Schreiben vom Pflegestammtisch „IN WÜRDE ALT WERDEN – WIR KÄMPFEN DAFÜR!“
vom 16.01.2008 von Roswitha Springer-Hiefinger an das Landgericht Magdeburg, Herrn Oberstaatsanwalt Rudolf Jaspers, Halberstädter Str. 8, 39112 Magdeburg
Missstände im Altenheim “Luisengarten” – Staatsanwaltschaft sieht keinen Anlass für Ermittlungen
Sehr geehrter Herr Oberstaatsanwalt Jaspers,
ich erstatte hiermit im Namen unseres Pflegestammtisches Strafanzeige auf Grund des beiliegenden Presseberichtes „Volksstimme.de“ vom 29.12.07 gegen das Altenheim „Luisengarten“ in Magdeburg, welches Anfang November 2007 durch den MDK drei Tage lang akribisch geprüft wurde. Erschütternde Feststellungen schrieben die Prüfer in einem 300-seitigen Bericht nieder.
Hier ergibt sich auf Grund der Pressemitteilung ein Anfangsverdacht wegen fahrlässiger und vorsätzlicher Körperverletzung auch zum Nachteil von Schutzbefohlenen. Trotz Schließung des Heimes bis Ende Februar 2008 sind die Verantwortlichen dieses Heimes zur Rechenschaft zu ziehen.
Mit freundlichen Grüßen
gez. Roswitha Springer-Hiefinger
1. Antwortschreiben der Staatsanwaltschaft Magdeburg vom 23.01.2008 – Zeichen 361 AR 2690/07 von Oberstaatsanwalt Staufenbiel, Breiter Weg 203-206, 39104 Magdeburg, Tel. 0391-606-0, Fax 0391-606-4731, email: poststelle@sta-md.justiz.sachsen-anhalt.de
Betreff: Strafrechtliche „Vorermittlungen“ im Zusammenhang mit dem Betrieb des Altenpflegeheims „Am Luisengarten“, Magdeburg
„Ihre Mitteilung ist hier am 22.01.2008 eingegangen. Die Staatsanwaltschaft Magdeburg hat bereits unter dem 27.12.2007 die statthaften Maßnahmen zur Aufklärung des Sachverhalts ergriffen.
Mit freundlichen Grüßen
Staufenbiel, Oberstaatsanwalt.“
2. Antwortschreiben der Staatanwaltschaft Magdeburg vom 01.02.2008 – Zeichen 261 AR 2690/07 von Oberstaatsanwalt Staufenbiel
als Strafverfolgungsbehörde obliegt es der Staatsanwaltschaft, dann in einem gesetzlich geordneten Verfahren einen Sachverhalt aufzuklären, wenn sich aus zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten ein Verdacht dafür ergibt, daß eine Straftat begangen worden ist oder noch andauert (§ 152 Abs. 2 StPO). Die Staatsanwaltschaft ist allerdings auch erst dann berechtigt, Ermittlungen zu führen, wenn ein solcher Anfangsverdacht vorliegt. Unterhalb dieser Schwelle ist ihr ein Einschreiten nicht gestattet, denn sie betreibt keine Gesetzlichkeitsaufsicht.
Die Berichte in den lokalen Medien enthielten solche auf Tatsachen gestützten Mitteilungen nicht. Sie offerierten die Möglichkeit, daß Straftatbestände berührt sein könnten, weswegen ich im Rahmen der Amtshilfe Nachfrage beim Oberbürgermeister der Stadt Magdeburg und dem für die Heimaufsicht zuständigen Landesverwaltungsamt gehalten habe. Von beiden habe ich ausführliches Schriftgut erhalten.
Allein vom Landesverwaltungsamt habe ich knapp 20 Prüfberichte ausgewertet.
Die mir so zugänglich gemachten Unterlagen haben die Presseberichte bestätigt, wonach die Heimaufsichtsbehörde Zustände in dem genannten Altenpflegeheim angetroffen hat, die letztlich zur Schließung verpflichtet haben.
Diese verwaltungsrechtliche Konsequenz beruhte jedoch auf Umständen, denen keine strafrechtliche Relevanz beizumessen ist. Maßgeblich für die Entscheidung der Behörde, das Heim zu schließen, waren insbesondere folgende Gründe:
Bei dem Altenpflegeheim „Am Luisengarten“ handelte es sich um einen zu DDR-Zeiten errichteten, jetzt mit Baumängeln behafteten Plattenbau, der ursprünglich als Verwaltungsgebäude genutzt wurde. Der Kraftfahrzeugverkehr – ca. 2.400 Autos passieren stündlich das Heim – und die Lage des Hauses – es ist parallel zu der die Stadt in Ost-West-Richtung kreuzenden Bundesstraße 1 errichtet, so daß ein Teil der Wohnräume nach Norden liegt – machte die Nutzung der Immobilie als Altenpflegeheim überdies fraglich. Dem Umbau für Zwecke der Altenpflege waren von vornherein Grenzen gesetzt, z.B. bezüglich der einzurichtenden Sanitärbereiche. Hieraus resultierten die von der Heimaufsicht kritisierten Mängel, etwas hinsichtlich der für Sauberkeit und Hygiene einzuhaltenden Standards. Hinzu kamen Fragen im Zusammenhang mit der persönlichen Eignung der Führungskräfte (Heim- und Pflegedienstleitung, Leitung des städtischen Eigenbetriebs), denen es trotz vielfacher Hinweise und Unterstützung seitens der Aufsichtsbehörden nicht oder nicht vollständig gelungen ist, für die Umsetzung der für den Betrieb des Heimes erteilten Auflagen Sorge zu tragen. Das hatte nicht mehr hinnehmbare Folgen, etwa bei der Sauberkeit und Hygiene, aber auch bei der Pflegedurchführung und -beaufsichtigung selbst.
Strafrechtlich maßgeblich wäre gewesen, daß Beeinträchtigungen des körperlichen Wohlbefindens oder Körperverletzungen direkt durch Pflichtverletzungen verursacht worden sind. Zwar gründet die Verwaltungsbehörde ihre Entscheidung, das Heim zu schließen, auch auf die bestehende Gefährdung der Gesundheit der Heimbewohner. Diese – verwaltungsrechtlich beurteilte – Gefährdungslage reicht aber für die Annahme eines Anfangsverdachts im strafrechtlichem Sinn nicht aus. Hier wäre erforderlich gewesen, mit Tatsachen belegte Einzelfälle darzulegen, bei denen die Gefährdung bereits in einen tatbestandlichen Erfolg umgeschlagen ist. Das ist jedoch unter Zugrundelegung der mir vorliegenden Berichte der Heimaufsicht nicht der Fall gewesen. Die Verletzung von Vorschriften des Heimgesetzes selbst ist nicht strafbar.
Zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen von Straftaten – vorsätzliche oder fahrlässige Körperverletzungen nach §§ 223 ff. StGB, Freiheitsberaubungen und Nötigungen (§§ 239, 240 StGB) – haben meine Vorprüfungen nicht ergeben. Insofern war die Berichterstattung in der Presse irreführend. Mir ist es daher gesetzlich nicht gestattet, in ein Ermittlungsverfahren einzutreten. Ich lehne die Aufnahme eines Ermittlungsverfahrens ab 833 !%“ Abs: 2, 160, 170 Abs. 2 stopp).
Soweit die Möglichkeit besteht, bestimmtes Fehlverhalten im Bußgeldverfahren zu verfolgen (§ 21 HeimG), werde ich die zuständige Behörde um Prüfung bitten.
Mit freundlichen Grüssen
Staufenbiel, Oberstaatsanwalt“
Vorstehender Text heute, 11.2.2008, übermittelt von Frau R. Hiefinger