Richtlinie 2003/88 gewähre, in einem Gerichtsverfahren zu wahren, da ihm dadurch eine erste wesentliche Nachweismöglichkeit genommen werde. Ohne ein solches System wäre es nämlich, wenn der Arbeitgeber Arbeitsleistungen unter Verstoß gegen die von dieser Richtlinie vorgesehenen Beschränkungen der Arbeitszeit vorschriebe, sehr schwierig, eine wirksame Abhilfe gegen diese rechtswidrigen Verhaltensweisen zu schaffen. Folglich werde durch dieses Fehlen die Wirksamkeit der Rechte, die die Richtlinie 2003/88 den Arbeitnehmern gewähre, erheblich geschwächt, die im Wesentlichen dem Ermessen des Arbeitgebers überlassen würden.

Quelle: Mitteilung vom 11.02.2019
Verband Kirchlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Rheinland-Westfalen-Lippe
Beratgerstraße 36
44149 Dortmund
Tel.: 0231/ 579743
Fax: 0231/ 579754
E-Mail: info@vkm-rwl.de
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