Selbstbestimmung des Pflegebedürftigen - auch Zuhause!

Pflegespezifische Themen; z.B. Delegation, Pflegedokumentation, Pflegefehler und Haftung, Berufsrecht der Pflegeberufe

Moderator: WernerSchell

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Pflegeselbsthilfe
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Selbstbestimmung des Pflegebedürftigen - auch Zuhause!

Beitrag von Pflegeselbsthilfe » 23.12.2005, 13:20

Auch in der häuslichen Pflege hat die Selbstbestimmung des Pflegebedürftigen absoluten Vorrang!

Der Pflegeselbsthilfeverband e.V. (Pflege-SHV e.V.) hat einen ersten Streitfall in Gelsenkirchen "auf die Hörner" genommen. Es ging darum, dass die zuständige Pflegekasse die Zahlung des Pflegegeldes in zwei Fällen - aus unserer Sicht unberechtigt - eingestellt hatte. Die Pflegekasse verlangte, dass die häusliche Pflege, die bislang ohne jegliche Pflegefehler im Familienverband erledigt wurde, zumindest teilweise einem professionellen Pflegedienst übertragen werden sollte. Weil dem nicht gefolgt wurde, stellt die Kasse einfach die Zahlungen ein. Der Widerspruch dagegen wurde zurückgewiesen.

Der Pflege-SHV e.V. hat daraufhin einigen Schriftwechsel geführt und wegen Uneinsichtigkeit der Pflegekasse kurzfristig den Erlass einer "Einstweiligen Anordnung" durch das zuständige Sozialgericht beantragt. Dann konnte der Fall an ein Anwaltsbüro vor Ort weiter vermittelt werden. Gestern, am 22.12.2005, fand die mündliche Verhandlung über die vom Pflege-SHV e.V. beantragte "Einstweilige Anordnung" statt. Dazu erhielt der Pflege-SHV e.V. vom Anwaltsbüro am 23.12.2005 folgende erfreuliche Nachricht:

.... als Rückmeldung zum gestrigen Gerichtstermin kann ich Ihnen mitteilen, dass die Familie .... in allen Punkten gewonnen hat!
Die Pflegekasse hat bereits drei von vier Punkten im Termin anerkannt, dass Gericht hat darauf hingewiesen, dass die Pflegkasse keine "Erzieherkompetenz" hat und die Pflegegeldleistung wieder im bisherigen Umfang aufzunehmen sind.
Die Pflegekasse sagte bereits zu, auch den vierten Punkt anzuerkennen und die Leistungen wieder aufzunehmen.
Die Kasse wird deshalb anerkennen um ein Urteil, dass möglicher Weise ja auch Grundsatzcharakter haben könnten, zu vermeiden.
Da die schriftlichen Ausführungen des Gerichtes noch nicht vorliegen, ist weiteres abzuwarten. ...


Ich denke, dass ist eine erfreuliche Nachricht, die noch schnell vor Weihnachten übermittelt werden sollte. Sie bestätigt, dass auch in der Pflege die Selbstbestimmung der Pflegebedürftigen absoluten Vorrang hat.

Der Pflege-SHV e.V. steht für weitere Informationen zur Verfügung (Ansprechpartner in dieser Angelegenheit: Werner Schell).

Werner Schell - 2. Vorsitzender des Pflege-SHV e.V.

Georg

Beitrag von Georg » 30.12.2005, 09:47

Hallo Herr Schell!
Eine Pflegekasse als "Beschäftigungsgaranten" eines ambulanten Pflegedienstes zu erleben ist auch mal interessant.
Mich würden noch einige Hinweise zur Vorgeschichte interessieren; z.B. die nähere Begründung von Seiten der Kasse, z.B. das Ergebnis der Kontrollbesuche?

WernerSchell
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Pflegekasse handelte klar rechtswidrig!

Beitrag von WernerSchell » 30.12.2005, 11:08

Georg hat geschrieben:.... Mich würden noch einige Hinweise zur Vorgeschichte interessieren; z.B. die nähere Begründung von Seiten der Kasse, z.B. das Ergebnis der Kontrollbesuche?
Hallo Herr Georg,

einige ergänzende Hinweise:

Es gab in der beschriebenen Angelegenheit ein MDK-Gutachten zur Pflegesituation. Darin wurden keine Pflegemängel beschrieben; am Ende wurde aber unerklärlicherweise geschlussfolgert, es müsse mindestens 1x pro Tag ein Pflegedienst zum Einsatz kommen. Die betroffene Familie wollte aber der darauf gestützten Aufforderung der Pflegekasse, einen Pflegedienst zu beteiligen, nicht folgen - man sehe dazu keine Veranlassung und könne die Pflege selbst optimal gewährleisten. Daraufhin stellte die Pflegekasse die Zahlung des Pflegegeldes für zwei pflegebedürftige Familienmitglieder ein - natürlich in einem Bescheid ausgeführt.
Daraufhin kam es zu Widersprüchen und Klage seitens der betroffenen Pflegebedürftigen. Sobald der Pflege-ShV e.V. eingeschaltet war, wurde auf Veranlassung eine Einstweilige Anordnung beim zuständigen Sozialgericht beantragt mit dem Begehren, die Pflegekasse zu verurteilen, die Pflegegeldzahlungen wieder aufzunehmen. Der kurzfristig vom Gericht angesetzte Verhandlungstermin konnte dann vor Ort durch ein eingeschaltetes Anwaltsbüro wahrgenommen werden.
Die Aktion war vor dem Sozialgericht uneingeschränkt erfolgreich, weil die Pflegekasse mit ihren Maßnahmen rechtswidrig vorgegangen war. Im Gerichtstermin lenkte die Pflegekasse zur Vermeidung einer Verurteilung ein und nahm ihre Entscheidungen zurück.
Der Familie konnte ich einen Tag vor Weihnachten mitteilen, dass das Pflegegeld nachgezahlt bzw. für die Zukunft weiter gezahlt wird.

Mit freundlichen Grüßen
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
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WernerSchell
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Recht auf freie Wahl der Pflegeperson !

Beitrag von WernerSchell » 16.07.2007, 06:26

Pflegebedürftige haben ein Recht auf freie Wahl der Pflegeperson

Siehe dazu die Texteinstellungen unter
viewtopic.php?t=6788
Die Rechtsauffassung des Pflege-Selbsthilfeverbandes e.V. wurde voll bestätigt!
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WernerSchell
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Selbstbestimmungsrecht: Pflege selbst organisieren !

Beitrag von WernerSchell » 20.10.2007, 13:55

Selbstbestimmungsrecht: Pflege selbst organisieren !

Organisieren Pflegebedürftige ihre Pflegehilfe selbst, können sie auch selbst über die Pflegeperson entscheiden, wenn die erforderliche Qualität sichergestellt ist. Das geht aus einem Urteil des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) hervor: Az.: L 8 P 10/05.
Im verhandelten Fall wollte ein 60-Jähriger seine Pflege in die vertrauten Hände eines Bekannten legen. Der befreundete Frührentner sollte ihm täglich beim Waschen und Anziehen helfen und ihn im Haushalt unterstützen. Obwohl die Voraussetzungen für die Pflegestufe I erfüllt waren, wollte die Krankenkasse statt des beantragten Pflegegeldes Pflegesachleistungen erbringen. Die Kasse sah die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung durch die ausgewählte Pflegeperson nicht in der vom Gesetz geforderten geeigneten Weise sichergestellt. Ein Sachverständiger hatte zwar Pflegedefizite festgestellt, jedoch keine Verwahrlosung.
Das LSG sah den Fall anders als die Krankenkasse und folgte dem Grundsatz der Selbstbestimmung. Demnach bleibt es dem Pflegebedürftigen selbst überlassen, seine Pflege zu organisieren und die Pflegeperson auszuwählen. Vereinzelt auftretende Pflegemängel könnten nicht pauschal zur Ablehnung führen, da die geforderte 'Pflege in geeigneter Weise' schwer zu konkretisieren sei, so das LSG-Urteil.
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KPHNeuss
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Selbstbestimmung des Pflegebedürftigen - auch Zuhause!

Beitrag von KPHNeuss » 21.10.2007, 07:43

Pflege-SHV hat geschrieben:.... Auch in der häuslichen Pflege hat die Selbstbestimmung des Pflegebedürftigen absoluten Vorrang!....
Guten Morgen!

Die Hinweise zur selbstbestimmten Pflege konnte ich gut nutzen. Denn bei einem von mir Betreuten kam ein ähnliches Problem hoch, weil die Pflegekasse sich einmischte und meinte, es müsse einiges anderes organisiert werden, sonst gäbe es kein Geld mehr.
Die Verweise auf die hier eingestellten Texte haben die Kasse veranlasst, ihr Einmischungsverhalten doch entscheidend zurückzunehmen. Es wird jetzt davon gesprochen, dass es sich nur um Anregungen gehandelt habe.

Ich danke für die prima Hinweise hier im Forum!

Mit freundlichen Grüßen
KPHNeuss
Für eine uneingeschränkt gute Pflege müssen wir alle eintreten - die Verfassung enthält die entscheidenden Wertegrundsätze: Die Menschenwürde ist unantastbar!

Herbert Kunst
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Auswahl der Pflegepersonen - Selbstbestimmung

Beitrag von Herbert Kunst » 17.11.2007, 06:54

Siehe auch unter
Auswahl der Pflegepersonen - Selbstbestimmung
viewtopic.php?t=7589
Für menschenwürdige Pflege sind wir alle verantwortlich! - Dazu finde ich immer wieder gute Informationen unter http://www.wernerschell.de

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