Personalschlüssel in den Ländern

Pflegespezifische Themen; z.B. Delegation, Pflegedokumentation, Pflegefehler und Haftung, Berufsrecht der Pflegeberufe

Moderator: WernerSchell

thorstein
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Personalschlüssel in den Ländern

Beitrag von thorstein » 17.11.2011, 15:51

http://parisax.de/www/cms/front_content ... idart=2406
Nach einer Untersuchung des PARITÄTISCHEN Wohlfahrtsverbandes steht im Freistaat Sachsen für Pflege und Betreuung je pflegebedürftigen Menschen rund 20 % weniger Personal zur Verfügung als beispielsweise in Baden-Württemberg.
Da die Personalschlüssel eigentlich bekannt sein sollten, braucht es dafür keine Untersuchung. Interessant ist und bleibt aber der Umstand, dass es offensichtlich Unterschiede von über 20% bei der Personalausstattung gibt. Für Pflegebedürftige heisst das, das sie, je nach dem in welchem Bundesland sie in ein Pflegeheim geraten, trotz gleicher gesetzlicher Rahmenbedingungen mit einer untercshiedlichen Pflegequalität rechnen müssen.

„Nach einer Erhebung des PARITÄTISCHEN Gesamtverbands erhalten Pflegebedürftige in sächsischen Heimen täglich rund 92 Minuten Pflege, während es in Baden-Württemberg 109 Minuten sind. Weniger Pflegezeit gibt es nur in Schleswig-Holstein mit 90 Minuten und bei Schlusslicht Mecklenburg-Vorpommern mit 83 Minuten“, erläutert Birgitta Müller-Brandeck.
Man sollte auch bei pro-Pflege noch einmal darüber nachdenken, was es bei dieser Ausgangslage für einen Sinn macht, 20% mehr Personal zu fordern. Die Frage lautet doch dann zunächst: wo sollen es denn 20 % mehr sein, in Baden-Württemberg oder in Sachsen?

Interessant wäre auch ein Vergleich mit Ländern wie den Niederlande und Skandinavien. Dann hätte man einen Anhaltspunkt, wieviel Pflegeminuten für eine weitgehend mangelfreie Pflege tatsächlich notwendig wären.

Lutz Barth
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Ob "Nachdenken" hilft?

Beitrag von Lutz Barth » 17.11.2011, 17:12

Nun - ich denke, dass einige Damen und Herren es geschickt verstehen, am laufenden Bande "Sprechblasen" zu verkünden, die in einem besonderen Maße dazu geeignet sind, ein stückweit zur Therapie des "Helfersyndroms" und der Entlastung von dem "Leidensdruck" beizutragen.

Mit Verlaub. Die Kernfragen sind längst identifiziert, wie sich unschwer auch hier im Forum ablesen lässt: vgl. dazu u.a.viewtopic.php?t=15913&start=0&postdays= ... chl%FCssel

Ob nun 20% oder mehr Personal gefordert wird, ist eigentlich von untergeordneter Bedeutung; Hauptsache, man/frau punktet in der öffentlichen Debatte mit gutmeinenden Forderungen so wie es ganz aktuell geboten ist, artig darauf hinzuweisen, dass die angedachte Erhöhung von 0,1% keinesfalls ausreicht, um eine würdevolle Pflege gewährleisten zu können. Von daher wundert es nicht, dass hier wie in einem Wunschkonzert verfahren wird: alles scheint möglich, zwischen 0,1% und zwischenzeitlich eingeforderten 5%. Ob dies allerdings ausreichend ist, steht noch in den Sternen.

Kompliziert wird die Lage dadurch, dass zugleich mit der Erhöhung des Beitragssatzes offensichtlich zugleich eine Alimentierung der Personalkosten im Verhältnis 1:1 stattfinden soll.

Nun - vielleicht könnte es dann Sinn machen, sich gänzlich zum Prinzip einer Staatspflege dergestalt zu bekennen, in dem wir uns von den privaten Strukturen schlicht verabschieden.

Es macht erkennbar keinen Sinn, die Meinungsführer zum "Nachdenken" anzuregen, denn es fehlt wohl tatsächlich an der Redlichkeit in der Diskussion; ein Umstand, auf den Thorstein in dem o.a. Foren-Beitrag völlig zu Recht hingewiesen hat.

Das Geseiere von "systemischen Mängeln" lockt nun wahrlich keinen aus der Reserve, zumal es keinen Analysebedarf gibt, sondern in erster Linie es gilt, die Frage nach dem "Preis" für eine gewünschte Pflege zu beantworten.

"Was würde mit einem Heimbetreiber geschehen, der -meiner Ansicht nach völlig zu Recht- darauf hinweist, dass die in SGB 11 geforderte Pflegequalität unter durchschnittlich 5000 Euro pro Heimplatz nicht darstellbar ist?", so Thorstein in dem o.a. Foren-Beitrag.

Dass sich die Träger, das Personal und auch die "Engel der Hochbetagten" sich zur Charta bekennen und immer wieder an Art. 1 GG erinnern, ist durchaus lobenswert und da sollten denn diese auch nicht nur "fordern", sondern auch Finanzierungsvorschläge unterbreiten, wie denn der entsprechende "Gegenwert" pflegerischer Dienstleistungen der Höhe nach festzulegen ist. Vielleicht sind angesichts der "Preissteigerungen" auch die 5 000.-- € nicht (mehr) ausreichend, so dass ggf. ein höherer Betrag anzusetzen ist.

Nun - Thorstein hat es auf den Punkt gebracht: "Was würde mit einem Heimbetreiber geschehen..." und ich würde ergänzen wollen, "was würde mit einem politisch Verantwortlichen oder einem Engel der Hochbetagten geschehen", wenn diese in unserer Gesellschaft die Auffassung vertreten, die "Pflege" sei völlig unterfinanziert und eine angemessene Pflege kostet mindestens 5000.-- oder 6000.-- € monatlich?

Darüber, was passieren würde, möchte ich nicht spekulieren, aber ich kann mir sehr lebhaft vorstellen, dass über die politisch Verantwortlichen hinaus sich auch die Engel der Hochbetagten mit einer solchen Forderung keine besondere Verdienste erwerben werden, mal ganz davon abgesehen, dass auch auf so manchem Pflegetreff einigen Bürgerinnen und Bürgern, wenn nicht gar der Mehrheit, schlicht die Kinnlade herunterfällt, weil der "Preis" sich kaum darstellen lässt und eher ungläubiges bis faszinierendes Staunen auslösen dürfte.

Sei es drum. Die Branche wird es schon richten, bleibt nur zu fragen, wann? Auch das "Nachdenken" bedarf seiner Zeit und dies scheint jedenfalls in der Vergangenheit in Vergessenheit geraten zu sein, zumal bereits relativ früh nach der Einführung der PflegeV bereits "systemfremde Leistungen" aus dem Topf finanziert worden sind. Dies kam - so könnte ein Zyniker anmerken - allerdings den Emanzipationsbestrebungen der "Pflege" durchaus entgegen, sah man/frau sich doch schon immer dazu berufen, auch ärztliche Tätigkeiten wahrzunehmen!
:roll:
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Beitrag von thorstein » 17.11.2011, 18:00

http://www.heise.de/tr/artikel/Erfolgre ... 69225.html

Man kann, je nach Sichtweise mehr oder weniger zynisch, darauf hinweisen, dass ja an kostengünstigen Lösungen gearbeitet wird.

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Stellenschlüssel in der Heimpflege unzureichend

Beitrag von Rob Hüser » 17.11.2011, 18:29

Dass der Stellenschlüssel in der Heimpflege völlig unzureichend ist, wird von keinem wirklichen Kenner der rahmenvertraglichen Vereinbarungen bestritten. Die Personalausstattungen bleiben weit hinter dem zurück, was dem § 11 SGB XI gerecht werden könnte. Die Saarländische Pflegegesellschaft hat nachvollziehbar dargestellt, dass die Personalausstattungen bei einem Musterpflegeheim nur rd. 70% der Verrichtungen abdecken, die zu der Pflege benötigt werden, wie sie das geltende Pflegesystem vorsieht.
Es gibt aber offensichtlich unterschiedliche Gründe, über diesen Pflegenotstand nicht oder nur zurückhaltend zu sprechen. Das macht die Arbeit derjenigen schwerer, die sich für eine Reform der Personalausstattunglen einsetzen.
Es wurde hier im Forum vor einiger Zeit das Buch von Planer "Haus- und Wohngemeinschaften", Hubert Verlag, vorgestellt. Darin ist auf Seite 136 eine Übersicht über die Stellenschlüssel der BRD abgedruckt. Wer sich mit dieser Darstellung näher befasst, wird erkennen, dass die Diskrepanz zwischen der Personalausstattung in den einzelnen Bundesländern z.T. weit über 20% hinaus geht.
Wenn die Koalitionsbeschlüsse und die Eckpunkte zur sog. Pflegereform zu diesem Thema schweigen, hat das natürlich mit den Kosten zu tun. Eine gute Pflege, wie wir sie eigentlich alle wünschen, würde erheblich mehr Finanzaufwand erfordern.
Aber um sachgerecht zu bleiben. Erst müsste man klären, welche Pflege wir wollen. Und dann müsste man die gesetzgeberischen Folgerungen konzipieren. Dann würde sich "unter dem Strich" ergeben, welche Beitragssteigerung geboten ist. Wenn jetzt von 0,1% gesprochen wird, kann das hinten und vorne nicht reichen.
In der Stellungnahme von Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk zur Pflegereform vom 05.07.2011 sind übrigens umfängliche Ausführungen zum Pflegenotstand zu finden. Dort wird begründet, warum es deutlich mehr Personal geben muss. Grob geschätzt erscheint ein Vielfaches nötig.
Natürlich soll die Reformdebatte nicht auf die Personalnot verengt werden. Es gibt zahlreiche Regelungsnotwendigkeiten. Es war eigentlich erwartet worden, dass jetzt, nachdem bereits 2008 keine große Pflegereform zustande kam, umfassend reformiert würde. Scheinbar geht das wieder mal in die Hose. Dies wahrscheinlich auch deshalb, weil die politisch Verantwortlichen wissen, dass mit Pflegethemen keine Wahl zu gewinnen ist. Die halbwegs Gesunden verdrängen das Thema. Diejenigen, die bereits mit der Pflege zu tun, sind "bis oben" ausgelastet.

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Lutz Barth
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Beitrag von Lutz Barth » 17.11.2011, 19:01

Nun - in der Tat scheint hier die Technik zur Entlastung des Pflegenotstands beitragen zu können. Andererseits ist nicht ausgeschlossen, dass - wenn und der Preis einmal für die Pflege vom dem bewährten Pflegepersonal der Höhe nach feststeht - sich das Problem des Notstands dadurch entschärft, dass ein Teil der Generation sich dazu entschließt, den ihnen aufgebürdeten finanziellen Lasten dadurch zu entfliehen, in dem diese eine Patientenverfügung aufsetzen, um so im Interesse der nachfolgenden Generation nicht über Gebühr "Kosten" zu produzieren (Zynismus hin oder her).
Nun will ich hier nicht das Wort von einem sozialverträglichen Frühableben reden, aber wie mir scheint, wird nicht selten die Meinung vertreten, dass man/frau den Angehörigen nicht zur Last fallen will und wenn dem so ist, könnte mit der Patientenverfügung hierfür Vorsorge geleistet werden. Andererseits scheint die junge Generation etwas anders "strukturiert" zu sein, um es mal vorsichtig auszudrücken. Sie geht davon aus, dass sie "hier und jetzt" lebt und wen interessiert es da schon, sich über seinen eigenen Lebensabend Gedanken zu machen, zumal darauf nicht selten spekuliert wird, dass in unserem Sozialstaat es eher nicht zu befürchten ansteht, "zu verhungern oder zu verdursten" oder als Pflegebedürftiger auf der "Parkbank" gepflegt zu werden.

Nun - wir werden sehen, wie "unsere" Politiker das Problem in Griff bekommen oder halt nicht. Auch hier im Forum gibt es einige Stimmen, die unausgesprochen bereits Lösungen skizzieren: es müssen mehr Verbote her; der Bürger muss gesundheitspädagogisch von der Kindheit an betreut werden. Auch hier könnte der berühmte Arzt Hufeland im Nachgang zu seinem ärztlichen Wirken mit seinen Schriften wichtige Impulse liefern. Vielleicht sollten wir alle auch vermehrt "christliches Schwarzbrot" essen, auch auf die Gefahr hin, dass wie bei Hülsenfrüchten allgemein wir in der Folge keinen Beitrag zum Umweltschutz leisten (dies könnte zu erhöhten Emmissionswerten führen; ein Aspekt, der im Übrigen auch einige Zeitgenossen dazu veranlasst hat, auf einen enthemmten Fleischgenuss zu verzichten).

Völlig klar ist, dass ganz allgemein der Genuß von gesundheitsabträglichen Speisen und Getränken zu regulieren ist; die Bürgerinnen und Bürger müssen zum Sport angehalten werden; gefährliche Sportarten sind zu unterbinden; Übergewichtige werden auf ein akzeptables Körpergewicht getrimmt.

Nun - der Phantasie sind hier keine Grenzen gesetzt, so dass sich unglaubliche Einsparungseffekte einstellen könnten, die dann einer guten Pflege im Alter zugute kommen können.

Schließlich sei es ja nicht einzusehen, dass unsere Bürgerinnen und Bürgern durch ihre Lebensweisen über Gebühr das Gesundheitssystem finanziell belasten, wo doch das Geld für die Behebung des Pflegenotstands gut gebraucht werden könnte. :wink:
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Inhalte?!

Beitrag von Lutz Barth » 17.11.2011, 19:23

Sehr geehrter Herr Hüser.

Nochmals: ich denke, dass wir keinen Analysebedarf haben und es der Pflege als Profession insgesamt nicht zur Ehre gereicht, wenn nun zunächst gebetsmühlenartig darauf hingewiesen wird, dass wir zunächst abzuklären haben, welche Pflege wir denn wollen. Pressemitteilungen, von wem auch immer, vermögen nicht darüber hinwegtäuschen können, dass wir offensichtlich seit Jahren ein "Finanzierungsproblem" haben und der "Pflegenotstand" so neu nun auch nicht wieder ist.

Entweder haben wir einen "Pflegenotstand" oder nicht; wenn dem so ist, dann müssen (!) wir auch darüber reden und ggf. den Bürgerinnen und Bürgern auch unangenehme Botschaften übermitteln. Die zentrale Frage also ist, wie der erhebliche Finanzaufwand zu stemmen ist, der sich aus einer wünschenswerten Pflege ergibt. Dazu reicht es m.E. aus, den derzeit maßgeblichen "state of the art" als Grundlage dafür zu nehmen, was eine "Pflege" lege artis kostet.

"Wünsche" spielen da zunächst eine untergeordnete Rolle, mal ganz davon abgesehen, dass es vielleicht ja auch im Interesse der beruflich Pflegenden liegen könnte, künftig für ein höheres Arbeitsentgelt, Weihnachtsgratifikationen oder längere Urlausbzeiten einzutreten. Ohne Frage hätte dies gewaltige Konsequenzen für die Personalkosten, die zur Zeit nicht absehbar wären, aber gleichwohl dann der Finanzierung bedürfen (vorausgesetzt, der Staat resp. die Solidargemeinschaft sei für die Arbeitsentgeltzahlung zuständig).

Mit "groben Schätzungen" und vagen Statements zum allgemeinen Pflegenotstand ist es derzeit nicht getan. Wir haben ein "schlichtes" Finanzierungsproblem zu lösen und da reicht es eben nicht zu, diesen Fragen mit Hinweis auf erst noch zu diskutierende Inhalte einer "würdevollen Pflege" auszuweichen. Diese Debatte kann und muss sicherlich parallel geführt werden, aber ganz aktuell stellt sich die Frage nach der Finanzierung, die sich im Zweifel in späteren Jahren wieder erneut stellen wird, da auch die Pflege im Begriff, pflegerische Fortschritte zu erzielen, die ggf. kostenintensiv sein werden (wie eben in der Medizin auch).
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Stellenschlüssel und die Personalbemessung

Beitrag von Rob Hüser » 17.11.2011, 19:40

Lutz Barth hat geschrieben: .... Entweder haben wir einen "Pflegenotstand" oder nicht; wenn dem so ist, dann müssen (!) wir auch darüber reden und ggf. den Bürgerinnen und Bürgern auch unangenehme Botschaften übermitteln. Die zentrale Frage also ist, wie der erhebliche Finanzaufwand zu stemmen ist, der sich aus einer wünschenswerten Pflege ergibt. Dazu reicht es m.E. aus, den derzeit maßgeblichen "state of the art" als Grundlage dafür zu nehmen, was eine "Pflege" lege artis kostet. ...
Auf die Schnelle noch mal:
Ja, wir haben seit Jahren einen Pflegenotstand, und der ist gut belegt. U.a. gibt es mehrere Studien des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung in Köln ( Prof. Isofort). Prof. Simon, Hannover, geht in seinen Fehlbedarfsberechnungen noch darüber hinaus.
Der Pflegekräftebedarf soll nicht in Wünschdirwas-Sendungen ermittelt werden, sondern anhand von Personalbemessungssystemen. Diese werden seit Jahren gefordert, aber die Politik hält sich zurück. Man weiß, dass mehr Personal nötig ist, hellt sich aber bedeckt.
Klar ist, dass die Berufsverbände / Gewerkschaften mehr Druck machen müssten. Dass sie das aber z.Zt. (noch) nicht tun, macht die Behebung des Pflegenotstandes nicht entbehrlich.
Mehr Personal kostet mehr. Das versteht sich. Die BürgerInnen sind auch bereit, dafür mehr Beitrag zu zahlen. Ich kenne niemanden, der nicht bereit wäre, für mehr gute Pflege /mehr Zuwendung auch tiefer in die Tasche zu greifen. Es sind einige Leute "da oben", die sagen, dass nicht mehr Geld aufgebracht werden könne. Und dazu gehören wohl vor allem die Arbeitgebervertreter. Politik sollen aber bitteschön die Volksvertreter machen und nicht die Arbeitgeber.

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Nachtrag

Beitrag von Lutz Barth » 17.11.2011, 19:49

Es sei mir noch gestattet nachzutragen, dass ich manchmal das Gefühl habe, dass wir es bei den Professionellen mit einer Gattung zu tun haben, die nicht von dieser Welt ist, zumindest aber unter "Artenschutz" zu stellen ist.

Mit Verlaub: Es ist in unserer Gesellschaft nicht ungewöhnlich, dass gerade Unternehmen sich auch Gedanken darüber machen müssen, wie sie ihre betriebliche Ziele erreichen, denn schließlich wollen diese auch Gewinne erwirtschaften, mal abgesehen davon, dass vielleicht später noch einmal ein "Gewinn besonderer Art" winkt.

Wo also liegt das Problem, zumal die Profession seit geraumer Zeit im Begriff ist, sich zu akademisieren? Wo sind denn all die Akademiker geblieben, wenn es darum geht, intelligente Personalbemessungssysteme zu entwickeln?

Pflege ist auch eine "Dienstleistung", für die sich ein Preis finden lässt und ich gewinne zunehmend den Eindruck, dass hier auf einem sehr hohen Niveau gejammert wird, wohlwissend darum, dass unter dem Tarnmäntelchen der "würdevollen Pflege" als Staatsziel sich finanzielle Rahmenbedingungen aushandeln lassen, über deren Notwendigkeit kein Nachweis zu erbingen ist.

Nun - vielleicht ist weniger ein "Pflege-TÜV" notwendig, als vielmehr eine jährliche Prüfung durch Wirtschaftsprüfergesellschaften, die zugleich einige wichtige betriebswirtschaftliche Kennzahlen mit den Unternehmen erörtern und zwar jenseits eines "Pflegeethos", von dem zu träumen uns zwar gestattet ist, aber seine unmittelbare Grenzen an dem finanziell Machbaren erfährt!

Bei all dem verbleibt es aber dabei, ob die Pflegebranche noch mit "Kunden" - meinetwegen auch Klienten - in der Zukunft rechnen kann, wenn diesen im Gespräch bedeutet wird, dass die "Pflege nicht zum Nulltarif" zu bekommen ist und im Zweifel mehr als 5000.-- € monatlich kostet. Was glauben Sie, wird der Interessent hierzu wohl sagen?

Egal wie Sie es "drehen": Entweder hat der Kunde als "Selbstzahler" die Kosten zu schultern oder alternativ dazu das in einer "Pflegeversicherung" geschnürte Solidarpaket mit überschaubaren Beiträgen.

Im Übrigen scheint es mir dann auch legitim zu sein, künftig darüber zu wachen, ob die Pflegebranche mit den Solidarleistungen auch "wirtschaftlich angemessen" umgeht, denn es kann auf Dauer nicht die Lösung darin erblickt werden, ständig "Geld" in ein System zu pumpen, welches ggf. aufgrund mangelnder Unternehmertugenden "verbrannt" wird.
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Unternehmer sind gefordert!

Beitrag von Lutz Barth » 17.11.2011, 20:08

Verehrter Herr Hüser.

Ich entnehme Ihren Zeilen, dass sie davon ausgehen, dass wir es hier in erster Linie mit einem Problem zu tun haben, dass von den Politikern ignoriert wird.

Nun - wenn auch Wissenschaftler nicht dem Charme der "Wünsch-Dir-was-Sendungen" unterliegen, so stellt sich doch die Frage, warum die Pflege es nicht schafft, aus eigenem Antrieb ganz konkret die wirtschaftliche Situation des ganz konkreten Pflegeunternehmens nachvollziehbar und demzufolge transparent darzustellen, um dann in der Folge hierauf Entscheidungen gründen zu können?

Mit Verlaub: Ein Unternehmer, der auf Dauer seine Ziele nicht erreicht, sollte überlegen, ob er seinen Betrieb nicht einstellt.

Ich denke, in Teilen hat die Pflegebranche immer noch nicht verinnerlicht, dass die Pflege auch eine Dienstleistung ist, die am Markt erbracht wird und dass mit Einführung der Pflegeversicherung zugleich auch unternehmerische Tugenden gefragt sind, die insbesondere dann zum Tragen kommen müssen, wenn der "Preis" für die angebotene Dienstleistung nicht auskömmlich ist.

Ob allerdings die Bürgerinnen und Bürger bereit sind, die "an sich" geforderten Preise zu zahlen, halte ich doch zumindest für zweifelhaft und wenn wir dann den Grundsatz "ambulant vor stationär" ganz konkret in die Praxis umgesetzt wissen wollen, eröffnet sich ein gigantischer "Pflegemarkt" mit Blick auf einen derzeit noch "grauen Markt", auf dem dann Preise für eine Vollzeitpflege verhandelt werden, die als gerade noch "bezahlbar" betrachtet werden.
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Personalschlüssel in der Pflege - Ländervergleich

Beitrag von WernerSchell » 18.11.2011, 16:09

Siehe die Pressemitteilung des Paritätischen Sachen vom 02.11.2011:
Personalschlüssel in der Pflege - Ländervergleich
viewtopic.php?t=16630
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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thorstein
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Beitrag von thorstein » 21.11.2011, 08:39

Nun ist ja Neuss nicht sehr weit von Holland entfernt und ich würde gerne den Vorschlag machen, dass man sich einen holländischen Gesprächspartner sucht, der die Versorgungsstrukturen dort erklärt. Vielleicht würden sich dann einige Fragen in einem anderen Licht darstellen.

KPHNeuss
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Fragen

Beitrag von KPHNeuss » 21.11.2011, 09:04

thorstein hat geschrieben:Nun ist ja Neuss nicht sehr weit von Holland entfernt und ich würde gerne den Vorschlag machen, dass man sich einen holländischen Gesprächspartner sucht, der die Versorgungsstrukturen dort erklärt. Vielleicht würden sich dann einige Fragen in einem anderen Licht darstellen.
Welche Botschaft ist denn bloß in diesem Text versteckt? Wer will hier wem was sagen?
Für eine uneingeschränkt gute Pflege müssen wir alle eintreten - die Verfassung enthält die entscheidenden Wertegrundsätze: Die Menschenwürde ist unantastbar!

thorstein
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Beitrag von thorstein » 21.11.2011, 12:45

Interessant wäre auch ein Vergleich mit Ländern wie den Niederlande und Skandinavien. Dann hätte man einen Anhaltspunkt, wieviel Pflegeminuten für eine weitgehend mangelfreie Pflege tatsächlich notwendig wären.
Ein Vorschlag ist ein Vorschlag, mehr nicht.

Marlene Böttinger
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Pflegenotstand - Behebung kostet viel Geld !

Beitrag von Marlene Böttinger » 21.11.2011, 12:46

Lutz Barth hat geschrieben: Entweder haben wir einen "Pflegenotstand" oder nicht; wenn dem so ist, dann müssen (!) wir auch darüber reden und ggf. den Bürgerinnen und Bürgern auch unangenehme Botschaften übermitteln. Die zentrale Frage also ist, wie der erhebliche Finanzaufwand zu stemmen ist, der sich aus einer wünschenswerten Pflege ergibt. Dazu reicht es m.E. aus, den derzeit maßgeblichen "state of the art" als Grundlage dafür zu nehmen, was eine "Pflege" lege artis kostet.
... zuständig).
Mit "groben Schätzungen" und vagen Statements zum allgemeinen Pflegenotstand ist es derzeit nicht getan. Wir haben ein "schlichtes" Finanzierungsproblem zu lösen und da reicht es eben nicht zu, diesen Fragen mit Hinweis auf erst noch zu diskutierende Inhalte einer "würdevollen Pflege" auszuweichen. Diese Debatte kann und muss sicherlich parallel geführt werden, aber ganz aktuell stellt sich die Frage nach der Finanzierung, die sich im Zweifel in späteren Jahren wieder erneut stellen wird, da auch die Pflege im Begriff, pflegerische Fortschritte zu erzielen, die ggf. kostenintensiv sein werden (wie eben in der Medizin auch).
Hallo,
für wirkliche Kenner der Pflegeszene muss eine Diskussion über den Pflegenotstand, also über fehlende Personalstellen, nicht mit langatmigen Begründungen geführt werden. Es fehlen seit vielen Jahren in den Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen tatsächlich soviele Pflegekräfte, dass von erheblichen Patientengefährdungen gesprochen werden muss. Heute konnte man in Presseberichten nachlesen, dass die Todesfälle bei den "Bremer Frühchen" wohl auch mit einem Pflegekräftemangel zu tun haben. Denn er entlassene Klinichef hatte noch kurz vor den Todesfällen erheblichen Personalbedarf angemeldet, hatte dann aber angesichts der üblichen Erörterungen zurückgesteckt (so die Meldungen).
Klar ist, dass mehr Pflegekräfte auch mehr Geld kosten. Diese Mittel müssen voraussichtlich durch höhere Beiträge finanziert werden.
Ich kenne übrigens niemanden, der auch nur angedeutet hat, dass höhere Beiträge nicht finanzierbar seien. Die Menschen sind offensichtlich in einer breiten Mehrheit bereit, für bessere Pflege auch mehr Geld aufzubringen. Diese Bereitschaft sollte nicht zerredet werden.
Eigentlich ist auch schon geklärt, was gute Pflege bedeutet. Es ist nämlich die Pflege, die in Schulen gelehrt und in den entsprechenden Einrichtungen geübt wird. Es ist schlicht die Ausführung der pflegewissenschaftlichen Erkenntnisse, z.B. auch in Expertenstandards beschrieben.

MfG Marlene Böttinger
Pflege braucht Zuwendungszeit!

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Beitrag von thorstein » 21.11.2011, 13:31

Es fehlen seit vielen Jahren in den Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen tatsächlich soviele Pflegekräfte, dass von erheblichen Patientengefährdungen gesprochen werden muss.
Davon muss offensichtlich überhaupt niemand sprechen. Schauen wir in das Aktuelle Grundsatzprogramm der regierenden CDU:
Die von der Union eingeführte Pflegeversicherung hat sich bewährt. Sie muss auch in Zukunft einen verlässlichen Beitrag zur Absicherung des Pflegerisikos leisten und eine hohe Qualität von Betreuung und Pflege bieten.

Ziel ist es, ein real konstantes Niveau der Pflegeleistung
sicherzustellen und einen steigenden Zuzahlungsbedarf zu Lasten der Pflegebedürftigen, ihrer Angehörigen und der Sozialhilfeträger zu verhindern
http://www.grundsatzprogramm.cdu.de/doc ... ierbar.pdf

Ziel ist es also, auch in Zukunft die hohe Qualität von Betreuung und Pflege zu erhalten, d.h es gibt sie jetzt schon. Kein Pflegenotstand, keine Pflegemängel. Alles in Ordnung.
Dass die Mehrheit der Bevölkerung bereit sein soll, mehr Geld für die Pflege auszugeben, ist bei der CDU jedenfalls nicht angekommen.

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