Delegationsproblematik ist rechtlich nicht geklärt!

Pflegespezifische Themen; z.B. Delegation, Pflegedokumentation, Pflegefehler und Haftung, Berufsrecht der Pflegeberufe

Moderator: WernerSchell

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Lutz Barth
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Delegationsproblematik ist rechtlich nicht geklärt!

Beitrag von Lutz Barth » 24.01.2008, 06:59

„Die Delegierung dieser Aufgaben ist rechtlich geklärt und heute eine Frage der Organisation und des Managements von Einrichtungen,“ sagte Präsidentin Marie-Luise Müller. Es gebe aber eine Reihe von Versorgungsfragen, wo das Prinzip der Delegation eine effektive und effiziente Pflege erschwert, so Müller weiter. Hier solle mit den geplanten Modellen geklärt werden, ob und wie durch eine Erweiterung der Aufgaben der Pflegenden die Versorgung verbessert werden könne.“

Quelle: DPR (23.01.08) >>> zur Mitteilung >>> http://www.deutscher-pflegerat.de/dpr.n ... D900575D86

Kurze Anmerkung (L. Barth):

Entgegen der Auffassung der Präsidentin ist die Delegierung „dieser Aufgaben“ nicht geklärt. Hier ist der Wunsch der Vater des Gedankens, eine nachhaltige Diskussion nicht führen zu wollen. Die Präsidentin des DPR verabsäumt es in aller Regel nicht, darauf hinzuweisen, dass das aktuelle Gutachten des Sachverständigenrats (Stichwort Neuordnung der Aufgaben der Gesundheitsberufe) ein „Meilenstein“ auf dem Weg der weiteren Professionalisierung der Pflegeberufe sei. Auch wenn diesseits die Auffassung der Präsidentin nicht geteilt wird, ist darauf hinweisen, dass der Sachverständigenrat ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass die Einführung von Vorbehaltsaufgaben für einzelne nicht-ärztliche Heilberufe kein (!) geeignetes Mittel zur Neuverteilung der Aufgaben bildet, da sie neuerlich unflexible Strukturen schaffen würde (SVR, Langfassung des GA 2007, S. 181).

Dass die Präsidentin des DPR einem beachtlichem Irrtum bei der Frage, ob die Delegation rechtlich geklärt sei, unterlegen ist, dokumentiert das folgende Zitat aus dem Gutachten:

„Nach eingehender Prüfung und Einholung mehrerer rechtlicher Stellungnahmen weist der Rat darauf hin, dass jede Veränderung der Kooperation und der Aufgabenteilung zwischen den heute bestehenden Gesundheitsberufen der Überprüfung und gegebenenfalls der Änderung der rechtlichen Voraussetzungen bedarf. Darüber hinaus setzen die Übernahme neuer Aufgabenfelder oder eine geänderte Verantwortung (Haftung) Anpassungen im Bereich der jeweiligen Primärqualifikationen der einzelnen Berufe oder entsprechende Weiterbildungen voraus“ (SVR, GA 2007, S. 173).

Die berufspolitischen Vorstellungen des Verbanden spiegeln sich derzeit jedenfalls nicht in einer hinreichend geklärten Rechtslage wider und dies sollte auch betont werden, geben wir doch im Zweifel den Pflegenden mehr Stein statt Brot!
In der Diskussion wird beharrlich nicht - jedenfalls nicht ausreichend - zur Kenntnis genommen, dass eine Neuordnung der Aufgaben im Gesundheitswesen einen erheblichen Änderungsbedarf in den rechtlichen Vorgaben voraussetzt setzt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen qua vorgesehener Modellklauseln eine Neuordnung erfolgen soll.

Lutz Barth

Rauel Kombüchen
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Delegation von ärztlichen Verrichtungen ...

Beitrag von Rauel Kombüchen » 04.02.2008, 09:23

Die Delegation von ärztlichen Verrichtungen auf das nichtärztliche Personal (Pflegepersonal) ist nicht gesetzlich geregelt, so dass gewisse Verunsicherungen nicht auszuschließen sind. Allerdings hat sich vor allem durch eine Vielzahl haftungsrechtlicher Streitfälle sog. Richterricht herausgebildet, das umfängliche Delegationen zulässt. Damit haben die Gerichte einer jahrzehntelangen Praxis Rechnung getragen. Diese Praxis hat eigentlich keinerlei Probleme produziert; eher umgekehrt. - Diese rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten sind unter den meisten Rechtsexperten nicht umstritten.
Ich würde es allerdings begrüßen, wenn sich der Gesetzgeber zu einer klaren Regelung entschließen könnte. Angesichts der in Gang gekommenen berufspolitischen Diskussionen erscheint mir das auch notwendig.

Rauel

Lutz Barth
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Mehr Dogmatik ist gefordert!

Beitrag von Lutz Barth » 04.02.2008, 10:03

Dem kann und muss insoweit widersprochen werden, als dass nach wie vor erhebliche Rechtsunsicherheiten gerade bei der Delegation von Aufgaben an das Pflegepersonal zu beklagen sind. Dies gilt insbesondere in Kenntnis dessen, dass die sog. herrschende Meinung unter den Pflegerechtlern insbesondere dem Umstand geschuldet ist, dass diese eher unkritisch mit den rechtsdogmatischen Grundlagen umzugehen scheinen. Nicht selten werden die Rechtsprobleme verkürzt dargestellt und es hat sich in Teilen eine „Ideen-Plagiatkultur“ eingestellt, wo letztlich nur zitiert und weniger gedacht wird. Dies lässt sich insbesondere zum Recht der Pflege alter Menschen ablesen, wo im direkten Vergleich etwa zur Krankenpflege die hier geltenden „Delegationsregeln“ im Verhältnis 1:1 auf die Altenpflege übertragen werden und dadurch erhebliche Rechtsunsicherheiten produziert werden, die allemal der Diskussion zugänglich sind. So wenig wie es im Krankenhaus oder in der klassischen Arztpraxis einen „arztfreien Bereich“ gibt, trifft dies freilich auch auf die stationären Alteneinrichtungen zu und von daher stellt sich die Frage, wer das Pflegepersonal zu instruieren und in der Folge zu überwachen hat. Geht es dem Vernehmen mancher Pflegerechtler nach um die Übertragung einzelner Tätigkeiten im Rahmen der Anordnungsbefugnis, so kommt gleichwohl in der Folge dem Arzt kein Weisungsrecht zu. Wer also überwacht das Pflegepersonal? Hier wird die Praxis darauf verwiesen, dass diese Pflicht dem Träger zukomme. Ein folgenschwerer Irrtum, denn die Delegation ist nur ausnahmsweise dann zulässig, wenn der Arzt auch seinen (!) Instruktions- und Überwachungspflichten nachkommen kann, mal ganz abgesehen davon, dass die (fremden) Mitarbeiter in den stationären Einrichtungen durchaus in die Erfüllungsgehilfeneigenschaft (des anweisenden, freiberuflich tätigen Arztes) hineinwachsen können.

Es reicht also nicht zu, ganz „allgemein“ die Delegation von Aufgaben für zulässig zu erachten, wenn die Probleme eher im Detail stecken. Hier ist den Pflegerechtlern, aber auch den rechtskundigen Pflegedirektoren ein wenig mehr an Dogmatik zuzumuten.

Mit freundlichen Grüßen.
Lutz Barth

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Delegation von ärztlichen Leistungen

Beitrag von Presse » 20.03.2008, 07:39

Delegation von ärztlichen Leistungen
Müller: Förderung der medizinischen Fachangestellten entlastet den Arzt und nutzt dem Patienten

"Delegation ja, Substitution nein." Mit dieser Kursbestimmung hat sich heute Dr. Carl-Heinz Müller, Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), zum Thema "Entlastung des Hausarztes" positioniert. Im Rahmen des Workshops "Arztentlastende Strukturen in der hausärztlichen Versorgung", den die Arbeitsgemeinschaft der Kassenärztlichen Vereinigungen der neuen Bundesländer, die KBV und der Verband der medizinischen Fachberufe gemeinsam durchführten, erklärte Müller weiter: "Wenn Ärzte ihren hoch qualifizierten Praxismitarbeitern Tätigkeiten übertragen, bietet das viele Vorteile. Das Behandlungsgeschehen wird von einer Person - in der Regel dem Hausarzt - koordiniert und dokumentiert. Die medizinischen Fachangestellten wiederum entlasten den Arzt, indem sie den Patienten unterstützend betreuen, auch - sofern erforderlich - bei diesem zu Hause. Dem Patienten gibt das Sicherheit, weil er Arzt und Praxispersonal meist schon seit Jahren kennt." Die Verantwortung für die medizinische Leistung liege weiterhin dort, wo sie auch hingehöre, nämlich beim Hausarzt.

Den Weg der Substitution, also die Übertragung von Leistungen beispielsweise an Gemeindeschwestern oder Pflegefachkräfte zur selbständigen Übernahme, sah der KBV-Vorstand dagegen kritisch. "Die Qualitätssicherung ist dabei eines der großen Probleme", so Müller. Hier müssten eigene Regelwerke geschaffen werden. Überhaupt würde es ein deutliches Mehr an Bürokratie und Dokumentationsverpflichtungen geben. "Allein schon die Abstimmungsprozesse fielen deutlich aufwändiger aus. Dagegen ist die Arzthelferin das natürliche Bindeglied zwischen Arzt, Patient und Familie. Ihr vertrauen alle gleichermaßen."

Der KBV-Vorstand wies darauf hin, dass die Aus- und Weiterbildungscurricula der medizinischen Fachangestellten bereits entsprechend überarbeitet werden. Außerdem sei mit dem Pflegeweiterentwicklungsgesetz jetzt gesetzlich verankert, dass in der Gebührenordnung der niedergelassenen Ärzte Abrechnungspositionen für delegierbare Leistungen zu schaffen sind. Er stellte fest: "Delegierbare Leistungen stellen neue Leistungen dar, die auch mit besonders qualifiziertem Personal durchgeführt werden müssen. Damit ist glasklar: Es wird dafür neues Geld in der Gesamtvergütung geben."

"Die Ärzteschaft und die Gesundheitsberufe brauchen einen rechtssicheren Rahmen für delegierbare Leistungen", forderte Müller. Denn notwendig seien nicht nur Änderungen im Berufsrecht, sondern auch im Sozialgesetzbuch. "Der Gesetzgeber muss hier die rechtlichen Grundlagen schaffen."

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Dr. Roland Stahl, Tel.: 030 / 4005 - 2202
Tanja Riepelmeier, Tel.: 030 / 4005 - 2240
Nadine Hintzke, Tel.: 030 / 4005 - 2208

Quelle: Pressemitteilung vom 19.3.2008

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