Medikation - Anordnung des Arztes

Pflegespezifische Themen; z.B. Delegation, Pflegedokumentation, Pflegefehler und Haftung, Berufsrecht der Pflegeberufe

Moderator: WernerSchell

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Mohrneitz
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Medikation - Anordnung des Arztes

Beitrag von Mohrneitz » 15.03.2011, 15:11

Frage zur ärztlichen Medikamentenanordnung:

Der Arzt hat bei Aufnahme des Pat im Aufnahmebogen dokumentiert: Clexanegabe s.c. 0,9 1x tgl wenn Ouick über 30 % ist.
Die Bluitentnahme am Aufnahmetag hat einen Wert von 31 % ergeben, eine erneute schriftliche Medikamentenanordnung in der Fieberkurve nach Kenntnisnahme des Wertes durch den Arzt ist nicht erfolgt.
Der Patient hat einen Apoplex nach ca. 40 Stunden ohne Clexanetherapie erlitten.

Meine Frage: kann die Pflegekraft rechtlich belangt werden, da sie kein Clexane verabreicht hat?

Über eine Rückmeldung würde ich mich sehr freuen
MfG mohrneitz

Rauel Kombüchen
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Handeln kann in Tun oder Unterlassen bestehen

Beitrag von Rauel Kombüchen » 15.03.2011, 17:58

Hallo,
wenn ich das richtig verstanden habe, hätte die Medikamentengabe erfolgen müssen. Die ärztlicherseits angenommene Situation war doch eigentlich eingetreten.
Ob jetzt jemand zur Verantwortung gezogen werden kann, ist eine andere Frage. Die Umstände, weshalb die Anordnung nicht befolgt wurde, müssen wohl zunächst aufgehellt werden. Gab es Instruktionsmängel? Wurden möglicherweise Fragen gestellt, die nicht beantwortet worden sind? Gab es Gründe, von der Medikamentengabe abzusehen? ...
Inwieweit dem Patienten durch die unterbliebene Medikation geschadet wurde, muss ebenfalls geklärt werden. Es kommt nämlich auf den ursächlichen Zusammenhang an.
Dann müsste im Zweifel noch unterschieden werden zwischen der zivil- und strafrechtlichen Verantwortung.
MfG Rauel
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Lutz Barth
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Nachfrage

Beitrag von Lutz Barth » 16.03.2011, 07:03

Nachfrage:

Gehe ich richtig in der Annahme, dass sich der "Fall" in einer stationären Altenpflegeeinrichtung zugetragen hat?
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Beitrag von Mohrneitz » 16.03.2011, 08:14

Nein, der Fall hat sich im Krankenhaus auf einer unfallch. Station zugetragen.

MfG Mohrneitz

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Medikationsprobleme

Beitrag von Rauel Kombüchen » 16.03.2011, 19:22

M.E. spielt es haftungsrechtlich allenfalls eine untergeordnet Rolle, wo sich der Medikationsfall ereignet hat.

R.K.
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Lutz Barth
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Haftungsanforderungen - Unterschiedlichkeiten bestehen

Beitrag von Lutz Barth » 17.03.2011, 17:43

Sehr geehrter Herr Kombüchen.

Leider befinden Sie sich in einem Irrtum, denn die Frage nach dem Träger hat durchaus seine haftungsrechtlichen Konsequenzen. Es liegt auf der Hand, dass die Haftungsregeln sich zwar ganz allgemein aus dem BGB ergeben (mal abgesehen von der Frage, ob hier ein Körperverletzungstatbestand aus strafrechtlicher Perspektive gegeben ist), gleichwohl aber durchaus mit Blick auf den Träger unterschiedliche Haftungsanforderungen resp. Haftungsmöglichkeiten bis hin zur sog. Exkulpation der Haftung des Trägers nach § 831 BGB angenommen werden müssen.

Angenommen, der Fall hätte sich in einer stationären Pflegeeinrichtung zugetragen, wären andere Haftungsmechnismen zu problematisieren, bis hin zu der Frage, ob und in welchem Umfange hier die Pflegefachkraft hätte von den Weisungen des (externen!) Arztes hätte abweichen dürfen, zumal es hinlänglich bekannt ist, dass ein Großteil der Pflegerechtler davon ausgeht, dass jedenfalls die Ärzte gegenüber dem Pflegepersonal in stationären Einrichtungen kein (!) Weisungsrecht hat! Insofern übernimmt der Träger eine ungleich höhere Verantwortung und dies muss freilich unter haftungsrechtlichen Gesichtspunkten betrachtet zu besonderen Verkehrssicherungspflichten führen (mithin also konkrete Verfahrensanweisungen, Fragen der Qualifikation etc.).

Sofern der Fall sich so zugetragen hat - wie oben geschildert - bestehen m.E. keinen nennenswerten Probleme, diesen rein gedanklich zu lösen. Auch wenn ganz allgemein davon ausgegangen werden kann, dass sich die Haftung beim Träger konzentriert, stellt sich die Frage, warum hier das Pflegepersonal eine eindeutige ärztliche Anordnung für den Bereich der Therapie (Pharmokotherapie) nicht befolgt hat und warum im Zweifel nicht Rücksprache gehalten wurde (dieses dürfte wohl gerade im Krankenhaus unproblematisch gewesen sein).

Im Übrigen haben Sie freilich recht in ihrer Annahme, dass hier zugleich die sog. Kausalitätsfragen von besonderem Interesse sind.

Sofern im Übrigen ein Körperverletzungstatbestand vorliegen sollte, bliebe noch zu erwähnen, dass eine weitere deliktische Haftungsnorm (§§ 823 II BGB i.V.m 223 StGB) im Zweifel als Anspruchsnorm für zivilrechtliche Schadensersatzansprüche einschlägig sein könnte.

Neben der sog. deliktsrechtlichen Haftung ist im Übrigen vorab die vertragliche Haftung zu prüfen.
Wir vertreten nicht immer die herrschende Lehre!

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Dokumentation der Anordnungen?

Beitrag von thorstein » 18.03.2011, 12:40

Hallo Mohrneitz,

zunächst müssen ja nach 40h ohne Clexane mehrere Pflegekräfte die Anordnung übersehen haben, oder?

Es stellt sich also die Frage, wie das gekommen ist. Liegt das an der Dokumentation der Anordnungen? Müsst ihr auf mehreren Dokumenten nachschauen (Aufnahmebogen, Fieberkurve..) welche Anordnungen gerade aktuell sind?

Wäre die Aktualisierung, bzw. erneute Anordnung auf der Fieberkurve durch den Arzt notwendig gewesen, oder ist es Aufgabe der Pflegefachkräfte, Anordnungen aus dem Aufnahmebogen zu überprüfen und zu aktualisieren?

Insofern scheint mir der Sachverhalt keinesfalls eindeutig zu sein. Als Pflegefachkraft muss ich die aktuellen Anordnungen für jeden Patienten zweifelsfrei und aktuell zur Verfügung haben, ohne in verschiedenen Dokumenten suchen zu müssen. Ansonsten sind Fehler vorprogrammiert, für die ich nicht die Verantwortung übernehemen würde.

Grüsse

Lutz Barth
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der Teufel steckt immer im Detail

Beitrag von Lutz Barth » 18.03.2011, 15:16

Ohne Frage "steckt der Teufel immer im Detail" und insofern kann der "Fall" - je nach Perspektive - durchaus eine andere haftungsrechtliche Wendung nehmen (die im Übrigen nicht nur materiell-rechtlich eintreten kann, sondern vor allem auch unter prozessualen Gesichtspunkten: Stichwort Darlegungs- und Beweislast).

Der Hinweis auf die Dokumentation ist für sich genommen ein wichtiger Aspekt; allerdings sind auch hier wieder Alternativen denkbar: unterstellt, die Dokumentation ergibt ein "undeutiges Bild", so fragt sich, ob es hier nicht der Pflegekraft obliegt, ggf. konkret nachzufragen (i.S. einer Remonstration), so dass ein Absehen hiervon durchaus auch als Obliegenheitsverletzung resp. Sorgfaltspflichtenverstoß i.S. eines "Übernahmeverschuldens" gewertet werden könnte. Andererseits fragt sich, ob es in der Klinik entsprechende Verfahrensanweisungen (sprich Organisationsanweisungen) gibt, wie nach der Erstdiagnose und einer entsprechenden Medikation zu verfahren ist, zumal die Diagnose und die Medikation als ärztliche therapeutische Maßnahmen die ärztliche Primärpflicht kennzeichnen und insofern der Arzt auch zur Revisionsentscheidung nicht nur befugt, sondern auch verpflichtet ist. Dies gilt in einem besonderen Maße auch für die Medikation, bei der der Arzt eine Verlauf- und Erfolgsbeurteilung arztrechtlich schuldet.

Gehen wir allerdings davon aus, dass hier die Pflegekraft schlicht der ärztlichen Anordnung nicht Folge geleistet hat, kann sich dies freilich haftungsbegründend auswirken, mal ganz von den arbeitsrechtlichen Konsequenzen und einem Versicherungsschutz aus einer Berufshaftpflichtversicherung (ggf. auch versichert durch den Träger) abgesehen.
Wir vertreten nicht immer die herrschende Lehre!

Rauel Kombüchen
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Haftungsanforderungen - ärztliche Verordnung beachten

Beitrag von Rauel Kombüchen » 20.03.2011, 08:19

Lutz Barth hat geschrieben: ..... Leider befinden Sie sich in einem Irrtum, denn die Frage nach dem Träger hat durchaus seine haftungsrechtlichen Konsequenzen. ....
Hallo Herr Barth,
ich denke, dass ich die Haftungsproblematik schon richtig einschätze. Selbstverständlich spielen immer die Einzelumstände eine Rolle, zumal es verschiedene Anspruchsgrundlagen und Sorgfaltserwägungen gibt.
Auch wenn die Pflegekräfte in einer Pflegeeinrichtung nicht direkt den arbeitsrechtlichen Weisungen des von außen kommenden Arztes unterliegen, ist in aller Regel per Vereinbarung mit dem Träger eine Verpflichtung für das Personal gegeben, den Verordnungen zu entsprechen. Wenn es insoweit Hindernisse gibt, wäre dies zu problematisieren. Im Kern liegen also die Verhältnisse ähnlich der Situation, wo der Arzt direkt als Fach-Vorgesetzter agiert.
mfG Rauel Kombüchen
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