TK-Innovationsreport 2018 - Demenz-Patienten oft falsch behandelt

Gesundheitswesen, Krankenhaus- und Heimwesen, Katastrophenschutz, Rettungsdienst, Arzneimittel- und Lebensmittelwesen, Infektionsschutzrecht, Sozialrecht (z.B. Krankenversicherung, Pflegeversicherung) einschl. Sozialhilfe und private Versorgung

Moderator: WernerSchell

Gesperrt
WernerSchell
Administrator
Beiträge: 25301
Registriert: 18.05.2003, 23:13

TK-Innovationsreport 2018 - Demenz-Patienten oft falsch behandelt

Beitrag von WernerSchell » 04.11.2018, 06:55

Bild

Arzneimittelforschung auf dem Prüfstand - der TK-Innovationsreport 2018
Haben neue Medikamente einen Zusatznutzen für die Patienten? Welche Arzneimittel stellen eine Ergänzung des bisherigen Arzneimittelrepertoires dar? Und wie entwickeln sich die Kosten für neue Präparate? Auf diese Fragen gibt der Innovationsreport 2018, den die TK gemeinsam mit der Universität Bremen veröffentlicht, in gewohnt strukturierter Weise eine Antwort.
... (weiter lesen unter) >>> https://www.tk.de/tk/arzneimittelversor ... 018/989856

Bild
Quelle: TK

Bild
Infografiken, z.B.: >>> https://www.tk.de/tk/infografiken/arzne ... 018/909276

Bild
Bild
Bild

++++

Pressemitteilung der TK vom 24.10.2018:

TK-Innovationsreport 2018:
Hohe Preise und Forschung an der falschen Stelle


Der Innovationsreport 2018, den die Techniker Krankenkasse (TK) heute vorgestellt hat, zeigt,
dass 2015 seit langem wieder mehr Arzneimittel mit einem Zusatznutzen auf den Markt
gekommen sind, die Preise aber weiterhin zu hoch bleiben. Außerdem widmet sich der Report in
einem Sonderkapitel der Alzheimer-Demenz, die offensichtlich oft falsch oder gar nicht behandelt
wird. „In einigen Therapiegebieten sehen wir seit langem die ersten echten Fortschritte. Aber das
Beispiel Alzheimer-Demenz zeigt, dass die Forschung meist nicht dort stattfindet, wo sie am
dringendsten gefragt ist“, so Dr. Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der TK. „Ein neuer
Pharmadialog sollte darauf drängen, dass die Pharmaindustrie ihre Forschungen auf Gebieten
betreibt, wo sie benötigt werden - und nicht, wo die größten Profite winken.“

Der Report bewertet 32 Wirkstoffe, die im Jahr 2015 auf den Markt gekommen sind. Maßgeblich
waren die Fragen, ob eine bestehende Therapie verbessert wird, ob es einen Zusatznutzen für die
Patienten gibt und ob die Kosten dem Grad der Innovation angemessen sind. Anhand der
Verordnungsdaten lässt sich erkennen, welche Bedeutung die neuen Präparate im Markt haben.

Einige Präparate bringen wichtige Fortschritte
Zum ersten Mal konnten mit Hilfe des etablierten Bewertungsschemas in der Gesamtbewertung
sieben „grüne Ampeln“ vergeben werden. Die Wissenschaftler der Universität Bremen vergaben
zudem 15 Arzneimitteln eine gelbe und zehn eine rote Ampel.

„Fortschritte sehen wir im Bereich der Krebstherapie der akuten lymphatischen Leukämie und des
multiplen Myeloms. Auch bei der Behandlung der Mukoviszidose zeigt ein Medikament einen
deutlichen Zusatznutzen“, kommentiert Professor Dr. Gerd Glaeske von der Universität Bremen.
„Bedenklich finde ich jedoch, dass erneut einige negativ bewertete Präparate schon jetzt ihren
Weg in medizinische Leitlinien gefunden haben.“

Kosten nicht unter Kontrolle
Der geringste Teil der untersuchten Arzneimittel ist günstiger als die zweckmäßige
Vergleichstherapie. Nur zwei der neuen Arzneimittel erhielten eine grüne „Kostenampel“, während
sie bei 13 Wirkstoffen gelb und bei fünf Wirkstoffen rot zeigt.

„Besonders teuer sind, wie bereits seit einigen Jahren, die onkologischen Wirkstoffe“, so Professor
Dr. Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft. „Wir
wissen, dass diese hohen Preise weder die Kosten für Forschung und Entwicklung noch den
Zusatznutzen widerspiegeln, sondern die Bereitschaft des Marktes (in den Industrienationen)
derartig hohe Preise zu bezahlen. Besonders im Fokus der Pharmaindustrie stehen derzeit
Immuntherapeutika, die insbesondere bei Krebserkrankungen inzwischen auch in Kombinationen
eingesetzt werden und sehr hohe Kosten verursachen, ohne dass aussagekräftige
Langzeitergebnisse zu ihrer Wirksamkeit und Sicherheit vorliegen.“

Im Vergleich zum Vorjahresreport kosten die neuen Arzneimittel insgesamt etwas weniger, was
besonders auf ein Medikament zurückzuführen ist: Sovaldi, das zur Behandlung der
chronischen Hepatitis-C eingesetzt wird, und im Innovationsreport 2017 auf dem Prüfstand
stand. Bei Markteinführung kostete eine einzige Tablette 700 Euro. Baas: „An diesem Beispiel
sehen wir, wie ein einziges Medikament das System beeinflussen kann. Ein Effekt, den wir in
Zukunft wohl leider noch häufiger sehen werden." Auch wenn der Effekt dieses Jahr ausblieb
und der Umsatz der untersuchten neuen Präparate zurückgegangen ist, werden 2018 die
Gesamtausgaben für Arzneimittel dennoch erneut um fünf bis sechs Prozent steigen. Treiber
dieser weiteren Kostenexplosion sind insbesondere die extrem teuren Kombinationstherapien
gegen Krebs.

Pharmadialog: Lösungen für Preise und Forschungsanreize
In den vergangenen Jahren hat sich immer wieder gezeigt, dass sich das System, mit dem in
Deutschland die Preise für neue Arzneimittel verhandelt werden, in den Grundzügen bewährt hat.
Dennoch findet die Industrie Wege, um teilweise extrem hohe Preisforderungen zu realisieren.
„Hier muss die Politik für die Zukunft praktikable Lösungen finden. Wir brauchen eine Regelung,
um gute Preise für gute Medikamente zu bezahlen und nicht hohe Preise für schlechte
Medikamente“, so Baas.

Außerdem findet ein großer Teil der Anstrengungen bei Forschung und Entwicklung in der
Pharmaindustrie auf Anwendungsgebieten statt (z.B. Krebserkrankungen), auf denen es bereits
zahlreiche neue Wirkstoffe gibt. Ludwig: „Wir brauchen künftig vor allem unabhängige klinische
Forschung nach der Zulassung, da die für die Zulassung relevanten Studien meist nicht die
Erkenntnisse generieren, die für eine qualitativ hochwertige, aber auch wirtschaftliche Versorgung
unserer Patienten benötigt werden. Hierzu zählen bei Krebserkrankungen vor allem Fragen zur
geeigneten Dosierung, zum Einsatz als Erstlinientherapie bzw. erst später nach Rückfall der
Erkrankung oder als Mono- bzw. Kombinationstherapie.“

Alzheimer-Demenz - von der Industrie vergessen
Die Therapie der Alzheimer-Demenz ist nur ein Beispiel für eine Erkrankung, aus der sich die
Industrie fast vollständig zurückgezogen hat. Seit Jahren gibt es keine neuen Zulassungen auf
diesem Gebiet und die meisten Pharmaunternehmen haben ihre Forschung dazu vollständig
eingestellt. Dabei ist die Alzheimer-Demenz nicht nur eine Herausforderung für jeden Betroffenen
und seine Angehörigen, sondern auch für die gesamte Gesellschaft - gerade angesichts des
demografischen Wandels. Denn mit steigendem Alter steigt auch die Wahrscheinlichkeit, an
Demenz zu erkranken.

Die derzeit verfügbaren Medikamente gegen Alzheimer-Demenz verlangsamen nur das
Fortschreiten der Erkrankung, können sie also weder aufhalten noch heilen. Vor diesem
Hintergrund widmet sich das Sonderkapitel im Innovationsreport diesem Thema.

Viele demente Menschen werden nicht optimal behandelt
Eine Auswertung von Routinedaten der TK zeigt, dass die Menschen in Deutschland mit
Alzheimer-Demenz vorrangig mit Beruhigungsmitteln wie Neuroleptika und Benzodiazepinen
behandelt werden. Somit findet eine flächendeckende Fehlversorgung statt. Auch wenn die derzeit
verfügbaren Medikamente gegen Alzheimer-Demenz das Fortschreiten der Erkrankung nur
verlangsamen, sollten die Betroffenen damit versorgt werden.

Insgesamt erhalten nur 14 Prozent der an Alzheimer-Demenz erkrankten TK-Versicherten
ausschließlich ein Antidementivum. Neun Prozent werden mit einem Antidementivum und
zusätzlich mit einem Beruhigungsmittel behandelt. 26 Prozent der Patienten mit der Diagnose
Demenz erhalten ausschließlich ein Antipsychotikum. Dabei geht jedes siebte Beruhigungsmittel,
das zu Lasten der TK verschrieben wird, an einen Menschen mit Demenz.

„Diese gravierende Fehlversorgung mit Beruhigungsmitteln und die gleichzeitige Unterversorgung
mit Antidementiva lässt sich nicht mit den medizinischen Leitlinien erklären. Im Gegenteil: Hier
liegt der Verdacht nahe, dass demente Menschen einfach ruhiggestellt werden, statt sie richtig zu
behandeln“, so Glaeske. TK-Chef Baas ergänzt: „Die Zahlen zeigen, dass wir die Versorgung von
Menschen mit Demenz dringend verbessern müssen. Die Therapie sollte überwiegend
leitliniengerecht erfolgen und die Entwicklung neuer Wirkstoffe muss vorangebracht werden. Diese
Menschen sollten daher auch beim Pharmadialog nicht vergessen werden.“

Hinweis für die Redaktionen
Die digitale Pressemappe mit dem vollständigen Report, der Präsentation, den Statements und
Infografiken finden Sie unter www.presse.tk.de (Webcode 989856).
Im TK-Meinungspuls aus dem September 2018 wurden die Menschen in Deutschland
bevölkerungsrepräsentativ unter anderem zu dem Thema Pflege und Demenz befragt. Weitere
Informationen und Infografiken zum Meinungspuls sind unter www.presse.tk.de (Webcode
987704) verfügbar.

Quelle: https://www.tk.de/centaurus/servlet/con ... t-2018.pdf

+++

Bild

TK-Bericht
Demenz-Patienten oft falsch behandelt
Stand: 24.10.2018 12:55 Uhr
Viel zu oft werden Menschen mit Demenz gar nicht behandelt - oder mit Beruhigungsmitteln statt adäquaten Medikamenten, so eine Studie. Der Verdacht liege nahe, dass Patienten einfach ruhiggestellt würden.
Menschen mit Demenz werden einem Bericht der Techniker Krankenkasse (TK) zufolge oft falsch oder gar nicht behandelt. Die Kasse spricht von einer "flächendeckenden Fehlversorgung". Wie aus ihrem Innovationsreport hervorgeht, wird jeder vierte Patient mit einer Alzheimer-Demenz mit Beruhigungsmitteln statt mit Medikamenten gegen seine Demenz behandelt. Jeder zweite bleibe zudem unbehandelt.
Nur 14 Prozent der an Alzheimer erkrankten Patienten erhalten demnach einen Arzneistoff zur Behandlung ihrer Krankheit, ein sogenanntes Antidementivum. Neun Prozent werden mit einem Antidementivum und zusätzlich mit Beruhigungsmitteln behandelt, wie aus der Untersuchung von Experten der Universität Bremen hervorgeht.
….
Bild

Sauber, satt und ruhig - Behandlung von Demenzkranken oft falsch
Martin Mair, ARD Berlin

Quelle Download der Audiodatei: https://www.tagesschau.de/inland/demenz ... OmXVDls5f4

+++

TK-Studie
Demenz-Patienten oft falsch oder gar nicht behandelt

Bild
Bericht Deutschlandfunk - 24. Oktober 2018
Quelle: https://www.deutschlandfunk.de/tk-studi ... _id=938600

+++

Ärzte Zeitung online, 24.10.2018
TK-Innovationsreport
Herrscht in der Demenzforschung Stillstand?

Die Techniker Krankenkasse (TK) kritisiert, in der Demenzforschung herrsche Stillstand. Sie fordert verstärkte Anstrengungen – und Anreize für die Industrie.
Von Helmut Laschet
BERLIN. Resignation in der Forschung, Unter- und Fehlversorgung in der Therapie – so lautet das Fazit des diesjährigen Innovationsreports der Techniker Krankenkasse (TK). Der Report, der am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde, hat den Schwerpunkt Demenz.
Derzeit sind in Deutschland 1,2 Millionen Menschen von Alzheimer-Demenz betroffen, in den Industrienationen sind es 15 Millionen. Die Zahl der Erkrankten könnte sich bis 2030 auf 75 Millionen verfünffachen.
Kontrastierend zu diesem wachsenden Markt nehmen die Forschungsanstrengungen jedoch ab, beklagten der Studienautor Professor Gerd Glaeske von der Universität Bremen und der TK-Vorstandsvorsitzende Jens Baas bei der Präsentation des Reports.
…. (weiter lesen unter) … https://www.aerztezeitung.de/medizin/kr ... stand.html

Lesen Sie auch:
Innovationsreport: vfa-Chefin kritisiert TK-Studie > https://www.aerztezeitung.de/politik_ge ... tudie.html

+++

Studie: Demenzkranke werden oft nur ruhiggestellt
Demenzkranke werden hierzulande oft nur ruhiggestellt. Lediglich 14 Prozent erhalten Medikamente, die den Krankheitsverlauf abbremsen.
Quelle: Der Tagesspiegel >>> https://rdir.inxmail.com/vzbv/d/d.html? ... hyf7ryzlu6

+++ Dazu passend:
Obduktion von Pflegeheimbewohnern
Zu viele ungeeignete Medikamente

Alte Menschen in Pflegeeinrichtungen erhalten häufig für sie ungeeignete Arzneimittel oder Arzneimittel-Kombinationen. Das haben Rechtsmediziner herausgefunden, die verstorbene Bewohner dieser Einrichtungen für eine Studie obduziert haben.
... (weiter lesen unter) ... https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ ... dikamente/

+++
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk nimmt wie folgt Stellung:

Die mängelbehaftete Arzneimittelversorgung der älteren Menschen, v.a. der Menschen mit Demenz, wird seit Jahren mittels Studien, Reports, Listenempfehlungen, Buchveröffentlichungen, Medienberichte … beklagt. Ich habe daher u.a. am 27.04.2015 im Rahmen des Neusser Pflegetreffs in einem umfangreichen Statement Stellung genommen und Handlungsanforderungen vorgestellt (> http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwe ... tement.pdf ). Jens Spahn, BMG, wurde mit Schreiben vom 22.05.2018 auf das Thema aufmerksam gemacht. Im Rahmen der Verbändeanhörung zum PpSG am 06.07.2018 (>http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwe ... 072018.pdf ) wurde die unzureichende Arzneimittelversorgung erneut angesprochen. Es gab weder eine Antwort noch Folgerungen.

Nun wurde am 24.10.2018 der TK-Innovationsreport vorgelegt und u.a. erneut die falsche Behandlung von Demenzkranken herausgestellt. Dies gab mir Veranlassung, heute, 25.10.2018, nochmals Jens Spahn auf die Problematik aufmerksam zu machen und entsprechende Maßnahmen, auch in gesetzgeberischer Hinsicht, einzufordern.
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
Bild

Gesperrt