So gut sind Pflegeheime in Neuss

Gesundheitswesen, Krankenhaus- und Heimwesen, Katastrophenschutz, Rettungsdienst, Arzneimittel- und Lebensmittelwesen, Infektionsschutzrecht, Sozialrecht (z.B. Krankenversicherung, Pflegeversicherung) einschl. Sozialhilfe und private Versorgung

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So gut sind Pflegeheime in Neuss

Beitrag von Presse » 17.10.2011, 07:06

Neuss
So gut sind Pflegeheime in Neuss
VON KLAUS D. SCHUMILAS - zuletzt aktualisiert: 17.10.2011
Neuss (NGZ). Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) hat den Neusser Seniorenpflegeheimen durchweg erstklassige Noten gegeben. Doch was sagen die überhaupt aus? Es gibt viel Kritik an diesem Notensystem.
Schenkt man den reinen Schulnoten Glauben, dann ist es um die Seniorenpflegeheime in Neuss bestens bestellt.
.... Drastisch formuliert es Pflegeexperte Schell: "Eine schöne Speisekarte hebt ein Durchliegegeschwür am Ende in der Benotung auf." Er fordert ebenso wie Interessensverbände, die Gewichtung zu verändern: "Das Wohlergehen der Bewohner muss im Mittelpunkt der Prüfung und Benotung stehen, nicht die einwandfreie Dokumentation."
Wer ein gutes Pflegeheim sucht, dem rät Schell, weniger auf die MDK-Note zu achten, als vielmehr sich selbst einen Eindruck zu verschaffen: "Hingehen, sich umschauen, mit Pflegekräften und Bewohnern sprechen."
.... (vollständiger Bericht unter)
http://www.ngz-online.de/neuss/nachrich ... -1.2512546

Quelle: NGZ/jul

WernerSchell
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Beitrag von WernerSchell » 17.10.2011, 07:23

Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk wurde im Rahmen der Recherchen für den heutigen Bericht in der Neuss-Grevenbroicher Zeitung befragt. Es wurde daraufhin ausgeführt, dass der sog. Pflege-TÜV weiterhin mehr als kritisch beurteilt wird. Solange die formalen Anforderungen, Dokumentation etc., im Vordergrund des Prüfgeschehens stehen, sei von den Prüfungen durch den MDK eher nichts zu halten. Nach dem Wortlaut des SGB XI muss die Ergebnis- und Lebensqualität im Mittelpunkt der Beurteilung stehen - und dies ist zur Zeit auch nicht einmal annähernd gewährleistet.

Zahlreiche Beiträge informieren zum Thema:
viewtopic.php?t=15708&highlight=pflegenoten
viewtopic.php?t=13551&highlight=pflegenoten
viewtopic.php?t=14296&highlight=pflegenoten
viewtopic.php?t=13949&highlight=pflegenoten
viewtopic.php?t=14213&highlight=pflegenoten
viewtopic.php?t=13583&highlight=pflegenoten
viewtopic.php?t=9275&highlight=pflegenoten
viewtopic.php?t=6207&highlight=pflegenoten
viewtopic.php?t=15874&highlight=pflegenoten
viewtopic.php?t=16230&highlight=pflegenoten

...
Eine Pressemitteilung vom 06.09.2010, die auch heute noch Geltung hat:

»Schulnoten für Pflegeeinrichtungen«
Umsetzung der Transparenzvereinbarungen und Bewertungskriterien mangelhaft
!

Nach einer Mitteilung des Verbandes der Ersatzkrankenkassen (vdek) vom 02.09.2010 wurden bis zum 16.08.2010 die Noten von 8.500 Pflegeeinrichtungen veröffentlicht (vgl. www.pflegelotse.de). Geprüft wurden bisher:

4.810 ambulante Dienste mit der Durchschnittsnote 2,1 und
6.022 Heime mit der Durchschnittsnote 1,9.
Pflegequalitätssicherung und mehr Transparenz sind grundsätzlich richtig.

Daher sind regelmäßige unangemeldete Kontrollen durch die Heimaufsichten bzw. die medizinisch-pflegerischen Überprüfungen durch den MDK zu begrüßen. Veröffentlichte Prüfergebnisse in Verbindung mit Pflegenoten können bei der Heimauswahl hilfreich sein. Die praktizierte Umsetzung der geltenden Transparenzvereinbarungen und Bewertungskriterien ist aber nicht akzeptabel und mangelhaft!

Diese Vorschriften sind im Übrigen allein zwischen Vertretern von GKV-Spitzenverband Bund und den Verbänden der Betreiber von Pflegeeinrichtungen ausgekungelt worden. Die Betroffenenseite, die pflegebedürftige Menschen bzw. deren Angehörigen, sind bei der Erarbeitung der Bewertungskriterien nicht beteiligt worden.

Es gab und gibt Streit vor den Sozialgerichten.

Zuletzt erklärte das Sozialgericht Münster mit Urteil vom 20.08.2010 die Pflegenoten sogar für rechtswidrig und eine Irreführung der Verbraucher:

Die Beurteilungskriterien seien nicht geeignet, die von den Pflegeheimen erbrachten Leistungen und deren Qualität sachgerecht zu beurteilen. Eine wissenschaftliche Studie vom Juli 2010 habe ergeben, dass nur zwei der 64 Einzelnoten den vom Gesetzgeber geforderten Maßstab der Ergebnisqualität beträfen. Ganz überwiegend werde – so das Gericht – nur die Qualität der Dokumentation geprüft.

Der Streit ist damit nicht beendet. Da Sprungrevision zugelassen wurde, wird sich alsbald das Bundessozialgericht mit der Angelegenheit befassen (müssen).

Nach Mitteilung des vdek vom 02.09.2010 wurden bislang 240 Klagen vor den Sozialgerichten erhoben (davon lediglich 9 vor den Landessozialgerichten entschieden - Stand: 16.08.2010). 2% der Einrichtungen versuchten, die Veröffentlichung der Pflegenoten zu verhindern. In etwa 50% der Fälle waren die Klagen nicht erfolgreich (vor den Landessozialgerichten 7 von 9).

Unabhängig von den gerichtlichen Auseinandersetzungen gab es auch von anderen Seiten lebhafte Kritik, so auch von Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk.

Insgesamt 82 Bewertungskriterien sind bei der Pflege-Schulnotenfindung bedeutsam:

Vorrangig entscheidend sind folgende vier Bereiche (64 Kriterien):

Pflege und medizinische Versorgung … 35 Kriterien
Umgang mit demenzkranken Bewohnern … 10 Kriterien
Soziale Betreuung und Alltagsgestaltung … 10 Kriterien
Wohnen, Verpflegung, Hauswirtschaft und Hygiene … 9 Kriterien
Dazu kommt eine gesonderte Befragung der Heimbewohner mit 18 Kriterien.

Die Einzelbewertungen bei den jeweiligen Bereichen führen zu einer Durchschnitts-Gesamtnote. Dabei können Kriterien, die im Wesentlichen auf die Struktur- und Prozessqualität abstellen, andere Kriterien der Lebens- und Ergebnisqualität ausgleichen.

Beispiel:
Ordentliche Dokumentationsarbeiten werden den Feststellungen zum Ernährungszustand und der Wundversorgung gegenübergestellt. Wenn die Dokumentation stimmt, können damit tatsächliche Versorgungsmängel verdeckt werden mit der Folge, dass noch eine erträgliche Note herauskommt.

So war es möglich, dass das Caritas-Pflegeheim in Mönchengladbach-Giesenkirchen am 04.06.2010 vom MDK geprüft wurde und die Gesamtnote 1,4 erhielt. Die Angehörigennote lautete sogar 1,1. Dies, obwohl es seit Monaten zahlreiche Beschwerden über vielfältige Pflegemängel und dann sogar Ermittlungen von Polizei und Staatsanwalt gab. Mittlerweile wurden zwei Führungskräfte des Caritasverbandes entlassen und die Geschäftsführung des Heimes zur Sanierung einer Fremdfirma übertragen.

Es wäre geboten gewesen, dass Schulnotensystem und seine Umsetzung von Anfang an entscheidend auf die Lebens- und Ergebnisqualität abzustellen. Damit wäre allein das maßgeblich geworden, was an Pflege beim Bewohner ankommt und nicht das, was auf dem „Papier“ steht. Das hätte auch den gesetzlichen Vorgaben in § 112 ff. SGB XI entsprochen!

Mittlerweile haben auch die Krankenkassen anerkannt, dass die Notenvergabe schnellstmöglich geändert werden muss.

Nach Mitteilung des vdek vom 02.09.2010 müssen bei der Pflegenotenvergabe die Risikokriterien deutlicher berücksichtigt werden. So z.B. die Wundversorgung, Hilfe bei Essen und Trinken, Hilfen bei Inkontinenz und Schmerzbekämpfung. Nicht pflegeintensive Kriterien, wie Güte der Dokumentation, darf nur eine geringe Bedeutung im Zusammenhang mit der Gesamtnote zukommen.

Im Übrigen wird jedwede Notenvergabe immer problematisch sein.

Denn in einem Gutachten der Fachhochschule Münster vom 21.04.2010 heißt es u.a.:
„Es gibt keine pflegewissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse über valide Indikatoren der Ergebnis- und Lebensqualität der pflegerischen Versorgung in Deutschland“.

Bedauerlich ist aber auch, dass bei der Pflegenotenermittlung nicht einmal die „Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen“ Berücksichtigung findet.

Auch das Funktionieren des Beschwerdemanagements wird nicht wirklich durchleuchtet! Denn Pflegekräfte und Angehörige müssen bei Benennung von Mängeln usw. mit Nachteilen und Repressalien rechnen.

Selbst wenn die Schulnotenbewertung rechtens und nachvollziehbar wäre:

Bessere Pflege-Rahmenbedingungen kann man nicht mit Noten und vermehrtes Prüfen erzwingen.

Der Druck auf das Personal wird nur verstärkt, ohne dass damit wirkliche Verbesserungsmöglichkeiten gegeben sind. Der Frust des Personals wird wahrscheinlich noch größer!

Wichtiger als Schulnoten wäre daher eine wirkliche Reform der Pflegesysteme an „Haupt und Gliedern“.

Ein erweiterter Pflegebedürftigkeitsbegriff und deutliche Leistungsausweitungen, die eine zuwendungsorientierte Pflege ermöglichen, sind dringend erforderlich. Zu einer Reform gehört zwingend, dass erheblich mehr Pflegefachpersonal in den Pflegeeinrichtungen zum Einsatz kommt. Menschen werden nur durch Menschen gepflegt und Abschied von der sog. Minutenpflege geht nur über Personalverstärkungen. Für die bundesweit einheitliche Personalberechnung in den Pflegeeinrichtungen, aber auch in den Krankenhäusern, bedarf es der Schaffung von Personalbemessungssystemen. Zur Zeit erfolgt der Pflege-Personaleinsatz mehr oder weniger nach Kassenlage. – Ein untragbarer Zustand!

Dringend geboten ist auch die Stärkung der Rechte von pflegenden Angehörigen. Nur so kann man dem Prinzip „ambulant vor stationär“ gerecht werden.

Es erscheint auch erforderlich, die Rechtszersplitterung im Pflege- und Heimrecht rückgängig zu machen. Demnächst haben wir 16 unterschiedliche Heimgesetze mit entsprechenden Ausführungsführungsvorschriften. Andererseits ist der Bund zuständig für das Pflegeversicherungs- und Vertragsrecht.

Manfred Borutta, Pflegewissenschaftler, Amt für Altenarbeit im Kreis Aachen, schrieb in der Zeitschrift „Dr.med.Mabuse“, Juli/August 2009 u.a.:

Man bleibt orientierungslos, wenn man sich anhand von Noten ein Bild von der Qualität der Pflegeleistungen machen will. Pflege ist so nicht messbar.

Wir müssen in dieser Gesellschaft endlich diskutieren, was uns Pflege bedeutet.

Werner Schell
Dozent für Pflegerecht, Vorstand von Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk
______________________________________________________

Quelle:
http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwe ... tungen.php
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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Nursing-Neuss
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Pflegenoten - NGZ informiert auch über Kritik

Beitrag von Nursing-Neuss » 17.10.2011, 09:08

WernerSchell hat geschrieben: Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk wurde im Rahmen der Recherchen für den heutigen Bericht in der Neuss-Grevenbroicher Zeitung befragt. Es wurde daraufhin ausgeführt, dass der sog. Pflege-TÜV weiterhin mehr als kritisch beurteilt wird. Solange die formalen Anforderungen, Dokumentation etc., im Vordergrund des Prüfgeschehens stehen, sei von den Prüfungen durch den MDK eher nichts zu halten. Nach dem Wortlaut des SGB XI muss die Ergebnis- und Lebensqualität im Mittelpunkt der Beurteilung stehen - und dies ist zur Zeit auch nicht einmal annähernd gewährleistet. ....
Hallo Herr Schell,
Ihre Einschätzung trifft haar genau. Sie haben auch recht, dass sich im Pflegesystem ohne mehr Personal nichts ändert. Vermehrter Druck durch Prüfungen und Schulnoten können ja ernstlich keine bessere Pflege, mehr Zuwendung, gewährleisten.
Danke für Ihren unermündlichen Einsatz Pro Pflege ....
Gut, dass die NGZ auch die kritischen Stimmen berücksichtigt hat!
Es grüßt herzlich Nursing Neuss
Das Pflegesystem muss grundlegend reformiert werden. U.a. ist deutlich mehr Pflegepersonal erforderlich!

KPHNeuss
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Allein mehr Personal kann bessere Pflege währleisten

Beitrag von KPHNeuss » 17.10.2011, 09:15

WernerSchell hat geschrieben: ..... Wichtiger als Schulnoten wäre daher eine wirkliche Reform der Pflegesysteme an „Haupt und Gliedern“. .....
Zu einer Reform gehört zwingend, dass erheblich mehr Pflegefachpersonal in den Pflegeeinrichtungen zum Einsatz kommt. Menschen werden nur durch Menschen gepflegt und Abschied von der sog. Minutenpflege geht nur über Personalverstärkungen. Für die bundesweit einheitliche Personalberechnung in den Pflegeeinrichtungen, aber auch in den Krankenhäusern, bedarf es der Schaffung von Personalbemessungssystemen. Zur Zeit erfolgt der Pflege-Personaleinsatz mehr oder weniger nach Kassenlage. – Ein untragbarer Zustand! ....
Die o.a. Pressemitteilung (Auszug) bringt es auf den Punkt. Die Stellenschlüssel in den Heimen sind völlig unzureichend, so dass eine Pflegereform in erster Linie mehr Personal auf den Weg bringen muss. Nur vermehrter Personaleinsatz wird die vielfach geforderte bessere Pflege, Abkehr von der Minutenpflege, ermöglichen. Hoffentlich greifen die Politiker diese Vorschläge auf.
MfG KPH Neuss
Für eine uneingeschränkt gute Pflege müssen wir alle eintreten - die Verfassung enthält die entscheidenden Wertegrundsätze: Die Menschenwürde ist unantastbar!

WernerSchell
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Mehr Personal durch bessere Stellenschlüssel

Beitrag von WernerSchell » 17.10.2011, 09:24

Der heutige Bericht in der Neuss-Grevenbroicher Zeitung (siehe oben) hat hier bereits zu einigen Telefonanrufen geführt. Offensichtlich sind die Pflegenoten bei Kennern der Szene ein großes Ärgernis. Folgerichtig gab es ja auch die o.a. Texteinstellungen. - Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk nimmt daher Gelegenheit, nochmals zu erklären, dass wir keine Verbesserungen in der Pflege durch die gegebenen Prüfsysteme bewerkstelligen können. Nur eine deutliche Verbesserung der Stellenschlüssel, also mehr Personal, erscheint als die einzig vernünftige Lösung, den Pflegenotstand zu beheben. Auf die angefügte Pressemitteilung vom 03.08.2011 wird nochmals aufmerksam gemacht:

»Pflegeheime – Wir brauchen nicht mehr Prüfungen, sondern mehr Pflegepersonal!«

Die in Düsseldorf erscheinende Rheinische Post berichtete am 23.07.2010 umfassend über die Pflegemängel in einer Caritas-Pflegeeinrichtung in Mönchengladbach. In die Erörterungen um diese Mängel war auch Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk umfänglich eingebunden. Werner Schell, Vorstand von Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk, hat wiederholt Statements gegenüber dem WDR-Fernsehen (Lokalzeit Düsseldorf), WDR 5 (Radio) und verschiedenen Zeitungsredaktionen abgegeben. So konnte mit Einfluss genommen werden, einige Führungskräfte des Caritasverbandes von ihren Aufgaben zu entbinden.

Der pflegepolitische Sprecher der Union im Deutschen Bundestag wurde in dem Bericht der Rheinischen Post vom 23.07.2010 wie folgt zitiert:

»Jedes Heim muss fünfmal im Jahr unangemeldet überprüft werden ...
Das ist das schärfste Schwert, das wir haben. Gute Heime können nichts dagegen haben«

Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk teilt die Forderungen des pflegepolitischen Sprechers der Union im Deutschen Bundestag, deutlich mehr Prüfungen durchzuführen, ausdrücklich nicht und hält allein den Ruf nach einer intensiveren Prüftätigkeit für kontraproduktiv. Die wirklichen Bedürfnisse werden durch einen derartigen Prüfungsaktionismus nahezu ausgeblendet.

Wir brauchen, wie schon öfter gesagt wurde, eine grundlegende Pflegereform an »Haupt und Gliedern« und werden es nicht schaffen, mit noch mehr Prüfungen und Druckerhöhung auf das Personal bessere Pflegevoraussetzungen zu schaffen. Schlechte Pflege-Rahmenbedingungen kann man nicht durch ein aufgeblähtes Prüfungssystem verbessern!

Es erscheint sinnvoll, die verschiedenen Prüfungsinstanzen, Heimaufsicht, Medizinischer Dienst (MDK), Brandaufsicht, Staatliches Amt für Arbeitsschutz … (usw.) bei einer einzigen fachkundigen Institution zu konzentrieren. Damit würde das Prüfungsgeschehen effektiver und auch kostengünstiger. Dabei erscheint es sinnvoll, die Prüfungen in die Zuständigkeit einer staatlichen Behörde (z.B. Bezirksregierung) zu verlagern. Damit wären auch die kommunalpolitischen Verquickungen im Zusammenhang mit den örtlichen Pflegeeinrichtungen, zum Teil sogar in der Trägerschaft der Prüfinstanz, beseitigt. Heime werden auch als Wirtschaftsunternehmen gesehen, so dass aus Marketinggründen gewisse Rücksichtnahmen nicht auszuschließen sind.

Es erscheint ratsam, die Mitwirkungsmöglichkeiten der Angehörigen der pflegebedürftigen Menschen – auch in der Heimversorgung - deutlich zu stärken. Denn bekanntlich können sich gerade die Angehörigen engagiert zum Wohl ihrer pflegebedürftigen Familienmitglieder einbringen und so eine gewichtige Hilfe und Unterstützung sein. Angehörige können so als eine Art ergänzende Heimaufsicht angesehen werden.

Im Zusammenhang mit den beschriebenen Caritas-Pflegemängeln kam es zu mehrfachen Überprüfungen in der Einrichtung. Anfang Juni 2010 wurden der Einrichtung sogar Schulnoten zugeteilt, wobei die sagenhaft gute Gesamtnote „1,4“ vergeben wurde. Zur gleichen Zeit aber berichteten die Medien bereits über erhebliche Mängel, es gab dann auch polizeiliche und staatsanwaltliche Ermittlungen. Demzufolge hätte die Einrichtung eher die Note „5“ verdient gehabt. Allein dieses aktuelle Beispiel zeigt deutlich auf, wie sinnlos Prüfungen sein können, wenn die Pflege-Rahmenbedingungen nicht stimmen bzw. Führungskräfte versagen. Dass die augenblicklich angewandten Transparenzvereinbarungen und Bewertungskriterien für das Pflegenotensystem („Pflege-TÜV“) dringend überarbeitungsbedürftig sind und den Schwerpunkt in der Herausstellung der Ergebnisqualität haben müssen, wird durch die beschriebene unzutreffende Benotung klar bestätigt.

Für die Pflegekräfte fordern wir zu Recht mehr Wertschätzung und Anerkennung. Mehr Überprüfungen, mit denen vor allem die Pflegekräfte weiter unter Druck gesetzt würden, sind aber genau das Gegenteil von Wertschätzung und Anerkennung. Das ist nicht nur pures Misstrauen, sondern ganz klar ein Affront gegen diejenigen Personen, die sich jeden Tag aufs Neue unter miserablen Rahmenbedingungen mühen, ihr pflegerisch Bestes zu geben.

Eine Ausweitung der Kontrollen im Pflegebereich wäre eine einzige Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die vorhandenen Prüfinstitutionen. Diese würden erneut eine große Zahl Personal aufsaugen, das besser an anderer Stelle tätig werden sollte, z.B. bei der Versorgung und Pflege der HeimbewohnerInnen.

Stecken wir doch das Geld, das wir durch zu viele Prüfungen bei den Heimaufsichten und dem MDK verplempern bzw. zukünftig verplempern wollen, in mehr Personal. Dann kommt auch mehr Zuwendung für die BewohnerInnen zustande - und die Zufriedenheit bzw. die Ergebnisqualität steigt.

Vermeiden wir auch unnütze Projekte und wissenschaftliche Fachtagungen mit großem Finanzaufwand. Wir wissen doch eigentlich ganz genau, wie angemessene bzw. gute Pflege zu gestalten ist. Dies müssen wir nur in einer Pflegereform, die diesen Namen verdient, umsetzen. Vor allem brauchen wir mehr Pflegepersonal. Denn nur dies gewährleistet mehr Zuwendung für pflegebedürftige Menschen. Und dies wollen wir doch! Damit alles erklärbar dargestellt werden kann, wäre ein bundesweit geltendes Personalberechnungssystem zur Grundlage zu erheben.

Wenn mehr Prüfungen im Heimbereich politisch gewünscht werden sollten, dann würde es allein Sinn machen, die Heimträgerverantwortlichen, also die Führungsverantwortlichen, öfter mal auf Eignung und Befähigung zu kontrollieren und sie engmaschig bezüglich ihrer Fort- und Weiterbildung im Auge zu behalten und nicht ständig auf das ohnehin gebeutelte Pflegepersonal herumzutrampeln.

Pflegemängel treten fast ausnahmslos dort auf, wo es Defizite in der Führung gibt. »Der Fisch stinkt vom Kopf her«. Dieser Spruch, vielfach benutzt, bringt hier die Probleme auf den Punkt. Ziehen wir daraus einfach die richtigen Folgerungen!

Dabei sollte auch gewährleistet werden, dass Beschwerdemanagement in den Pflegeeinrichtungen gestärkt wird. Dazu sollte eine neuer § 612a BGB ergänzend Wirkung entfallen. Es muss nämlich gewährleistet werden, dass MitarbeiterInnen nachteilsfrei ihre Vorschläge und Beschwerde bei den richtigen Stellen vortragen können. Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk hat diesbezüglich bereits konkrete Vorschläge unterbreitet.

Die »Charta der Rechte hilfe – und pflegebedürftiger Menschen« darf nicht nur als Empfehlung angesehen werden. Die darin beschriebenen Handlungsgebote müssen als subjektiv-öffentliche Rechte mit konkretem Anspruchscharakter ausgestaltet werden. Auch insoweit hat Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk seit Jahren geeignete Hinweise gegeben.

Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk hat im Übrigen zur unabhängigen und unbürokratischen Aufdeckung und Verfolgung von Pflegemängeln (zunächst für das Land Nordrhein-Westfalen) die Einrichtung einer Stelle eines (ehrenamtlichen) »Beauftragten für die Belange der pflegebedürftigen Menschen« (Ombudsmann /-frau) vorgeschlagen.

Werner Schell
Dozent für Pflegerecht, Vorstand von Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk

Quelle: http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwe ... heimen.php
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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Gaby Modig
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Personalnot beheben - gute Noten helfen allein nicht

Beitrag von Gaby Modig » 17.10.2011, 12:41

Ich habe mit großem Interesse den heutigen Bericht in der NGZ gelesen und finde es gut, dass die Zeitung nicht eine heile Pflegewelt beschrieben, sondern auch die überfällige Kritik am Pflege-TÜV herausgestellt hat. Jetzt kann jeder sehen, dass die Pflegenote vielleicht ein erster Anhalt bei der Heimplatzsuche ist, aber keineswegs ein entscheidendes Merkmal sein kann. Für jeden, der sich schon mal mit Pflegeproblemen herumschlagen musste, ist klar, dass die Unzulänglichkeiten in der personellen Besetzung der Heime behoben werden müssen. Die Rahmenbedingungen geben die Mangelsituation vor. Daher muss eine vernünftige Pflegereform her!

G.M.
Pflegesystem verbessern - weg von der Minutenpflege. Mehr Pflegepersonal ist vonnöten!

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Pflegeheime wirklich gut ?

Beitrag von Anja Jansen » 18.10.2011, 14:34

Presse hat geschrieben:Neuss
So gut sind Pflegeheime in Neuss ....
Habe die Informationen mit Interesse gelesen. Es handelt sich um die übliche Situation - in der gesamten Repulbik. Die Noten sind fast alle gut und die Pflegekräfte rackern sich ab und können doch nicht das abliefern, was sie gelernt haben.

Anja Jansen
Es ist mehr Aufmerksamkeit für dementiell erkrankte Menschen nötig. Unser Pflegesystem braucht deshalb eine grundlegende Reform!

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Pflegenoten unbrauchbar

Beitrag von Rita Reinartz » 19.10.2011, 07:47

Pflegenoten, die auf der Grundlage der jetzigen Vorschriften ermittelt werden, taugen nichts.
Sie sind eine Vortäuschung falscher Tatsachen.
SG Münster sagte dazu: Rechtswidrig und Verbrauchertäuschung.
Ohne grundlegende Veränderungen der maßgeblichen
Beurteilungsvorschriften kann man die Pflegenoten vergessen.

R.R.
Menschenwürdegarantie bedarf bei der Umsetzung entsprechender Rahmenbedingungen. Insoweit gibt es aber Optimierungsbedarf!

Herbert Kunst
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Pflegenoten unbrauchbar

Beitrag von Herbert Kunst » 21.10.2011, 16:56

Hallo,
dass die bundesdeutschen Heime nahezu alle gute bis sehr gute Pflegenoten erhalten, hat sich mittlerweile herumgesprochen.
Für die Experten auf diesem Gebiet sind das falsche Einschätzungen, für Pädagogen, die ja auch tagtäglich mit der Notenvergabe zu tun haben, ist der Pflege-TÜV mit seinen vorwiegend auf die Dokumentationen abzielende Benotungen unglaublich - irreführend.
Wann greifen die verantwortlichen Politiker einmal wirklich in dieses "Räderwerk von aberwitzigen Beurteilungen" ein? Durch die Notenvergabe im Heimwesen wird keineswegs das erreicht, was der Gesetzgeber gewollt hat, nämlich eine Einschätzung der Lebens- und Ergebnisqualität. Diejenigen Menschen, die ein Heim suchen, können mit den Noten des MDK kaum etwas anfangen. Das sagen auch, natürlich nicht offiziell, die meisten Leitungskräfte der Pflegeeinrichtungen. Die müssen es ja schließlich wissen.
Gruß
Herbert Kunst
Für menschenwürdige Pflege sind wir alle verantwortlich! - Dazu finde ich immer wieder gute Informationen unter http://www.wernerschell.de

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Pflege-Tüv überzeugt noch nicht

Beitrag von Presse » 03.11.2011, 16:34

Pflege-Tüv überzeugt noch nicht

Von Manuela Kantert

Die Heime und Pflegedienste im Kreis wurden getestet und bewertet. Jetzt starten die nächsten Prüfungen.

Rhein-Kreis Neuss. Eltern, Partner oder Verwandte in ein Altenheim zu geben, ist oft ein schwieriger Prozess für alle Beteiligten. Die Wahl der Einrichtung spielt dabei eine wichtige Rolle.

Hilfe versprechen die vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) ermittelten Pflege-Noten, die über das Internet einsehbar sind. Mittlerweile wurden auch im Rhein-Kreis Neuss alle Einrichtungen getestet und bewertet, teilweise starten gerade die zweiten Besuche des MDK. Doch die Noten sind umstritten. Die WZ hat mit Experten und Betroffenen gesprochen.

.... (weiter lesen)
http://www.wz-newsline.de/lokales/rhein ... t-1.808538

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Pflege-TÜV wenig hilfreich - nur teuer

Beitrag von WernerSchell » 03.11.2011, 17:04

E-Mail-Zuschrift vom 03.11.2011 an die Neusser Redaktion der Westdeutschen Zeitung:

Sehr geehrte Frau Kantert,

es freut mich, dass Sie über den Pflege-TÜV kritisch berichtet haben. Dazu hat Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk vielfältige Äußerungen abgeliefert und auch Vorschläge unterbreitet. Ich selbst war dieserhalb beim Deutschlandfunk und hatte auch Gelegenheit zur Darstellung der Problematik beim WDR, u.a. Lokalzeit Düsseldorf. Angefügt ein Text (aus 2010, weiter aktuell) von hier. Das Thema wird auch in meiner Buchveröffentlichung "100 Fragen zum Umgang mit Mängeln in Pflegeeinrichtungen" problematisiert. - Der Pflege-TÜV wird sicherlich auch beim Pflegetreff am 10.11.2011 (erneut) anzusprechen sein. Er ist in der jetzigen Form völlig entbehrlich. Er kostet jährlich 100 Millionen! Wieviel zusätzliches Personal könnte man dafür einstellen?

Mit freundlichen Grüßen
Werner Schell - Dozent für Pflegerecht
http://www.wernerschell.de - Pflegerecht und Gesundheitswesen -
http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de - Menschenwürdige Pflege - jetzt und überall -
Infos auch bei http://www.facebook.com/

Pflegetreff am 10.11.2011 - Pflegequalität sichern .... - Die NRW-Gesundheits- und Pflegeministerin kommt
viewtopic.php?t=15693

Pflegetreff am 15.05.2012 - Pflegereform und Entbürokratisierung in der Pflege ... (weitere Infos folgen)
viewtopic.php?t=16058

Buchtipp!
Schell, Werner: "100 Fragen zum Umgang mit Mängeln in Pflegeeinrichtungen"
viewtopic.php?t=15822
Pflegemängel – schnelle Hilfe für den Notfall
viewtopic.php?t=15828
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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Statt Pflege-TÜV mehr Pflegepersonal

Beitrag von WernerSchell » 25.01.2012, 07:56

Die Schulnoten für Pflegeheime werden weiterhin mehr als kritisch gesehen. Würde der Pflege-TÜV eine Note bekommen, wäre es sicherlich allenfalls eine "5" (= mangelhaft). Diese kritische Sicht vermittelt áuch ein Bericht der Neuss-Grevenbroicher Zeitung, Lokalredaktion Dormagen, verfasst von Redaktionsleiter Schumilas, vorgestellt am 25.01.2012:

Dormagen
Gute Noten für Pflegeheime

VON KLAUS D. SCHUMILAS - zuletzt aktualisiert: 25.01.2012 Dormagen (NGZ). Der Medizinische Dienst der Krankenversicherungen (MDK) hat den Seniorenpflegeheimen durchweg sehr gute Noten gegeben. Die Heime sehen die Benotung kritisch und raten Interessenten, sich selbst ein Bild zu verschaffen.
.... Weiterer Text nachlesbar unter folgender Adresse
http://www.ngz-online.de/dormagen/nachr ... -1.2684885

Diesseits wurde bereits im vergangenen Jahr verdeutlicht, dass der Pflege-TÜV in seiner jetzigen Ausprägung rd. 100 Millionen Euro / Jahr Aufwand erfordert.
Wievel dringend benötigte Pflegekräfte könnten allein für diese Summe eingestellt werden?

Werner Schell
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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