Pflegedokumentaion - Abzeichnung im Voraus

Pflegespezifische Themen; z.B. Delegation, Pflegedokumentation, Pflegefehler und Haftung, Berufsrecht der Pflegeberufe

Moderator: WernerSchell

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daggi
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Pflegedokumentaion - Abzeichnung im Voraus

Beitrag von daggi » 23.03.2011, 21:36

Pflegedokumentation sind ja Urkunden im Sinne des § 267 StGB. Wenn im Durchführungsnachweis im Voraus die Grund und Behandlungspflege für die nächste Schicht oder für den nächsten Tag schon abgezeichnet wurden, ist das dann Urkundenfälschung oder nicht. Ist das strafbar?

Rita Reinartz
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Dokumentation im Voraus

Beitrag von Rita Reinartz » 24.03.2011, 07:20

Hallo daggi,

Eintragungen einschließlich Handzeichen im Voraus sind sicherlich nicht zulässig. Man müsste eigentlich hinterfragen, was damit bewirkt werden soll. Geht es um einen ersten Schritt zum Abrechnungsbetrug oder sollen die Vorauseintragungen nur zur Arbeitserleichterung dienen?
Werden alle Maßnahmen durchgeführt, wie vermerkt, ist die Dokumentation im Ergebnis richtig, also nicht falsch.
Ich fürchte, dass hier strafrechtliche Ermittlungen zu nichts führen. Um eine Antwort zu finden, müsste man auch die näheren Umstände kennen und die Einlassungen der Beteiligten einbeziehen.

Lb Grüße Rita
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Lutz Barth
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Pflegedokumentation - zeitnah dokumentieren

Beitrag von Lutz Barth » 24.03.2011, 08:56

Mich würde interessieren, von wem die Frage aufgeworfen wird? Vielleicht von einer Auszubildenden?

Das Problem der "Dokumentationspflicht" ist in der fachwissenschaftlichen, aber auch juristischen Literatur hinreichend erörtert und dürfte eigentlich keine nennenswerten Probleme mehr aufwerfen.

Es bleibt zu hoffen, dass die "Vorabeintragungen" nicht als ein Beitrag zur Entbürokratisierung der Pflege oder als "Arbeitserleichterungen" verstanden werden.
Es verbleibt bei dem Grundsatz, dass "zeitnah" zu dokumentieren ist, wenngleich auch die im Zweifel beabsichtigten und ggf. notwendigen pflegerischen Maßnahmen dokumentiert werden können, die ggf. in der kommenden Zeit pflegetherapeutisch zu berücksichtigen sind.

Instruktiv zur "Pflegedokumentation" aus rechtlicher Perspektive mit jeweils weiteren Nachweisen:

Die Pflegedokumentation aus haftungsrechtlicher Sicht, v. R. Roßbruch (Quelle: HTW-Saarland >>> http://www.htw-saarland.de/Members/robe ... tation.pdf <<< )

Rechtliche Bewertung der Pflegedokumentation, von J. Kamm (Quelle: Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen >>> http://www.stmas.bayern.de/pflege/stati ... tb-bew.pdf <<<)
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Pflegedokumentation - wer erstellt sie und wann ?

Beitrag von Rita Reinartz » 24.03.2011, 09:31

Hallo Lutz,
danke für die Hinweise. Natürlich sind die allgemeinen Rechtsgrundsätze zur Dokumentation klar.
Aber hier geht es wohl um einen Übelstand, von dem ich auch schon an anderer Stelle gehört hatte.
Die Dokumentation wird im Vorhinein erstellt, so dass, egal was dann vor Ort gemacht wurde, eine ordentliches Leistungsgeschehen verdeutlich wird.
Das ist so beanstandungswürdig und läuft möglicherweise auf den von mir bereits angedeuteten Betrug hinaus.
Gibt es zur Vorauserstellung einer Dokumentation denn auch erhellende Literatur?
Lb Grüße Rita
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Sinn und Zweck der Dokumentation

Beitrag von Lutz Barth » 24.03.2011, 14:36

Guten Tag, Frau Reinartz.

Nun - Ihre Bedenken sind mehr als angebracht, denn allein aus dem Sinn und Zweck der Dokumentation erschließt sich eine Antwort auf die insoweit aufgeworfenen Frage.

Spezielle Literatur zur konkreten Fragestellung ist mir derzeit nicht bekannt und ich denke - mal von begründeten Ausnahmesituationen abgesehen (etwa vorausschauende Pflegemaßnahmen, ggf. zu einem bestimmten Zeitpunkt, ggf. auch die Revision von Pflegediagnosen) - dürfte ein dezidierter Beitrag hierzu auch eher unwahrscheinlich sein, soll doch mit der Dokumentation jedenfalls nach dem überkommenen Begriffsverständnis das therapeutische (ebenso das anamnestische und diagnostische) Behandlungsgeschehen nach (!) entsprechender Behandlung/Pflege dokumentiert werden.

Gruß
L. Barth
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Pflegedokumentation und "Arbeitsrecht"

Beitrag von Lutz Barth » 24.03.2011, 15:49

Verletzung von Dokumentationspflichten und arbeitsrechtliche Konsequenzen

LAG Hamm, Urt. v. 10.05.07 (Az. 15 Sa 1991/06)


Das Dokument ist frei zugänglich!
>>> http://www.iqb-info.de/LAG_Hamm_Aenderu ... n_2007.pdf <<< (pdf.)
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Vorausdokumentation

Beitrag von thorstein » 25.03.2011, 00:00

Die Frage war, ob eine Vorabdokumentation eine Urkundenfälschung darstellt bzw. strafbar ist?

Wurde diese Frage beantwortet?

Würde sich eine Staatsanwaltschaft tatsächlich darüm kümmern, wenn man einen solchen Fall anzeigt?

Das eine Vorabdokumentation beanstandungswürdig sei und der Grundsatz der zeitnahen Dokumentation gilt, hilft da nicht wirklich weiter. Also: Strafbar oder nicht? Und wer wäre zuständig?

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Re: Vorausdokumentation

Beitrag von Rita Reinartz » 25.03.2011, 08:09

thorstein hat geschrieben: Die Frage war, ob eine Vorabdokumentation eine Urkundenfälschung darstellt bzw. strafbar ist?
Wurde diese Frage beantwortet?
Würde sich eine Staatsanwaltschaft tatsächlich darüm kümmern, wenn man einen solchen Fall anzeigt?
Das eine Vorabdokumentation beanstandungswürdig sei und der Grundsatz der zeitnahen Dokumentation gilt, hilft da nicht wirklich weiter. Also: Strafbar oder nicht? Und wer wäre zuständig?
Hallo,
wenn man eine Vorabdokumentation als vorbereitende Maßnahme versteht und das Schriftstück erst nach durchgeführten Pflegeleistungen als abgeschlossenes Werk erachtet, gibt es wohl kaum juristischen Sprengstoff. Dass sich für solche Vorgänge die Staatsanwaltschaft interessiert, ohne dass ein konkreter Straftatbestand wirklich nachvollziehbar berührt ist, kann ich mir nicht vorstellen.
Gleichwohl bleibt der Verdacht von Unrechtshandlungen im Raum.
Lb Grüße Rita
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Frage beantwortet!? - Aufklärungsbedarf ...

Beitrag von Lutz Barth » 25.03.2011, 17:06

Nun - die Frage kann aufgrund der Sachverhaltsmitteilung nicht hinreichend präzise beantwortet werden, sind doch hierzu Nachfragen erforderlich, um die Bandbreite möglicher Alternativgeschehensabläufe gerade im tatsächlichen Bereich abklären zu können.

Hierzu zählt selbstverständlich die Frage, was mit dem Begriff einer "Dokumentation" verbunden wird. Unterstellt, Frau Reinartz Verdacht würde sich bestätigen, liegt eine strafbare Handlung vor (so wohl die herrschende Lehre).

Die Frage ging dahin, ob es strafbar sei, wenn für die folgende Schicht "Grund- und Behandlungspflege" schon abgezeichnet worden ist. Nun - es bleibt der Fantasie eines jeden Einzelnen überlassen, hieraus - gemessen an dem Sinn und Zweck und der Tatsache, dass es sich hierbei um eine Urkunde handelt - seine entsprechenden Schlüsse zu ziehen.

Es spricht wohl ohne weitere Sachverhaltsinformationen einiges dafür, dass hier"einfach" der nächste Tag schon dokumentiert wird, ohne dass die entsprechenden Leistungen erbracht worden sind.
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Vorausdokumentation - Strafbarkeit nicht geklärt

Beitrag von thorstein » 25.03.2011, 18:59

Es spricht wohl ohne weitere Sachverhaltsinformationen einiges dafür, dass hier"einfach" der nächste Tag schon dokumentiert wird, ohne dass die entsprechenden Leistungen erbracht worden sind.
Darum geht es sicherlich nicht. Es geht um Zeitressourcen. Z.B. hat man im Spätdienst nach dem Kaffe Zeit zu dokumentieren, die einem am späten Abend, wenn die Hauptversorgung stattfindet, fehlt. Daher wird vordokumentiert, was am Abend dann erst geleistet wird. Ich kenne keinen Träger der so etwas erlaubt oder duldet. D.h. wenn die Mitarbeiter erwischt werden, droht eine Abmahnung. Was aber immer noch nicht die Frage nach der Strafbarkeit beantwortet.

Rita Reinartz
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Vorausdokumentation - Strafbarkeit nicht geklärt

Beitrag von Rita Reinartz » 25.03.2011, 19:33

thorstein hat geschrieben: .... Was aber immer noch nicht die Frage nach der Strafbarkeit beantwortet. ....
Hallo,
strafrechtliche Verantwortung hat immer etwas mit subjektiven Beweggründen zu tun. Diese müssten eigentlich sorgsam abgeklärt werden, um dann hinsichtlich einer Strafbarkeit mehr sagen zu können.
Daggi sollte vielleicht ihren Fragetext entsprechend erweitern.
Lb. Grüße Rita
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Pflegedokumention im Voraus erstellt

Beitrag von KPHNeuss » 26.03.2011, 08:41

Zur rechtlichen Beurteilung - Strafbarkeit ja oder nein - kann ich eigentlich nichts beitragen.
Ich habe nur vor einiger Zeit gehört, dass ein ambulanter Pflegedienst - wohl neu am Markt - einer Pflegekraft die ausgefüllte Dokumentation mit auf den Weg gab. Dahinter stand die Erwartung, sieh, wie du klar kommst, aber auf jeden Fall muss per Papier alles erledigt worden sein.

KPH Neuss
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Pflegedokumentation - zeitnah dokumentieren

Beitrag von Gaby Modig » 27.03.2011, 06:53

Guten Morgen!

Ich habe die Texte mit Interesse gelesen und kann nur beipflichten, dass das Vorwegdokumentieren nicht in Ordnung gehen kann. Es werden nämlich Eintragungen vorgenommen, die so noch nicht stimmen.
Allerdings sehe ich möglicherweise weniger strafrechtliche Neigungen, als vielmehr das Mühen, vorweg bürokratisch erscheinende Aufgaben zu erledigen. Dokumentationsaufgaben werden ja eigentlich nicht beim Aufwand berücksichtigt und werden damit leistungsrechtlichlich ignoriert. Das ist wohl der Hauptübelstand.

MfG Gaby
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@Thorstein

Beitrag von Lutz Barth » 27.03.2011, 14:33

Verehrter Thorstein.

Ihr neuerlicher Beitrag hier im Thread mag eine "Alternative" sein, wenngleich es Ihnen entgangen ist, dass ich (nachdem Sie mich zitiert haben) durchaus keinen Zweifel daran habe aufkommen lassen, dass ohne weitere Sachverhaltsinformationen sich dem unbefangenen Leser der Eindruck aufdrängen muss, als sei jedenfalls hier eine Dokumentation vorgenommen worden, die ein strafbares Verhalten nahelegen könnte.

Der Hinweis auf "Zeitressourcen" mag Ihnen persönlich einleuchten, verstellt allerdings den Blick auf die "entscheidungsrelevanten Fragen". Überdies erlaube ich mir einfach mal an dieser Stelle den Hinweis, dass Sie ggf. für sich selbst die "Strafbarkeit" entscheiden sollten und uns interessierten LeserInnen hier dann im Forum an Ihrer Entscheidung teilhaben lassen.

Fakt ist, dass der Fall aufgrund der durchaus spärlichen Informationen nicht hinreichend präzise beantwortet werden kann. Punkt um! Jeder Sachverhalt kann "aufgebläht" werden und so gesehen verwundert mich nun doch Ihr Hinweis auf die arbeitsrechtlichen Konsequenzen, die sich im Übrigen auch aus den o.a. Literaturhinweisen ergeben, andererseits aber offensichtlich keine Lösung für die Frage nach der Strafbarkeit parat halten.

Sei es drum. Es könnte hilfreich sein, wenn zusätzliche Informationen eingestellt werden.
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johannes
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Beitrag von johannes » 27.03.2011, 19:44

Eine Dokumentation im Voraus nennt man gemeinhin Pflegeplanung. Eine Dokumentation einer noch nicht erbrachten Leistung als erbrachte Leistung ist Betrug. So jedenfalls das schlichte Rechtsverständnis von normalen Menschen, die keine Rechtsverdreher sind.

Genau so verhält es sich mit der Dokumentation von Leistungen durch die Nachtschicht, die im Laufe des Tages vom Früh- oder Spätdienst erbracht wurden - oder auch nicht, nach dem Motto

"in der Spalte davor war ein Strich also muß da jetzt auch wieder einer hin."

Sowas nennt man in den MDK - Berichten dann Qualitätsmanagement, das mit guten Noten bewertet wird.
Ein Mensch funktioniert nicht - er lebt!

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