Rettungseinsätze der Berliner Feuerwehr: Probleme in Pflegeheimen nehmen überhand

Gesundheitswesen, Krankenhaus- und Heimwesen, Katastrophenschutz, Rettungsdienst, Arzneimittel- und Lebensmittelwesen, Infektionsschutzrecht, Sozialrecht (z.B. Krankenversicherung, Pflegeversicherung) einschl. Sozialhilfe und private Versorgung

Moderator: WernerSchell

Gesperrt
WernerSchell
Administrator
Beiträge: 25301
Registriert: 18.05.2003, 23:13

Rettungseinsätze der Berliner Feuerwehr: Probleme in Pflegeheimen nehmen überhand

Beitrag von WernerSchell » 25.02.2020, 07:25

Bild
DAS GESUNDHEITSPORTAL AUS DER HAUPTSTADT

RETTUNGSEINSÄTZE
Berliner Feuerwehr: Probleme in Pflegeheimen nehmen überhand


In Pflegeheimen wird öfter der Krankenwagen gerufen als nötig. Was kürzlich eine Studie der Uni Bremen herausfand, bestätigt nun die Berliner Feuerwehr. Die will die Missstände in Pflegeheimen nun nicht länger hinnehmen.

Bild
Berliner Pflegeheime alarmieren im Schnitt 43 Mal am Tag die Feuerwehr – oft wegen Personalmangels

Im Schnitt 43 Mal am Tag wird der Rettungsdienst der Berliner Feuerwehr in ein Pflegeheim gerufen. Macht in einem Jahr 15.675 Einsätze. Diese Daten hat die Feuerwehr erstmals überhaupt ausgewertet, weil das Problem überhand nimmt. Nun schlagen die Rettungskräfte selbst Alarm, da hinter vielen Notrufen der personelle Notstand in Pflegeheimen steckt.

Jeder fünfte dieser Einsätze sei nötig, weil ein Bewohner gestürzt sei - oft sei nur eine Pflegekraft im Dienst, die ihn alleine nicht wieder ins Bett heben kann, sagte der ärztliche Leiter der Berliner Feuerwehr, Stefan Poloczek, dem rbb. Doch Feuerwehrkräfte hätten auch schon mehrere Stunden lang Heimbewohner beaufsichtigt, weil in dem Heim Personalnot herrschte.


Jeder dritte Einsatz vermeidbar

Seiner Ansicht nach könnten etwa 20 bis 30 Prozent der Einsätze entfallen, wenn ausreichend geschultes Pflegepersonal in den Heimen arbeiten würde. „Der Mangel daran ist ein "schleichend zunehmendes Problem", sagte Poloczek.

Notfallsanitäter Eric Menzlow berichtete dem rbb aus seiner täglichen Praxis. Danach sind Pflegekräfte oft schlicht überfordert, weil sie einfach zu viele Bewohner haben, um die sie sich gleichzeitig kümmern müssten. „Dann kommen an einem Tag drei Neuzugänge, aber sie hat noch 20 andere zu betreuen. Da muss sie denjenigen, dem es am schlechtesten geht, über die Feuerwehr ins Krankenhaus abschieben“, erzählte Menzlow.

Die Feuerwehr hat nun eine Arbeitsgruppe gegründet, die Vorschläge erarbeiten will, wie sie Pflegeheime darin unterstützen kann, seltener den Notruf zu wählen. „Wir wollen die Heime unterstützen, aber werden im Extremfall auch die Heimaufsicht oder den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung über Missstände informieren“, kündigte Poloczek an.


Mangelhafte Kontrollen

Sowohl die Berliner Heimaufsicht als auch der MDK sind eigentlich für die Kontrollen in den Pflegeeinrichtungen zuständig. Nach rbb-Informationen hat die Berliner Heimaufsicht 2018 im Bereich Personal lediglich sieben Mal einen Mangel festgestellt. Dieser sei nach einer Mängelberatung beseitigt worden. So steht es laut rbb im Tätigkeitsbericht 2018 der Heimaufsicht des Landesamts für Gesundheit und Soziales. Der MDK kommt nur einmal im Jahr nach Vorankündigung. Dabei wird die Personalausstattung in den Pflegeheimen nicht kontrolliert.

Die Erfahrungen der Berliner Feuerwehr decken sich mit den Ergebnissen einer bundesweiten Studie der Uni Bremen, die im Herbst 2019 veröffentlicht wurde. Zentrale Aussage der Studie: Pflegeheimbewohner werden viel zu oft ins Krankenhaus eingeliefert, obwohl diese Besuche gar nicht nötig gewesen wären (die Pressemitteilung zur Bremer Studie ist unten angefügt!).

Quelle: Pressemitteilung vom 29.01.2020


+++
RBB24

Missstände in Pflegeheimen
Berliner Feuerwehr muss für fehlende Pflegekräfte einspringen

43 Mal am Tag fahren die Rettungskräfte der Berliner Feuerwehr in Pflegeheime zum Noteinsatz – und das häufig nur, weil eine Pflegekraft alleine überfordert ist. Jetzt schlägt die Feuerwehr Alarm.
Von Anja Herr und Vanessa Klüber (28.01.2020)
Zwei Mal pro Schicht fährt Eric Menzlow in ein stationäres Pflegeheim, schätzt der Notfallsanitäter. Insgesamt wurde die Berliner Feuerwehr nach eigenen Angaben 15.675 Mal zwischen September 2018 und August 2019 zu solchen Einsätzen gerufen. Das sind im Durchschnitt 43 Einsätze pro Tag im Pflegeheim. Diese Daten hat die Feuerwehrs erstmals überhaupt ausgewertet, weil das Problem überhand nimmt.
"Der Klassiker ist: Wir werden gerufen, weil der Patient aus dem Bett gefallen ist. Er hat keine Beschwerden, er schafft es nur aus eigener Kraft nicht wieder aufzustehen", weil nur eine Pflegekraft im Dienst sei, sagt Menzlow. "Die schafft es alleine nicht, einen älteren Menschen mit 100 Kilogramm zurück ins Bett zu heben." In ihrer Not rufen viele Pflegekräfte die 112, weil sie sich nicht mehr anders zu helfen wissen.
... (weiter lesen unter) ... > https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2 ... sonal.html


Ursachen für Einsätze der Feuerwehr im Pflegeheim
Daten wurden zwischen September 2018 und August 2019 erhoben

Sturz / Absturz > 20
Atembeschwerden > 15
Bewusstlosigkeit / Ohnmacht (Beinahe-) > 13
Kranke Person (Spezielle Krankheitsbilder) > 12
Schlaganfall / Transitorische Ischämische Attacke (TIA) > 8
Blutung / Wunden > 6
Brustschmerzen / Andere Beschwerden in der Brust > 5
Krampfanfall > 3
Psychiatrie / Abnormales Verhalten / Suizidversuch > 3
Herzbeschwerden / Implantierter Defibrillator > 3
Blutzuckerentgleisung > 3
Bauchschmerzen, -beschwerden > 2
Verletzungen > 2
Kreislauf-, Atemstillstand / Tote Person > 1
Einweisung durch medizinisches Fachpersonal > 1
Atemwegsverlegung > 1
Sonstige > 2
Quelle: Berliner Feuerwehr


+++
Bild
Anmerkung der Moderation:
Es zeigt sich anhand der Berliner Einsätze, welche Folgen der vielfach beschriebene Pflegenotstand nach sich zieht. Völlig inakzeptabel!

+++
Rettungsdienst.de

Ungewöhnlich viele Einsätze in Pflegeheimen

Bremen (idw) – Eine Studie der Universität Bremen unter Leitung der Universität Oldenburg liefert Hinweise darauf, dass Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen sehr häufig vom Rettungsdienst in eine Klinik gebracht werden – auch wenn diese Transporte gar nicht nötig sind. Die Zahlen seien deutlich höher als im internationalen Vergleich, heißt es in einer Mitteilung der Universität Bremen.

Zu häufig würden Pflegeheimbewohner in Notaufnahmen und Krankenhäusern behandelt, sagt Dr. Guido Schmiemann. Der Mediziner und Versorgungsforscher ist an der Studie HOMERN (Hospitalisierung und Notaufnahmebesuche von Pflegeheimbewohnern) beteiligt. Mit der Studie soll herausgefunden werden, wie häufig und warum die Betroffenen in Krankenhäuser eingeliefert werden. Außerdem sollen Versorgungsdefizite aufgedeckt und Verbesserungsmaßnahmen vorgeschlagen werden.

Um herauszufinden, wer wann welche Entscheidungen für eine Einweisung trifft und welcher Mechanismus dahintersteckt, wurden 14 Pflegeheime mit 802 Bewohnern im Raum Bremen einbezogen. Zwölf Monate lang haben sich die Forschungsteams aus Bremen und Oldenburg die Pflegeheime angeschaut und das Geschehen in Fragebögen erfasst: Warum ist der- oder diejenige ins Krankenhaus gebracht worden? Wie lautete die Diagnose? Wer stellte sie? Wer traf die Entscheidung zum Transport? Wie lange war die Verweildauer im Krankenhaus? Profitierte der Patient davon?

Rettungsdienst als sichere Lösung

Heraus kam, dass Männer sowie Bewohner mit einem höheren Pflegegrad ein größeres Risiko für ungeplante Krankenhaustransporte haben. Darüber hinaus beeinflussen offenbar Ängste vor rechtlichen Konsequenzen die Entscheidung, den Rettungsdienst zu alarmieren.

„Häufig haben Pflegekräfte ohne Einbeziehung von Ärzten die Entscheidung getroffen“, nennt der Wissenschaftler eine Ergebnis der Studie. Die häufigsten Gründe für den Anruf in der Rettungsleitstelle seien Stürze, Unfälle, Verschlechterungen des Allgemeinzustands und neurologische Auffälligkeiten gewesen.

„Wir haben da ein strukturelles Problem“, resümiert Guido Schmiemann. „Der Pflegedienst ruft die 112. Der Disponent, der den Anruf entgegennimmt, haftet persönlich für seine Entscheidung, also wird er im Zweifel eher einen Rettungswagen alarmieren. Der wird für Leerfahrten in den meisten Regionen nicht bezahlt, also nimmt er im Zweifel den oder die Bewohnerin des Pflegeheims mit. Das ist ein Automatismus. Wir müssen Wege finden, wie wir da herauskommen.“

Als zweites großes Problem wurden Mängel in der Kommunikation zwischen Heim und behandelndem Arzt erkannt. In der Hälfte der Fälle sei die Arztpraxis gar nicht informiert worden, wenn ein Patient Symptome aufwies.

Quelle: Pressemitteilung vom 14.10.2019 von Lars Schmitz-Eggen
>>> https://www.rettungsdienst.de/news/unge ... imen-61420
>>> https://www.kksb.uni-bremen.de/de/biome ... flegeheime
>>> https://www.zm-online.de/news/gesellsch ... taufnahme/


+++
Siehe auch:
Notaufnahmebesuche von Pflegeheimbewohnern
Die von der Fakultät für Medizin und Gesundheitswissenschaften
der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
zur Erlangung des Grades einer
Doktorin der Medizin (Dr.med.)
angenommene Dissertation von
Frau Kirsten Habbinga, geb. Lechner
geb. am 02.04.1969 in Illertissen
>>> http://oops.uni-oldenburg.de/4062/1/habnot19.pdf
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
Bild

Gesperrt