Wechsel der Trachealkanüle bei Heimbewohnerin

Pflegespezifische Themen; z.B. Delegation, Pflegedokumentation, Pflegefehler und Haftung, Berufsrecht der Pflegeberufe

Moderator: WernerSchell

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Cindy Hollmann
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Wechsel der Trachealkanüle bei Heimbewohnerin

Beitrag von Cindy Hollmann » 11.03.2008, 10:24

Wechsel der Trachealkanüle bei Heimbewohnerin

Hallo,
die Mutter meines Freundes ist seit einem Jahr in einem Pflegeheim. Sie hat eine Trachealkanüle und wird beatmet. Die Heimleitung wusste dies von Anfang an, also auch bei der Aufnahme. Das Heim wirbt damit, beatmete Patienten aufzunehmen. Bisher hat der Hausarzt einmal im Monat die Kanüle ausgewechselt. Bei dem letzten Krankenhausaufenthalt wurde vom behandelndem Arzt angeordnet die Kanüle alle 1 - 2 Tage zu wechseln, der Arzt hat zudem schriftlich bestätigt, dass der Wechsel bei ihr unproblematisch ist. Der Hausarzt kommt nicht jeden zweiten Tag vorbei, und hat diese Tätigkeit an das Pflegepersonal delegiert.
Die Heimleitung weigert sich das Wechseln der Trachealkanüle durch ihr Pflegepersonal durchzuführen, obwohl sie uns am Anfang gesagt hatte, dass in Ihrer Einrichtung eine Intensivkrankenschwester arbeite. Die Heimleitung hat sogar den Pflegern untersagt mir beim Wechsel der Kanüle Hilfestellung zu geben. Als Gründe für die Weigerung hat sie rechtl Gründe (hat sie nicht weiter ausgeführt) und die möglichen Komplikationen angegeben.
Die Firma, die die Trachealkanüle betreut würde jederzeit eine Fachschwester zur Schulung des Personals schicken.
1. Welche rechtl. Gründe für das Verweigern hat sie?
2. Gibt es rechtl. Grundlagen dafür, dass sie sich als Heimleitung nicht weigern darf, den Wechsel anzuordnen?
3. Wohin können wir uns wenden um Rat oder Hilfestellung zu bekommen?

Herbert Kunst
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Behandlungspflege - ggf. Fortbildung anbieten

Beitrag von Herbert Kunst » 11.03.2008, 10:35

Hallo Cindy,

unter den gegebenen Umständen sehe ich das Heim in der Pflicht, die beschriebenen Wechsel durchführen zu lassen. Wenn keine geeingete Kraft verfügbar ist, muss wohl eine ergänzende Qualifizierung erfolgen (wurde ja auch angeboten). Sollten die Leitungskräfte nicht entsprechend verfahren wollen, würde ich die Pflegekasse informieren. Ein Heimträger, der eine gebote behandlungspflegerische Maßnahme nicht gewährleistet, stellt eigentlich seine Zulassung infrage.
Zum Thema gibt es auch Text in diesem Forum (bezogen auf die Häusliche Pflege):
viewtopic.php?t=5029&highlight=trachealkan%FCle

Gruß
Herbert Kunst
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Cindy Hollmann
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Wechsel von Tarachealkanüle bei Heimbewohnerin

Beitrag von Cindy Hollmann » 11.03.2008, 12:41

Hallo,
danke für die schnelle Antwort.
Wir waren schon bei der Pflegekasse, der zuständige Pflegeberater gab uns zur Antwort, dass das Wechseln der Trachealkanüle eine ärtzliche Tätigkeit, die maximal an Krankenschwestern delegiert werden dürfe. Wir sollen meine "Schwiegermutter" doch jedesmal zum Wechseln ins Krankenhaus bringen lassen per Krankentransport, da sie ja Pflegestufe 3 ist spielen die Kosten keine Rolle.
Ich bin selbst Altenpflegerin und weiss, dass diese Antwort Quatsch ist.

Herbert Kunst
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Heim kommt Pflichten nicht nach - und die Pflegekasse??

Beitrag von Herbert Kunst » 11.03.2008, 12:53

Hallo Cindy,

nachdem der Heimträger offensichtlich seinen Aufgaben aus dem geschlossenen Heimvertrag nicht nachkommen will, tritt jetzt auch die Pflegekasse mit einer fragwürdigen Argumentation in Erscheinung. Offensichtlich hat die angesprochene Pflegekassenmitarbeiterin keine Ahnung. Man müsste sich wohl an die Geschäftsleitung wenden.

Es bestreitet niemand, dass die hier in Rede stehende Verrichtung dem Grunde nach eine ärztliche Tätigkeit ist. Diese kann aber delegiert werden. Das ist üblich und geschieht im Allgemeinen völlig unproblematisch. Die PDL eines Heimes nimmt die ärztliche Verordnung entgegen und lässt sie durch geeignetes Personal ausführen. Das ist juristisch gesehen kein Problem. Wenn es tatsächlich niemanden geben sollte, der die fragliche Tätigkeit beherrscht, muss m.E. schnellstens nachgebessert werden. Möglicherweise muss die PDL die Aufgabe vorübergehend selbst wahrnehmen. Oder hat diese auch keine Ahnung?
Dass nun die Bewohnerin regelmäßig in ein Krankenhaus gekarrt werden soll, mit Unannehmlichkeiten und hohen Kosten, ist auf keinem Fall zu akzeptieren. Das kommt schon einem Skandal nahe. Vielleicht sollte der Pflege-Selbsthilfeverband e.V. informiert werden.

Gruß
Herbert Kunst
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Herbert Kunst
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Wechseln und Pflegen einer Trachealkanüle

Beitrag von Herbert Kunst » 11.03.2008, 13:23

Nachbemerkungen - vielleicht ganz hilfreich:

Ich fand im Netz folgenden Text:

Wechseln und Pflegen einer Trachealkanüle
Pflegevertrag Ziff. II

Leitsätze:
1. Bei der Pflege und dem Wechsel der Trachealkanüle handelt es sich um pflegerische Leistungen, die keiner ständigen ärztlichen Anleitung bedürfen.
2. Lediglich in der Frühphase der betreffenden Krankheit (Tracheostomas) ist die Versorgung speziell unterwiesenen Pflegekräften unter Aufsicht und Anleitung eines Arztes vorbehalten.
AG Kassel, Urt. V. 10.05.1996 - 433 C 3845/95

Vorbemerkung:
Die Frage, welche Tätigkeiten pflegerische und welche ärztliche Tätigkeiten sind und welche der ärztlichen Tätigkeiten auf das Pflegepersonal delegierbar sind, gehört derzeit zu den umstrittensten Fragen im arzt- und pflegerechtlichen Schrifttum.
Im vorliegenden Fall streiten die Parteien darüber, ob das Wechseln der Trachealkanüle zu den vertraglich vereinbarten pflegerischen Leistungen gehört. Das Amtsgericht kommt zu dem Ergebnis, daß sich der Heimträger zu dieser Leistung vertraglich verpflichtet und diese somit zu erbringen hat.
... (weiter lesen unter)
http://www.gwgnetz.de/a/gesetze/urteile/urteil04.txt

Siehe auch zum Thema:
Die Reinigung und der Wechsel von Trachealkanülen zählen zu jenen Tätigkeiten, bei denen sich ärztliche und pflegerische Kompetenzen überschneiden - rechtliche Grauzonen inklusive. Daher ist es ratsam, rechtzeitig etwaige Fehlerquellen zu beseitigen ....
http://www.pqsg.de/seiten/openpqsg/hint ... ostoma.htm
Kanülenreinigung
http://www.kehlkopfoperiert-bv.de/00000 ... 45012.html
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Cindy Hollmann
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Wechsel von Tarachealkanüle bei Heimbewohnerin

Beitrag von Cindy Hollmann » 11.03.2008, 16:51

Hallo,
Das mit der PDL ist das nächste Problem - zur Zeit gibt es in diesem Heim keine, und die Heimleitung hat sich im Moment krank gemeldet.

Gruss
Cindy Hollmann

Herbert Kunst
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Verantwortliche Pflegekraft zwingend

Beitrag von Herbert Kunst » 11.03.2008, 17:57

Hallo Cindy,

das Heim muss eine verantwortliche Pflegekraft haben, sonst ist der ordnungsgemäße Betrieb des Hauses nicht gewährleistet. Grund mehr, die Pflegekasse auf die Zustände anzusprechen. Aber alles mit Vorsicht, damit daraus keine arbeitsrechtlichen Nachteile entstehen können.
Ggf. Pflege-SHV informieren, schon gesagt!

Gruß
Herbert Kunst
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thorstein
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Beitrag von thorstein » 11.03.2008, 23:18

Hallo Cindy,

wir betreuen auch Bew. mit Trachealkanüle. Gewechselt wird aber nur von der HNO-Ärztin. Allerdings sind alle Mitarbeiter geschult, im Notfall einen Wechsel vorzunehmen, was auch schon notwendig war.
Es ist doch ein Unterschied, ob ein Heim einerseits die sichere Versorgung bzw. Überwachung übernehmen kann oder die Behandlungspflege für den Arzt übernimmt. Das gleiche Problem stellt sich auch beim DK-Wechsel. In der Regel macht dies der Arzt, in Ausnahmefällen auch schon mal die Fachkräfte.
Das der Arzt ohne Zustimmung der Heim-bzw- Pflegedienstleitung ärztliche Leistungen delegieren kann, wäre mir auch neu. Wie hat er denn die fachliche Eignung des Personals überprüft?
Das wir uns hier in einem Graubereich bewegen, hat ja Herbert Kunst schon ausführlich dargelegt.
Grüße

Herbert Kunst
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Delegationsprobleme im Interesse der Bewohner lösen

Beitrag von Herbert Kunst » 12.03.2008, 10:01

Hallo zusammen,

die Wahrnehmung ärztlicher Aufgaben in stationären Pflegeeinrichtungen kann kompliziert sein. Dazu noch einmal einige Hinweise:

Die Aufgaben sollen zunächst einmal von den Ärzten selbst wahrgenommen werden. Tatsache ist aber, dass die ärztliche Versorgung in den Heimen nicht immer gut ist; pauschaliert gesagt: sie ist mangelhaft. Dazu gibt es eine entsprechende Studie, die auch hier im Forum vorgestellt und diskutiert wurde.

Einzelne ärztliche Verrichtungen müssen nicht von den Ärzten selbst ausgeführt werden. Sie können sie auf nichtärztliches Personal delegieren. Im Krankenhaus ist das relativ einfach. Dort ist der Arzt Fachvorgesetzter und kann Weisungen erteilen.

In ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen ist der Arzt aber nicht Vorgesetzter und kann nur verordnen. Es muss dann von den verantwortlichen Pflegekräften geklärt werden, ob und wer qualifiziert genug ist, diese Aufgaben zu übernehmen. Dazu bedarf es sinnvollerweise einer Kooperationsvereinbarung.

Dass stationäre Pflegeeinrichtungen in der Lage sein sollten, die gängigen behandlungspflegerischen Maßnahmen, von Ärzten verordnet, ldurch Pflegekräfte ausführen zu lassen, ist m.E. geboten. Auf jeden Fall müssen sie das sicherstellen, was vertraglich vereinbart / zugesagt wurde. Denn immerhin sind die Heime aufgrund des Heimgesetzes für die medizinische Betreuung mitverantwortlich. Sie können sich nicht einfach wegdrücken.

Anhand der hier diskutierten Verrichtung und der konkreten Umstände bleibe ich bei meiner Einschätzung und sehe das Heim in der Pflicht zum Handeln, Ausführen, zumindest aber Fortbilden! Das ständige Transportieren von Bewohnern in Arztpraxen und Krankenhäusern ist teuer und letztlich auch sehr belastend, man könnte auch fast sagen: nicht den Wünschen der Menschen entsprechend, menschenunwürdig.

Eine völlig andere Frage ist immer, ob eine Pflegekraft konkret eine bestimmte Verrichtung ausführen kann. Sie soll / muss sich letztlich solange verweigern, wie sie nicht ausreichend qualifiziert ist.

Siehe auch unter
http://www.wernerschell.de/Rechtsalmana ... erapie.htm
http://www.wernerschell.de/html/page11.htm
http://www.pflegerechtportal.de

Gruß
Herber Kunst
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Cindy Hollmann
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Beitrag von Cindy Hollmann » 12.03.2008, 10:30

Hallo Thorstein,
An meiner Arbeitsstelle hatten wir auch schon Bewohner mit Trachealkanüle zu betreuen, bei uns hat sich nie die Frage gestellt, ob wir als Altenpfleger den Wechsel machen dürfen. Wir wurden geschult von einer Fachfirma und dann durften wir´s durchführen. Sicherlich gibt es ein paar Kollegen, die sich das nicht zutrauen. Ich habe gelesen, dass Altenpfleger sich durchaus weigern dürfen, wenn sie sich nicht für qualifiziert halten, aber erst nachdem sie an einer Schulung teilgenommen haben. Ferner habe ich gelesen, dass Krankenschwestern/pfleger sich nicht so einfach weigern dürfen eine Trachealkanüle zu wechseln, da es bei ihnen Ausbildungsinhalt ist.

Ich finde es nur in diesem Fall seltsam, dass das Heim damit wirbt beatmete Patienten aufzunehmen und dann die Versorgung nicht übernehmen möchte. Die Heimleitung macht noch nicht mal den Versuch das Personal zu schulen. Im Notfall können die Pflegefachkräfte die Kanüle nicht auswechseln und müssen jedesmal den Notarzt holen, oder sie ins Krankenhaus bringen - für eine Tätigkeit die eigentlich eine Fachkraft übernehmen könnte, wenn sie geschult wäre.

thorstein
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Beitrag von thorstein » 12.03.2008, 14:14

Hallo Cindy,

ich übertreibe mein Argument mal ein bißchen:
Wir versorgen und pflegen bei uns Bewohner mit PEG-Sonden, aber wir legen sie nicht selbst. Deine Argumentation ist aus deiner persönlichen Situation nachvollziehbar, macht mir aber Bauchschmerzen.
Das Heim weigert sich übrigens nicht, die Versorgung zu übernehmen, denn wenn der Arzt die Trachealkanüle wechseln würde wäre die Bewohnerin doch versorgt. Ich nehme an, die Pflege der Kanüle wird vom Personal übernommen.
Das das Personal im Notfall die Kanüle nicht wechseln kann, halte ich allerdings für grob fahrlässig.
Ein mehr politisches Statement hat johannes heute zum gleichen Thema abgegeben:
viewtopic.php?t=6446
Grüße

Herbert Kunst
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BewohnerInnen - Interesse im Vordergrund!

Beitrag von Herbert Kunst » 12.03.2008, 14:44

Hallo,

ich schrieb bereits, dass Pflegekräfte - Krankenschwester oder Altenpflegerinnen - sich immer verweigern können / müssen, wenn sie für eine Aufgabe nicht ausreichend qualifiziert sind. Das gilt auch bei Verrichtungen, die eigentlich zum typischen Berufsbild gehören.
Eine Verweigerung aus sog. berufspolitischen Gründen ist nicht zulässig.

Wenn Pflegekräfte für regelhaft anfallende Aufgaben und für solche Verrichtungen, die der Heimträger ausdrücklich zugesagt hat, nicht qualifiziert sind, muss "nachgebessert" werden. Dies ist ja auch das Anliegen von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen.

Es müssen im Einzelfall vernünftige Lösungen gefunden werden. Die Interessenlage der BewohnerInnen hat dabei im Vordergrund zu stehen.

Wenn ein Heimträger nicht über ausreichend qualifiziertes Personal für delegierbare Aufgaben verfügt, muss er mit den jeweiligen Ärzten zu vernünftigen Vereinbarungen kommen. Die Vertragspartner können jedenfalls auf ihre Ansprüche geltend machen!

Gruß
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Beitrag von coolens » 13.03.2008, 22:08

Hallo,
ich bin Krankenpfleger und arbeite auf einer kardiologischen Intensivstation.
Meines Wissens sollte nur der erste Kanülenwechsel durch einen Mediziner erfolgen, weitere Wechsel durch Pflegekräfte.
Das Personal sollte aber über ausreichende Fachkompetenz verfügen!
(aus R. Larsen, Anästhesie und Intensivmedizin, 6. Auflage, S. 1003 Springer Verlag)

Gruß

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