Kniegelenksersatz - steigende OP-Zahlen ...

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Kniegelenksersatz - steigende OP-Zahlen ...

Beitrag von Presse » 18.10.2013, 07:17

Kniegelenksersatz in wohlhabenden Landkreisen bis zu dreimal häufiger
Die Wahrscheinlichkeit, ein künstliches Kniegelenk zu erhalten, hängt sehr stark vom Wohnort ab:
In wohlhabenden Landkreisen erhalten bis zu dreimal mehr Patienten einen ... »
http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/5 ... -haeufiger

Steigende OP-Zahlen sind Ausdruck für leistungsfähiges Gesundheitssystem
http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/5 ... eitssystem
Krankenhaus-Fallzahlen – widersprechende Studien
http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/5 ... de-Studien
Operationshäufigkeit: Qualitätsdiskussion angemahnt
http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/5 ... -angemahnt

WernerSchell
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Künstliches Kniegelenk erhöht Gefahr für Herzinfarkt

Beitrag von WernerSchell » 17.09.2015, 06:34

Ärzte Zeitung vom 17.09.2015:
Studienergebnis überrascht: Künstliches Kniegelenk erhöht Gefahr für Herzinfarkt
Eigentlich haben US-Forscher in einer Studie bestätigen wollen, dass ein Hüft- oder Kniegelenkersatz bei Patienten das Risiko für einen Herzinfarkt senkt.
Doch es kam anders. mehr » http://www.aerztezeitung.de/nl/?sid=894 ... ose&n=4488
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Immer mehr unter 60-Jährige erhalten künstliche Kniegelenke

Beitrag von WernerSchell » 19.06.2018, 07:14

Immer mehr unter 60-Jährige erhalten künstliche Kniegelenke

Immer mehr Menschen wird bei Kniearthrose ein künstliches Kniegelenk eingesetzt. Zunehmend erhalten auch unter 60-Jährige Knieprothesen. Zwischen 2013 und 2016 sind die Operationszahlen in dieser Altersgruppe um 23 Prozent gestiegen. Das Problem: Je jünger die Patienten, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Prothese später ausgewechselt werden muss. Wird vorschnell operiert?

Gütersloh, 19. Juni 2018. Seit 2013 werden in Deutschland wieder mehr künstliche Kniegelenke eingesetzt. Zwischen 2013 und 2016 ist die Zahl der Eingriffe von 143.000 auf 169.000 gestiegen. Dieser Anstieg um 18 Prozent folgt auf Jahre stabiler und zuletzt rückläufiger Knieprothesen-Eingriffe. Erklärbar ist dieser Trend weder durch medizinische, noch durch demographische oder geografische Einflussfaktoren. Bei den unter 60-Jährigen stiegen die Operationszahlen von 27.000 auf 33.000 sogar um 23 Prozent. "Dass immer mehr jüngere Patienten Knieprothesen bekommen, lässt fragen, ob die Operationen wirklich medizinisch notwendig indiziert sind. Dies ist besorgniserregend", sagt Brigitte Mohn, Vorstand der Bertelsmann Stiftung.

Neuer Kooperationspartner mit wissenschaftsjournalistischer Expertise

Die steigenden Operationszahlen hat das Science Media Center (SMC) in Köln ermittelt. Zusammen mit dem neuen Kooperationspartner SMC setzt sich die Bertelsmann Stiftung auch nach dem Projektende des Faktencheck Gesundheit dafür ein, Zusammenhänge über medizinische Über- und Unterversorgung in Deutschland transparent zu machen. "Wir freuen uns, das Science Media Center als kompetenten Partner gefunden zu haben. Seine wissenschaftsjournalistische Arbeit macht es möglich, weiterhin auf über- und unterversorgte Regionen in Deutschland hinzuweisen", sagt Mohn.

Jüngere müssen häufiger erneut operiert werden

Die deutliche Zunahme von Knieprothesen-Operationen bei Jüngeren ist aufgrund des hohen Risikos einer Wechseloperation besonders problematisch. Studien zeigen: Je jünger die Patienten bei der Erst-Operation sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass ihre Prothesen im Laufe des Lebens ausgetauscht werden müssen. Bei Patienten, die bereits zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr eine Knieprothese erhalten, liegt das Risiko zwischen 15 und 35 Prozent. Bei den über 70-Jährigen liegt es lediglich zwischen vier und acht Prozent. Wechseloperationen sind nicht nur belastend für die Patienten, sondern führen auch häufiger zu Komplikationen und zu schlechteren Ergebnissen als die Erst-Operation.

Im Bundeslandvergleich: Bayern und Thüringen mit den höchsten OP-Zahlen

In der aktuellen Analyse zeigen sich gravierende regionale Unterschiede beim erstmaligen Einsatz eines künstlichen Kniegelenks. In Bayern (260 Eingriffe je 100.000 Einwohner) und Thüringen (243) wurde 2016 am meisten operiert. Deutlich weniger Patienten wurden in Berlin (153) und in Mecklenburg-Vorpommern (164) mit einem künstlichen Kniegelenk versorgt. Bei den unter 60-jährigen Patienten ergeben sich ähnliche regionale Muster.

Finanzielle Anreize beeinflussen die Entscheidung zur Knieoperation

Im Rahmen seiner Recherchen hat das Science Media Center neben den Datenanalysen zahlreiche Interviews mit Fachärzten für Orthopädie, Krankenkassen- und Klinikvertretern, Gesundheitsökonomen und Klinik-Controllern geführt. Dabei kristallisierten sich mehrere Erklärungsansätze für den Anstieg der Knieoperationen und die regionalen Unterschiede heraus: So spielen finanzielle Anreize eine große Rolle. Durch mehrfache Erhöhungen einer zentralen Fallpauschale ab 2013 sind Knieprothesen-Operationen für die Kliniken lukrativer geworden. Außerdem fragen offenbar mehr Patienten nach künstlichen Kniegelenken. Niedergelassenen Ärzten scheint darüber hinaus nicht genügend Budget für konservative Therapieansätze wie Physiotherapie zur Verfügung zu stehen.

Empfehlungen: bessere Diagnose und Aufklärung, höhere Mindestmengen

Knieprothesen können segensreich für viele Patienten sein, bereiten jedoch oft auch Probleme. Daher sollten Ärzte und Patienten Nutzen und Risiken eines künstlichen Kniegelenks gut abwägen. Wenn Patienten sorgfältig informiert werden, entscheiden sie sich seltener für eine Operation. Auch konservative Therapien können bei Kniearthrose die Beschwerden lindern. Ist eine Operation unumgänglich, sollten Patienten spezialisierte Kliniken mit hohen Fallzahlen auswählen.

Mit folgenden Maßnahmen könnten unnötige Operationen vermieden werden:

• Ärzte müssen verständlich über Nutzen und Risiken beim Einsatz von künstlichen Kniegelenken aufklären, insbesondere bei jüngeren Patienten
• Patienten sollten nach Behandlungsalternativen fragen und sie mit ihrem Arzt besprechen
• Niedergelassene Ärzte sollten für konservative Behandlungen wie beispielsweise Physio- und Ergotherapie ein höheres Budget erhalten
• Für Krankenhäuser sollten höhere Mindestmengen für Knieprothesen-Implantationen eingeführt werden, und die Einhaltung der Vorgaben sollte überprüft werden
• Krankenhäuser sollten sich auf bestimmte Fachgebiete spezialisieren


Zusatzinformationen
Der "Faktencheck Gesundheit", der seit 2011 über medizinische Unter- und Überversorgung informiert, wurde als Projekt der Bertelsmann Stiftung beendet. Um die wichtige Aufklärungsarbeit in diesem Feld dennoch weiter zu unterstützen, kooperiert die Bertelsmann Stiftung mit dem wissenschaftsjournalistischen Science Media Center (SMC) in Köln. Dieses nutzt für seine vertiefenden Analysen zur Versorgung in Deutschland den "Operation Explorer". Mit diesem webbasierten Recherche-Tool können Daten des Statistischen Bundesamtes altersstandardisiert ausgewertet werden. Die Daten des "Operation Explorer" beruhen auf dem Wohnort des Patienten – nicht auf dem Standort der Klinik, die den Eingriff durchgeführt hat. Das SMC unterstützt Regionaljournalisten bei der Nutzung des „Operation Explorer“ und bei Vor-Ort-Recherchen.

Unsere Experten:
Meike Hemschemeier, Telefon: 02 21 88 88 25 13
E-Mail: meike.hemschemeier@sciencemediacenter.de
Eckhard Volbracht, Telefon: 0 52 41 81 81 215
E-Mail: eckhard.volbracht@bertelsmann-stiftung.de

Weitere Informationen:
http://www.sciencemediacenter.de/alle-a ... -explorer/
http://Sie möchten wissen, wie viele künstliche Kniegelenke im Jahr 2016 bei der Bevölkerung Ihres Kreises eingesetzt wurden? Dann nutzen Sie unser interaktives Kartentool:
http://www.bertelsmann-stiftung.de/knieprothesen

Quelle: Pressemitteilung vom 19.06.2018
Kristine Erdmeier Pressestelle
Bertelsmann Stiftung
https://idw-online.de/de/news697766
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Kniegelenksersatz - steigende OP-Zahlen ...

Beitrag von WernerSchell » 19.06.2018, 16:43

DKG zur Studie der Bertelsmann Stiftung
Statistiken greifen zu kurz


Zu der heute veröffentlichten Studie der Bertelsmann Stiftung zu Knieprothesen erklärt der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Georg Baum:

"Es gibt kaum einen Bereich der operativen Leistungen, der so intensiv zwischen behandelnden Ärzten und Patienten geklärt wird, wie die Endoprothetik. Hier greift ein Mehraugenprinzip. Zudem besteht immer die Möglichkeit, Zweitmeinungen einzuholen. Patienten mit Knieproblemen haben in der Regel einen langen Leidensweg hinter sich, ehe operiert wird. Statistische Auswertungen greifen hier zu kurz. Entscheidend ist die individuelle Situation der Patienten. Denn der Wunsch nach Mobilität und Schmerzfreiheit nimmt in unserer Gesellschaft weiter zu. Anhand statistischer Werte wird mit dieser Studie aber auch versucht, den Anschein einer stationären Überversorgung zu erwecken. Die pauschale Verdächtigung, die Krankenhäuser würden aus nichtmedizinischen Gründen Patienten operieren, hat keine Grundlage. Analysen auf Makroebene helfen nicht weiter und verkennen die Realität. Frau Dr. Mohn hat Recht, statistisch ist das nicht zu erklären. Nur der Blick in die Krankenakte hilft weiter. Die Krankenhäuser helfen Patienten, die Statistik hilft nicht."

Dateien
• 2018-06-19_PM DKG zur Studie der Bertelsmann Stiftung. (docx, 60 KB) > https://www.dkgev.de/media/file/87821.2 ... ftung.docx
• 2018-06-19_PM DKG zur Studie der Bertelsmann Stiftung (pdf, 59 KB) > https://www.dkgev.de/media/file/87831.2 ... iftung.pdf

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) ist der Dachverband der Krankenhausträger in Deutschland. Sie vertritt die Interessen der 28 Mitglieder - 16 Landesverbände und 12 Spitzenverbände - in der Bundes- und EU-Politik und nimmt ihr gesetzlich übertragene Aufgaben wahr. Die 1.951 Krankenhäuser versorgen jährlich 19,5 Millionen stationäre Patienten und rund 20 Millionen ambulante Behandlungsfälle mit 1,2 Millionen Mitarbeitern. Bei 97 Milliarden Euro Jahresumsatz in deutschen Krankenhäusern handelt die DKG für einen maßgeblichen Wirtschaftsfaktor im Gesundheitswesen.

Kontakt:
Joachim Odenbach (Leitung)
Holger Mages
Dagmar Vohburger
Rike Stähler
Tel. (030) 3 98 01 - 1020 / - 1022 / - 1023 / - 1024

Sekretariat
Stephanie Gervers
Tel. (030) 3 98 01 -1021
Fax (030) 3 98 01 -3021
e-mail: pressestelle@dkgev.de
web: www.dkgev.de
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
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"Medizinisch nicht erklärbar" - Der Trend zur Knieprothese

Beitrag von WernerSchell » 19.06.2018, 16:47

Ärzte Zeitung vom 19.06.2018:
"Medizinisch nicht erklärbar"
Der Trend zur Knieprothese

Bundesweit werden immer mehr künstliche Kniegelenke eingesetzt - zunehmend auch bei Jüngeren. Medizinisch erklärbar sei der Trend nicht, so die Bertelsmann-Stiftung. Die Autoren vermuten finanzielle Gründe dahinter. mehr » https://www.aerztezeitung.de/nl/?sid=96 ... efpuryykqr
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Mengensteigerung bei Knie-OPs: „Weckruf“ für die Gesundheitspolitik

Beitrag von WernerSchell » 16.07.2018, 07:17

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Gemeinsame Pressemitteilung von DGOU, AE, DKG und BVOU vom 20.06.2018

Mengensteigerung bei Knie-OPs: „Weckruf“ für die Gesundheitspolitik

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© Peter Atkins / Fotolia

In der am 19. Juni 2018 von der Bertelsmann-Stiftung veröffentlichten Studie unter dem Titel „Knieprothesen – starker Anstieg und große regionale Unterscheide“ werfen die Autoren die Frage auf: „Wird vorschnell operiert?“ Dazu beziehen die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU), die Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik (AE), die Deutsche Kniegesellschaft (DKG) und der Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU) wie folgt Stellung: Der Anstieg für den Ersatz eines künstlichen Kniegelenkes seit 2009 liegt mit acht Prozent im internationalen Durchschnitt. Die Fachgesellschaften erwarten aufgrund des demografischen Wandels jedoch noch höhere Zahlen: Denn Deutschland befindet sich beim Altersdurchschnitt der Bevölkerung weltweit in einer Spitzengruppe. Daher verstärken die Fachgesellschaften DGOU, AE, DKG und BVOU seit Jahren ihre Maßnahmen im Bereich der Kniegelenkerkrankungen – sowohl für die qualitätsgesicherte chirurgische Versorgung durch die Initiative EndoCert® zur Zertifizierung von endoprothetischen Versorgungszentren als auch für gelenkerhaltende Behandlungsmaßnahmen. „Diese Strategie kann aber nur dann noch erfolgreicher sein, wenn die Qualität und konservative Behandlung zukünftig wieder besser vergütet werden“, sagt Prof. Dr. Carsten Perka, DGOU-Vizepräsident und AE-Präsidiumsmitglied.

Im Interview sprechen DGOU-Experte Prof. Dr. Klaus-Peter Günther und BVOU-Präsident Dr. Johannes Flechtenmacher über die Gründe der Mengensteigerung bei Knie-Operationen, regionale Unterschiede, Maßnahmen der Fachgesellschaften und des Berufsverbandes und die Studie, die sie auch als Weckruf an die Gesundheitspolitik verstehen.

Wie werten Sie die Studie der Bertelsmann-Stiftung?

Günther: Der erschienene Bertelsmann-Report zur Entwicklung der Knie-Endoprothetik in Deutschland wird in weiten Teilen von den Fachgesellschaften unterstützt. Leider weisen die Autoren nicht darauf hin, dass das Verfahren der regionalen Bestimmung von Operationsraten in der Endoprothetik bereits vor Jahren mit Unterstützung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC) und des AOK-Bundesverbands etabliert wurde. Damals schon wiesen diese Institutionen auf eine auffällige Ungleichverteilung von Operationsraten in den einzelnen Bundesländern hin. Vor allem die Fachgesellschaften haben seither eine Reihe von Maßnahmen entwickelt, die eine patientengerechte operative Versorgung unterstützen.

Welche Gründe gibt es für die Mengenentwicklung aus Sicht der Fachgesellschaften?

Günther: Betrachtet man den Anstieg der Endoprothesenzahlen nicht nur in den letzten drei Jahren, sondern – wie im Bericht der Bertelsmann-Stiftung eigentlich dargestellt – im Gesamtverlauf seit 2009, fällt die Steigerungsrate deutlich moderater aus und liegt mit etwa acht Prozent im internationalen Durchschnitt. Die wichtigste Ursache dafür ist der demografische Wandel. Hier würden eigentlich noch höhere Zahlen zu erwarten sein, denn Deutschland liegt im Altersdurchschnitt der Bevölkerung weltweit in einer Spitzengruppe. Vor allem aber sind die Ergebnisse in der Knie-Endoprothetik in den letzten Jahren nochmals deutlich verbessert worden, wovon nicht nur ältere, sondern auch jüngere Patienten mit hohem Leistungsanspruch profitieren. Die besseren Ergebnisse führen auch zu einer verstärkten Nachfrage nach dieser Versorgung auch in dieser Altersgruppe, verbunden mit dem Ziel, wieder voll funktionstüchtig zu werden. Konservative Maßnahmen wie Physiotherapie, medikamentöse Therapie und Injektionen können dies in dieser Altersgruppe meist nicht im gewünschten Umfang leisten.

Welche Gründe gibt es für die Mengensteigerung, die im Vergütungssystem begründet liegen?

Günther: Der Bericht weist zu Recht auf wichtige Faktoren hin, die in der Mengenentwicklung von künstlichen Kniegelenken eine zentrale Rolle spielen. Dazu gehört in erster Linie das im Gegensatz zu anderen Ländern exzessiv betriebene Refinanzierungssystem mit DRG-Fallpauschalen. Seit Jahren wird die alternative konservative Behandlung unzureichend vergütet. Wenn ärztliche Beratung und konservative Maßnahmen nicht angemessen honoriert werden, ist die frühere Entscheidung zum Kunstgelenkersatz keine Überraschung. Auch ist nach wie vor die Zahl der Einrichtungen, in denen der Kniegelenkersatz angeboten wird, zu groß.

Flechtenmacher: Eine konservative Behandlung zur Abwendung einer Operation braucht Zeit. Patienten mit Arthrose muss man intensiv beraten: Wie wichtig ist es abzunehmen? Welche Begleiterkrankungen sind zu beachten, bevor man Schmerzmittel empfiehlt? Warum ist Bewegung wichtig? Die Zeit dafür fehlt in den stark frequentierten Praxen, sie wird auch nicht vergütet. Und die Budgets erlauben es nicht, so engmaschig wie manchmal nötig Krankengymnastik zu verordnen.

Geht es auch anders, zum Beispiel mit einer intensivierten konservativen Therapie?

Flechtenmacher: Das funktioniert aktuell leider vor allem in Selektivverträgen. Darüber kann dann beispielsweise eine Option „Alternative konservative Behandlung bei drohenden Operationen“ angeboten und finanziert werden. Ein gutes Beispiel ist der gemeinsam von BVOU und der Deutschen Arzt AG verhandelte Selektivvertrag für Versicherte von DAK, Barmer und einigen Betriebskrankenkassen. Bei diesem Modell arbeiten Orthopäden und Physiotherapeuten eng mit dem Patienten zusammen, um unter anderem durch eine hohe Frequenz an Krankengymnastik und eventuell einem Gerätetraining eine Operation hinauszuzögern oder zu vermeiden. So schöpfen Patienten oft erst wieder Hoffnung, mit ihren Beschwerden und Schmerzen gut leben zu können – auch ohne eine Operation. Aber selbst die Patienten, bei denen eine Operation unumgänglich ist, profitieren von dem Angebot. Sie werden intensiv darauf vorbereitet und sind nach der OP rascher wieder mobil.
Auch der erfolgreiche Orthopädie-Facharztvertrag von AOK Baden-Württemberg, MEDI und dem BVOU ist ein gutes Bespiel für eine strukturierte und intensivierte ambulante Betreuung mit dem Fokus auf einer leitlinienorientierten konservativen Therapie bei Knie- und Hüftarthrosepatienten. Leider sind das bisher zu wenige regionale Leuchtturm-Ansätze. Die Schlussfolgerungen der Bertelsmann-Stiftung zeigen aber, wie notwendig die Implementierung und Finanzierung konservativer Therapiekonzepte ist. Das sollte als Appell an die Kostenträger verstanden werden.

Muss die Gesundheitspolitik an dieser Stelle wirksamer werden?

Flechtenmacher: Hochwertige Medizin ist sowohl in der konservativen Therapie als auch in der Endoprothetik nicht zum Billigtarif zu haben. Im Vergleich zu den von den Fachgesellschaften und vom Berufsverband bereits eingeleiteten Maßnahmen bleiben die Steuerungsmöglichkeiten der Gesundheitspolitik aktuell noch deutlich zurück – zum Beispiel hinsichtlich Qualitätsverträgen und Zentrumszuschlägen. Die umfassenden Möglichkeiten der ambulanten konservativen Therapie werden derzeit vom GKV-System nur über Selektivverträge vergütet und stehen damit weder flächendeckend noch für alle Versicherten gleichermaßen zur Verfügung.

Günther: Die jetzt beobachtete Mengensteigerung muss auch als starker Weckruf an die Gesundheitspolitik verstanden werden. Die Fachgesellschaften arbeiten seit Jahren an qualitätsfördernden Maßnahmen im Bereich der Endoprothetik. Dazu gehört in erster Linie die EndoCert-Initiative der DGOOC gemeinsam mit der AE und dem BVOU. Dort werden hohe Qualitätsstandards gefordert – insbesondere auch für die Indikationsstellung. Aktuell wird in allen EndoCert-Kliniken und darüber hinaus die ebenfalls mit Unterstützung von DGOOC und AE erstellte AWMF-Leitlinie für die Entscheidung zum Kunstgelenkersatz eingeführt. Diese Initiative soll sicherstellen, dass durch eine ausführliche ärztliche Beratung die Entscheidung zur Operation nicht zu früh getroffen wird und zuvor eine angemessene konservative Behandlung erfolgt ist.
Gleiches gilt für den Mehraufwand, den zertifizierte Kliniken in der Patientenfürsorge betreiben. Seit Jahren verstärken Fachgesellschaften wie die AE und die DKG gerade im Bereich der Kniegelenkerkrankungen die Schulung in gelenkerhaltenden Behandlungsmaßnahmen. Sollte nach allen ausgeschöpften gelenkerhaltenden Maßnahmen dann aber das Kunstgelenk notwendig werden, muss sichergestellt sein, dass die Behandlung in Einrichtungen mit ausreichend hohen Fallzahlen und geprüften Behandlungsstandards erfolgt. Beides sind entscheidende Voraussetzungen für den Behandlungserfolg, wie mittlerweile nicht nur international, sondern auch an deutschen Daten nachgewiesen werden konnte: im EndoCert-Verfahren wie auch dem von der DGOOC etablierten Deutschen Prothesenregister EPRD. Hier ist zu wünschen, dass einige der im Bertelsmann-Bericht gezogenen Schlussfolgerungen auch gehört werden.

Zu den Personen

Prof. Dr. Carsten Perka ist Ärztlicher Direktor des Centrums für Muskuloskeletale Chirurgie, Charité – Universitätsmedizin Berlin.
Prof. Dr. Klaus-Peter Günther ist Geschäftsführender Direktor des Universitätscentrums für Orthopädie & Unfallchirurgie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden. Er hat als Mitautor an der 2013 erschienenen Publikation „Knieoperationen – Regionale Unterschiede und ihre Einflussfaktoren“ aus der Reihe Faktencheck Gesundheit der Bertelsmann-Stiftung mitgearbeitet.
Dr. Johannes Flechtenmacher ist niedergelassener Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie am Ortho-Zentrum in Karlsruhe.

Weitere Infos
Links:
AE – Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik > https://dgou.de/gremien/sektionen/endoprothetik/
Deutsche Kniegesellschaft (DKG) > https://dgou.de/gremien/sektionen/kniegesellschaft/
Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU) > https://www.bvou.net/

Kontakt:
Susanne Herda und Swetlana Meier
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU)
Tel.: 030 – 340 603 -606 oder -616
>>> https://dgou.de/presse/pressemitteilung ... tspolitik/
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https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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