Ärztliche Anordnungen zur Ernährung - immer befolgen?

Pflegespezifische Themen; z.B. Delegation, Pflegedokumentation, Pflegefehler und Haftung, Berufsrecht der Pflegeberufe

Moderator: WernerSchell

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gaby
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Ärztliche Anordnungen zur Ernährung - immer befolgen?

Beitrag von gaby » 18.01.2008, 20:19

Ärztliche Anordnungen zur Ernährung - immer befolgen?

wie sollten schwestern sich verhalten,wenn die ärztin einer bewohnerin im altenheim, nach absprache mit der familie anordnet, das die bewohnerin nur noch wasser über die peg bekommen soll, die bewohnerin isst aber nicht oral ???
mfg ganisk

Herbert Kunst
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Ärztliche Anordnungen zur Ernährung - ggf. hinterfragen!

Beitrag von Herbert Kunst » 19.01.2008, 08:04

Ärztliche Anordnungen zur Ernährung - ggf. hinterfragen!

Hallo Gaby,

grundsätzlich sind die Pflegekräfte in einem Heim in der Rechtspflicht, den Anordnungen der Vorgesetzten nachzukommen. Auch den Anordnungen eines ambulant tätigen Arztes muss letztlich nachgekommen werden, weil das Heim verpflichtet ist, durch sein Personal zu gewährleisten, dass den ärztlichen Ver- und Anordnungen gefolgt wird. Der Arzt nimmt also Einfluss auf das Tätigwerden des Pflegepersonals über den Umweg der Billigung durch die Heimleitung bzw. Pflegedienstleitung. Der Arzt ist natürlich nicht direkter Vorgesetzter der Pflegekräfte. Das Zusammenwirken all dieser Beteiligten sollte übrigens durch eine Kooperationsvereinbarung sichergestellt werden. Gibt es eine solche Vereinbarung?
Pflegekräfte dürfen immer nur solche Maßnahmen durchführen, die nicht strafrechtlich relevant sind. Wenn der Eindruck besteht, dass eine ärztliche Anordnung gegen geltendes Recht verstösst, muss das Pflegepersonal seine Mitwirkung verweigern (Weigerungsrecht!).

Siehe auch in diesem Forum:
Durchführungsverantwortung in der ambulanten Pflege
viewtopic.php?t=4887&highlight=weigerungsrecht
Wundversorgung - ärztliche Anordnung & Weigerungsrecht
viewtopic.php?t=4300&highlight=weigerungsrecht
Periduralkatheter auf Normalstaion
viewtopic.php?t=6509&highlight=weigerungsrecht
Medikamente - Richten, Stellen, Verabreichen
viewtopic.php?t=4480&highlight=weigerungsrecht
Dokumentation verabreichter Medikamente
viewtopic.php?t=7670&highlight=weigerungsrecht

Wenn nicht klar ist, ob eine bestimmte Maßnahme rechtens ist, muss man durch entsprechendes Hinterfragen für Aufklärung sorgen. Grundsätzlich kann es zulässig sein, dass ein Rechtlicher Betreuer (nicht die Angehörigen) im Zusammenwirken mit dem Arzt eine bestimmte Ernährungsentscheidung trifft: z.B., weil sie so dem Wohl des Betroffenen entspricht bzw. seinem (mutmaßlichen) Willen entspricht. Das alles muss man sauber abklären. Wenn es keine nachvollziehbare Antworten gibt, sollte man die Heim- bzw. Pflegedienstleitung schriftlich auf die Angelegenheit aufmerksam machen und um Aufhellung bitten. Wieso wird konkret, wie beschrieben, verfahren? Wie wird das begründet? Wie kann das rechtlich begründet werden? usw.

Gruß
Herbert Kunst
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gaby
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ärztliche anordnungen????

Beitrag von gaby » 19.01.2008, 09:45

danke für die antwort hat mir unheimlich geholfen
vielen dank gaby

PflegeCologne
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Re: Ärztliche Anordnungen zur Ernährung - immer befolgen?

Beitrag von PflegeCologne » 19.01.2008, 10:34

gaby hat geschrieben: ---- Ärztliche Anordnungen zur Ernährung - immer befolgen? --- wie sollten schwestern sich verhalten,wenn die ärztin einer bewohnerin im altenheim, nach absprache mit der familie anordnet, das die bewohnerin nur noch wasser über die peg bekommen soll, die bewohnerin isst aber nicht oral ???
mfg ganisk
Guten Morgen Gaby,
die Antwort von Herbert trifft den Kern für das richtige Verhalten. Es ist aber leider so, dass bei der Ernährung von pflegebedürftigen Menschen nicht immer richtig verfahren wird. Selbst in den Krankenhäuser gibt es gravierende Mängel.
Siehe hier im Forum:
Mangelernährung in deutschen Krankenhäusern
viewtopic.php?t=3377&highlight=ern%E4hrung
Ernährung / Mangelernährung älterer Menschen !
viewtopic.php?t=6800&highlight=ern%E4hrung
Mangelernährung älterer Menschen
viewtopic.php?t=5905&highlight=ern%E4hrung
Ernährung pflegebedürftiger Menschen in der Altenhilfe
viewtopic.php?t=3793&highlight=ern%E4hrung
Ernährung & Flüssigkeitsversorgung verbessern
viewtopic.php?t=380&highlight=ern%E4hrung
Mangelernährung der Senioren - So motivieren Sie zum Essen
viewtopic.php?t=3770&highlight=ern%E4hrung
Im beschriebenen Einzelfall muss m.E. genau abgeklärt werden, ob und inwieweit für die angeordnete Maßnahmen eine handfest Indikation vorliegt. Ansonsten muss die Situation problematisiert werden.
Meine Empfehlung: den Pflege-Selbsthilfeverband e.V. einschalten - http://www.pflege-shv.de
Herzliche Grüße
PflegeCologne
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http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de

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Zur Delegationsproblematik

Beitrag von Lutz Barth » 19.01.2008, 15:16

Zur Delegationsproblematik

Um die Frage sachgerecht lösen zu können, bedarf es hierzu weiterer Informationen, insbesondere mit Blick darauf, ob die Bewohner noch in der Lage ist, selbstbestimmt eine Entscheidung zu treffen. Zugleich ist abzuklären, warum (!) die Bewohnerin nur noch mit Wasser versorgt wird. Handelt es sich um einen Fall, bei dem palliativmedizinische Betreuung geleistet wird?
Ggf. wäre im letztere Fall eine ethische Fallbesprechung geboten.

Die Auffassung von Herrn Kunst spiegelt insoweit die herrschenden Lehre in der pflegekundlichen Literatur wider, sofern es um die Differenzierung zwischen Anordnungs- und Durchführungsverantwortung bei der Delegation von behandlungspflegerischen Tätigkeiten geht.
Hierzu kann auf einen instruktiven Beitrag von R. Roßbruch in zwei Teilen verwiesen werden, der sehr ausführlich zu dieser Problematik Stellung bezieht:

R. Roßbruch ,
Zur Problematik der Delegation ärztlicher Tätigkeiten an das Pflegefachpersonal auf Allgemeinstationen unter besonderer Berücksichtigung zivilrechtlicher, arbeitsrechtlicher und versicherungsrechtlicher Aspekte

Quelle DBfK>>> Teil 1 (PflR 3/2003, S. 95 ff.) (pdf.) >>> http://www.dbfk.de/baw/download/Delegat ... -Teil1.pdf

Quelle DBfK>>> Teil 2 (PflR 4/2003, S. 139 ff.) (pdf.) >>> http://www.dbfk.de/baw/download/Delegat ... -Teil2.pdf

Instruktiv auch
Die Delegation ärztlicher Tätigkeiten
v. V. Großkopf (2003), Quelle: PWG-Seminare, in: KlinikManagement Aktuell, 09/2003, S. 42 ff. >>> Download >>> (pdf.) >>> http://www.pwg-seminare.de/download.php?id=36

Weniger überzeugend m.E. nach dagegen:
Standortbestimmung Pflege – Rechtspolitische, rechtssoziologische, rechtswissenschaftliche, und pflegewissenschaftliche Überlegungen zur Übertragung ärztlicher Tätigkeiten
v. H. Böhme / M. Hasseler, in Die Schwester/Der Pfleger 08/2006
Quelle: Caritas-Bistum-Berlin (pdf.) >>> http://www.caritas-bistum-berlin.de/asp ... ag_id=6474

Der Unterzeichnende selbst vertritt hierzu eine in Teilen abweichende Auffassung dergestalt, als dass die Pflegenden z.B. in stationären Alteneinrichtungen durchaus als Erfüllungsgehilfen des freiberuflich tätigen Arztes zu qualifizieren sind. Insofern obliegt nach wie vor die Gesamtverantwortung für die Heilbehandlung beim Arzt und letztere kann in fachspezifischen Fragen dem (fremden) Personal auch Weisungen erteilen.

Vgl. dazu "Standortbestimmung Pflege – zugleich eine Stellungnahme zum gleichnamigen Beitrag von H. Böhme und M. Hasseler in „Die Schwester/Der Pfleger 08/2006“
v. Lutz Barth (2007), ein Beitrag in drei Teilen
Teil 1, in PflR 06/2007, S. 253 ff.
Teil 2, in PflR 07/2007, S. 307 ff.
Teil 3, in PflR 06/2007, S. 356 ff.

Pflegemängel und Ursachenforschung: Fehlentwicklungen im Pflegerecht!?
v. Lutz Barth, in IQB - Internetportal >>> zum Beitrag >>> (pdf.) http://www.iqb-info.de/Pflegemaengel_un ... schung.pdf

Die Beiträge enthalten jeweils Nachweise zum Stand in der aktuellen Literatur.
Vgl. dazu auch jüngst das Titelthema in der Zeitschrift ArztRecht 08/2007
Die Erbringung ärztlicher Leistungen durch Nicht-Ärzte

Mit Beiträgen von Prof. Dr. med. Klaus Junghanns, Prof. Dr. med. H.-J. Polonius und Dr. jur. Berhard Debong. Die Autoren zeigen aus medizinischer und rechtlicher Sicht die Grenzen für die Übertragung von ärztlichen Tätigkeiten an nichtärztliches Assistenzpersonal auf.

Mit freundlichen Grüßen.
Lutz Barth

Herbert Kunst
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Ärztliche Anordnungen ggf. kritische hinterfragen!

Beitrag von Herbert Kunst » 19.01.2008, 16:04

Hallo Lutz,

danke für Deine Hinweise zur Delegationsproblematik. Man wird sich anhand dieser Hinweise entsprechend orientieren können. Allerdings gibt es hinsichtlich dieser Thematik auch unterschiedliche Einschätzungen.
Siehe auch in dieser Homepage unter
http://www.wernerschell.de/Rechtsalmana ... erapie.htm
zahlreiche informative Beiträge.
In der von Gaby vorgestellten Problematik ging es allerdings weniger um die eigentliche Delegationsproblematik, sondern um die Frage, ob eine durchzuführende Aufgabe überhaupt zulässig ist. Daher gab ich bereits den Tipp zu klären, ob die Maßnahme rechtens ist. Fragen der Selbstbestimmung, rechtlichen Vertretung, Indikationen usw. sind dabei von Belang. Unabhängig von den Regeln des Delegationsrechtes ist eine Pflegekraft immer in der Pflicht, eine rechtswidrige Maßnahme zu verweigern. Leider wird gelegentlich in dieser Hinsicht zu wenig kritisch gehandelt.

Gruß
Herbert Kunst
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Ärztliche Anordnungen

Beitrag von Lutz Barth » 19.01.2008, 19:40

Hallo, Herr Kunst.

Ihren Ausführungen kann in der Tat beigetreten werden (Sie zielen sicherlich auf § 8 BAT ab). Die eigentliche Frage der Forumsteilnehmerin kann aber letztlich in Ermangelung konkreter Sachverhaltshinweise nicht abschließend geklärt werden, denn Sie haben völlig Recht, dass zunächst das Arzt-Patienten-Verhältnis hier maßgebend ist und sich somit die Frage nach der Indikation stellt. Nach diesseitiger Auffassung trägt allerdings das Pflegepersonal das nicht unerhebliche Risiko, mit der Einschätzung nach dem rechtlich Erlaubten „daneben“ zu liegen, zu dass hier entsprechende Folgen entstehen können. In jedem Falle ist vor „eigenmächtigen Maßnahmen“ zu warnen und das kooperative Gespräch mit dem behandelnden Arzt zu suchen, dem die therapeutische Verantwortung obliegt. Die Frage nach der Zulässigkeit einer therapeutischen Maßnahme stellt sich eigentlich aus der Perspektive des Pflegepersonals nur in den Fällen, in denen „offensichtliche“ therapeutische „Fehler“ begangen werden.

Zu einem anderen Ergebnis gelangt man/frau nur dann, wenn von vorn herein dem Pflegepersonal eine „Garantenstellung“ zukommt, wie einige Pflegerechtler darzulegen versuchen. Dies ist m.E. allerdings nicht unproblematisch und lässt sich nur anhand eines konkreten Einzelfalls diskutieren.

In jedem Falle wäre aber der Forumsteilnehmerin zu raten, „kurze Wege“ zu gehen und von daher ggf. die Heim- und Pflegedienstleitung zu informieren. Nicht hilfreich erscheint mir in diesem Zusammenhang der Hinweis von PflegeCologne, ggf. den Pflege-Selbsthilfeverband einzuschalten. Das Engagement des Verbandes in allen Ehren, aber hier sollte innerhalb der Institution mit dem ärztlichen Therapeuten die entscheidenden Fragen abgeklärt werden, denn es geht letztlich auch darum, dass die Pflegenden und die Institution vor Ort ständig mit Realkonflikten konfrontiert werden, die von der Profession her zu lösen sind.

Mit freundlichen Grüßen.
Lutz Barth

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Beitrag von enno » 24.01.2008, 23:54

hallo
niemals,sie kennen den patienten nicht,auch das pflegepersonal .
angehörige wissen mehr,aber sie werden nicht gern gesehen .
"gelehrte nach lehrbuch und standart haben recht?
aber sehen sie auch den menschen?

mfg enno

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