Neuroleptika - Ruhe auf Rezept

Pflegespezifische Themen; z.B. Delegation, Pflegedokumentation, Pflegefehler und Haftung, Berufsrecht der Pflegeberufe

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Neuroleptika - Ruhe auf Rezept

Beitrag von Service » 07.02.2009, 12:19

Neuroleptika - Ruhe auf Rezept
Von Christina Gerth | © DIE ZEIT, 05.02.2009 Nr. 07

Schlagworte: Altenbetreuung Alte Pflege Gesundheit

In deutschen Altersheimen werden zu viele Psychopharmaka verabreicht. Die Medikamente schaden oft mehr, als sie nützen.

....
Neuroleptika sind riskante Arzneimittel – erst recht für Alte

...(mehr)
http://www.zeit.de/2009/07/N-Neuroleptika

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Behandlung Demenzkranker - Ruhig gestellt mit Neuroleptika

Beitrag von Presse » 16.10.2009, 15:23

Behandlung Demenzkranker - Ruhig gestellt mit Neuroleptika

Immer mehr Demenzkranke müssen Neuroleptika schlucken,obwohl sie gravierende Nebenwirkungen haben können: erhöhte Schlaganfallgefahr, Diabetes und Kreislaufprobleme.

VON MARIA HAENSCH

BERLIN taz | Sie verkürzen das Leben und werden trotzdem immer häufiger verschrieben: Nervendämpfungsmittel, sogenannte Neuroleptika. Erhöhte Schlaganfallgefahr, Diabetes und Herz-Kreislauf-Probleme sind nur einige der Nebenwirkungen. Normalerweise behandeln Ärzte mit den Neuroleptika Psychosen. Doch auch immer mehr Demenzpatienten müssen sie schlucken. .... (mehr)
http://www.taz.de/1/zukunft/wissen/arti ... roleptika/

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Neuroleptika

Beitrag von Presse » 15.06.2011, 12:07

BARMER GEK Arzneimittelreport 2011
Fragwürdige Verordnungen für Frauen, Demente und Alkoholabhängige


Berlin - Bedenkliche Trends stehen im Mittelpunkt des neuen BARMER GEK Arzneimittelreports: Demnach erhalten knapp 14 Prozent der alkoholabhängigen Menschen in Deutschland starke Schlafmittel mit hohem zusätzlichen Suchtpotential verordnet. Jeder dritte Demenzkranke bekommt regelmäßig starke Beruhigungsmittel – trotz erhöhtem Sterblichkeitsrisiko. Und fast die Hälfte der 20 absatzstärksten Antibabypillen des Jahres 2010 enthalten neuartige Hormone mit einem doppelt so hohen Thromboembolierisiko wie bewährte ältere Präparate.

Der Autor der Studie, Professor Gerd Glaeske vom Zentrum für Sozialpolitik der Universität Bremen, sieht die Entwicklung mit Sorge: „Sowohl bei neuen patentfähigen Antibabypillen, bei Neuroleptika für demenzkranke Menschen als auch bei Benzodiazepinen für alkholkranke Menschen gibt es seit Jahren klare Gegenanzeigen und Warnhinweise. Trotzdem wird weiter in kritischer Größenordnung verschrieben.“

Ausgabentreiber und Einsparpotentiale

Mit Blick auf die in den vergangenen Monaten zurückgehenden Arzneimittelausgaben bemerkt der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der BARMER GEK, Dr. Rolf-Ulrich Schlenker: „Die Arzneimittelgesetzgebung 2010 hat die Ausgabenzuwächse etwas gedrosselt. Gleichwohl beobachten wir eine beinah ungebremste Dynamik im Bereich der Biologicals. Hier liegen die Umsatzsteigerungen bei den Top-Sellern auch in den ersten vier Monaten 2011 über 10 Prozent. Wir müssen unbedingt die Erfolgsgeschichte der Generika wiederholen und die Biosimilars breiter einsetzen.“

Tatsächlich erzielten die so genannten Biologicals (gentechnisch hergestellte Spezialpräparate z. B. gegen Rheuma, Multiple Sklerose, Krebs) im Jahr 2010 Steigerungsraten zwischen 8 und 17 Prozent – trotz Kosten dämpfender Maßnahmen. Hier liegen die Jahrestherapiekosten häufig im fünfstelligen Bereich. Entsprechend asymmetrisch fällt das Ausgabenprofil aus: Auf 0,84 Prozent aller Versicherten entfallen 30 Prozent der Arzneimittelausgaben.

Pharmaexperte Glaeske macht noch erhebliche Einsparpotentiale aus. „Allein eine Steigerung der Generikaquote von heute 85 auf 90 Prozent verspricht Einsparungen von 500 Millionen Euro jährlich.“ Im Jahr 2010 habe der Einsatz von Nachahmerpräparaten rund 10 Milliarden Euro eingespart. Für die Nachahmer der Biologicals, die sogenannten Biosimilars, sieht Glaeske zusätzliche Einsparpotentiale zwischen 20 und 25 Prozent. Dabei liegen Hoffnungen auf Verordnungsquoten für Biosimilars. Glaeske: „Als effiziente und qualitätssichernde Instrumente der Kostensteuerung werden Biosimilar-Quoten auf KV-Ebene immer wichtiger, das machen auch die regionalen Verordnungsanalysen des Reports deutlich.“

Versorgungsstrukturgesetz als Wettbewerbsbremse

Gleichzeitig bemängelt Kassenvize Schlenker einige finanzielle Risiken und wettbewerbsschädliche Bestimmungen im aktuellen Referentenentwurf zum Versorgungsstrukturgesetz. Die neue spezialärztliche Versorgung sei grundsätzlich zu begrüßen. Ohne Bedarfsplanung und Mengensteuerung könne dieser Bereich aber schnell zum Kostentreiber sowohl bei den Honoraren als auch in der Arzneimittelversorgung avancieren. Besonders kritisch bewertet Schlenker die geplanten aufsichtsrechtlichen Einschränkungen im selektivvertraglichen Bereich: „Seit Jahren schließen wir individuelle Verträge zur integrierten Versorgung, zuletzt auch mit der Pharmaindustrie. Im Falle bundesweiter IV-Verträge sollen diese Vereinbarungen künftig mit maximal 17 Aufsichtsbehörden abgestimmt werden. Hier muss im Gesetzgebungsverfahren unbedingt nachgebessert werden. Sonst wird das zarte Pflänzchen Vertragswettbewerb schnell verdorren.“

Alle Informationen inkl. Audio-File in mp3-Format auf
http://www.barmer-gek.de/presse

Ausgewählte Ergebnisse

Benzodiazepine bei Alkoholabhängigkeit:

Der Anteil aller weiblichen Versicherten mit einer Schlafmittel-Verordnung aus der Familie der Benzodiazepine lag 2010 bei sechs, bei männlichen Versicherten bei vier Prozent. Unter den Versicherten mit einer diagnostizierten Alkoholabhängigkeit wurden indes rund 12 Prozent der Männer und 18 Prozent der Frauen Benzodiazepine verordnet. Patienten erhalten diese Schlafmittel häufig im klinischen Alkoholentzug, allerdings auch danach zur Behandlung von Schlafstörungen und Angstsymptomen. Für einen längerfristigen Einsatz bei Alkoholabhängigkeit gelten diese Medikamente wegen des eigenen Suchtpotentials und der Verstärkung der beruhigenden und antriebshemmenden Effekte von Alkohol (Gangunsicherheit, Hang-over-Effekte, kognitive Einschränkung, Fahruntüchtigkeit, Sturz- und Unfallgefahr) allerdings als ungeeignet. Konservative Schätzungen gehen von rund 1,6 Millionen alkoholabhängigen Menschen in Deutschland aus.

Neuroleptika:

Demenzkranke erhalten sechsmal häufiger Neuroleptika als Patienten ohne Demenz. Gleichzeitig ist seit Jahren bekannt, dass Demenzkranke nach Einnahme von Neuroleptika eine 1,6- bis 1,7-fach erhöhte Sterblichkeitsrate gegenüber der Placebogruppe aufweisen. Gesundheitsexperte Glaeske: „Hier erhält eine Patientengruppe mit erhöhtem Sterblichkeitsrisiko Medikamente, deren Wirksamkeit teilweise nicht belegt ist und deren Folgen bei Langzeitgabe weithin ungeklärt bleiben."

Antibabypille:

Gut 50 Jahre nach Einführung der Antibabypille ist die hormonelle Verhütung Standard. Regionale Erhebungen demonstrieren eine eindrucksvolle Verbreitung. Je nach Region erreicht die Verordnungsrate unter 12- bis 15-jährigen Mädchen bis zu 16 Prozent. Unter den 16- bis 19-jährigen Frauen variiert der Verordnungsanteil zwischen 47 und 74 Prozent. Umso fragwürdiger, dass viele neuere Präparate, auch Top-Seller, ein vergleichsweise hohes Thromboembolierisiko aufweisen. Frauen im gebärfähigen Alter, die keine Antibabypille einnehmen, haben ein Risiko von 3 bis 5 pro 100.000 Frauenjahre. Mit den Pillen der 2. Generation steigt das Risiko auf rund 20 pro 100.000 Frauenjahre. Bei den neuesten Pillen der dritten Generation kommt es nach aktueller Studienlage bei gleich guter Wirksamkeit und Zuverlässigkeit zu einer Verdopplung oder gar Verdreifachung des Risikos gegenüber den älteren Präparaten der zweiten Generation. Pharmaexperte Glaeske: „Erprobte Pillen der zweiten Generation bleiben die Mittel der Wahl, bei allen anderen Pillen sind die Risiken höher oder schwer abschätzbar."

Regionale Verteilung Biosimilars:

Bei den Biosimilar-fähigen Biologicals fallen starke regionale Unterschiede auf. Der Biosimilar-Anteil beim Biological Epoetin, das bei Nierenerkrankungen eingesetzt wird, variiert zwischen 16 und 69 Prozent (Saarland versus Bremen). Bundesweit liegt hier der Biosimilar-Anteil schon bei 52 Prozent. Dagegen liegt der Biosimilar-Anteil beim Biological Somatropin (Indikation: Minderwuchs) für ganz Deutschland erst bei knapp 5 Prozent, wobei in Rheinland-Pfalz bereits über 30 Prozent, in Bayern oder Niedersachsen aber gerade 1,3 bzw. 1,8 Prozent erreicht werden.

Quelle: Pressemitteilung vom 15.06.2011
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BARMER GEK Pressestelle
Athanasios Drougias (Ltg.), Tel.: 0800 33 20 60 99 1421
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Demenzkranke - Medikation verbessern !

Beitrag von WernerSchell » 18.06.2011, 16:16

Siehe auch die Pressemitteilung vom 18.06.2011 - Demenzkranke - Medikation verbessern - unter
viewtopic.php?t=15951
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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johannes
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Beitrag von johannes » 18.06.2011, 19:03

Die These

Neuroleptika - Ruhe auf Rezept

halte ich für fragwürdig. Regelmäßig wird von den Heimaufsichten abgefragt, ob Neuroleptika zur Ruhigstellung des Patienten verordnet werden, da dies nicht zulässig ist - es bedarf hierzu einer richterlichen Genehmigung! Gleichzeitig werden bei den Heimbegehungen die Medikamentenblätter kontrolliert, Ärzte über die Indikation befragt.

Was also soll diese Thematisierung?
Ein Mensch funktioniert nicht - er lebt!

thorstein
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Beitrag von thorstein » 18.06.2011, 21:17

Regelmäßig wird von den Heimaufsichten abgefragt, ob Neuroleptika zur Ruhigstellung des Patienten verordnet werden, da dies nicht zulässig ist - es bedarf hierzu einer richterlichen Genehmigung!
Einen richterlichen Beschluss brauche ich selbstverständlich nur, wenn die Medikation als freiheitsentziehende Massnahme angeshen wird. Zur "Verhütung" einer Unruhe brauche ich diesen Beschluss ja gerade nicht, weshalb es es die Standardindikaktion für Neuroleptika darstellt.

Fakt ist, dass die Heimaufsichten einen Nachtdienstschlüssel von 1/50 für akzeptabel halten. Das dies ohne ruhezeitverlängernde Neuroleptika funktionieren soll, müßte die Heimaufsicht erst einmal nachweisen.

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Medikamente - weniger ist oft mehr

Beitrag von Gaby Modig » 22.06.2011, 06:51

Hallo,

die unbefriedigende medikamentöse Versorgung der HeimbewohnerInnen ist doch allgemein bekannt. Da muss man doch nicht irgendetwas irgendetwas rechtfertigen wollen.
Mit Medikamenten wird meist zu leicht herumhantiert. Pflegekräfte fordern Medikamentenverordnungen an, Ärzte verordnen entsprechend. Bezüglich der Ruhigstellung ist nur die Indikation "Freiheitsentziehung" genehmigungspflichtig. Wenn es eine medizinische Indikation gibt, geht alles ganz einfach.
Daher muss das gesamte Medikationsgeschehen hinterfragt werden. Ich begrüße daher auch die Pressemitteilung von Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk vom 18.06.2011 sehr:
http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwe ... kation.php

MfG Gaby
Pflegesystem verbessern - weg von der Minutenpflege. Mehr Pflegepersonal ist vonnöten!

thorstein
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Beitrag von thorstein » 22.06.2011, 08:35

Mit dieser Pressemitteilung kann ich so leider nichts anfangen. Wir dürfen die Probleme nicht isoliert betrachten. Was sind denn pflegeerleichternde Massnahmen? Im Grunde genommen wird hier unterstellt, dass sich die Pflege die Arbeit leichter machen will. Geht es tatsächlich darum?

Bleiben wir bei meinem obigen Beispiel: 2 Pflegekräfte in der Nacht für 100 BewohnerInnen. Bei etwa einem Drittel (sehr grobe Schätzung) kommen Neuroleptika zum Einsatz, um die Nachtruhe zu verlängern. Alternative: ca. 30 wache demente BewohnerInnen,verteilt auf drei oder vier Stockwerke, für die keine ausreichende Betreuung oder Aufsicht vorhanden ist. Wenn das mit pflegerleichternd gemeint ist, dann von mir aus.

Und tun wir bitte nicht so, als ob das neue Erkenntnisse wären. Alle Beteiligten kennen die Zustände seit Jahren, an vorderster Stelle MDK und Heimaufsichten, die regelmässig an den Dienstplänen nichts auszusetzen haben.

Herbert Kunst
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Medikation in Heimen gehört auf den Prüfstand

Beitrag von Herbert Kunst » 22.06.2011, 15:57

thorstein hat geschrieben: ...Mit dieser Pressemitteilung kann ich so leider nichts anfangen. Wir dürfen die Probleme nicht isoliert betrachten. Was sind denn pflegeerleichternde Massnahmen? Im Grunde genommen wird hier unterstellt, dass sich die Pflege die Arbeit leichter machen will. Geht es tatsächlich darum?
Bleiben wir bei meinem obigen Beispiel: 2 Pflegekräfte in der Nacht für 100 BewohnerInnen. Bei etwa einem Drittel (sehr grobe Schätzung) kommen Neuroleptika zum Einsatz, um die Nachtruhe zu verlängern. Alternative: ca. 30 wache demente BewohnerInnen,verteilt auf drei oder vier Stockwerke, für die keine ausreichende Betreuung oder Aufsicht vorhanden ist. Wenn das mit pflegerleichternd gemeint ist, dann von mir aus.
Und tun wir bitte nicht so, als ob das neue Erkenntnisse wären. Alle Beteiligten kennen die Zustände seit Jahren, an vorderster Stelle MDK und Heimaufsichten, die regelmässig an den Dienstplänen nichts auszusetzen haben.
Hallo Herr thorstein,
ich denke, dass die Pressemitteilung von Pro Pflege ... eindeutig ist. Es wird nämlich unter Bezugnahme auf aktuelle Studien etc. aufgezeigt, dass die Medikamentation bei älteren Menschen, v.a. in den Heimen, zu überprüfen und zu korrigieren ist. Dabei bleibt die Feststellung richtig, dass viele Unzulänglichkeiten in der Vergangenheit auch schon bestanden. Dass darf aber nicht daran hindern, jetzt aktiv zu werden. Dies zumal auch deshalb, weil selbst die Ärzteschaft in jüngster Zeit Korrekturen angemahnt und sogar zu einer "KV-Initiative Pflegeheim" aufgerufen hat.
Pflegeerleichternde Maßnahmen kennt jeder, der in der Pflege unterwegs ist. Es geht u.a. in der Tat darum, dass bestimmte Pflegesituationen mit ruhigstellenden Medikamenten angegangen werden. Pflegekräfte, dass haben mir erst vor wenigen Tagen einige Leute von der "Pflegefront" nochmals bestätigt, rufen Ärzte an und fordern ggf. altimativ bestimmte Verordnungen. Das tun sie, da müssen wir uns vielleicht auch gleich verständigen, weil sie sich mangels ausreichender Personalbemessung manchmal nicht mehr anders zu helfen wissen. Ist ist in der Tat so, wie oben beschrieben. Der Personalmangel ist das eigentliche Problem!
Übrigens klagen Ärzte darüber, dass sie solchen Medikationsanforderungen oft entsprechen (müssen), weil sie sonst befürchten, ihre Kunden zu verlieren. Ärzte sagen nicht selten, dass sie dann, wenn sie nicht funktionieren, leicht "aussortiert" werden.
Auch wenn die hier beschriebenen Verhältnisse bekannt sein sollten, darf das nicht daran hindern, erneut und nachhaltig auf die Probleme aufmerksam zu machen.

Gruß
Herbert Kunst
Für menschenwürdige Pflege sind wir alle verantwortlich! - Dazu finde ich immer wieder gute Informationen unter http://www.wernerschell.de

Lutz Barth
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Verständnisfrage!

Beitrag von Lutz Barth » 23.06.2011, 14:12

Ich verstehe die Diskussion hier im Thread nicht; geht es nun um "Maßnahmen der Pflegeerleichterung" mittel der stets griffbereiten "familienfreundlichen 5 Liter Haldolflasche" oder um den Problemkreis der pharmakologischen Sorgfaltsanforderungen im Rahmen einer mutlikonditionalen Pharmakotherapie eines hochaltrigen multimorbiden Patienten oder vielleicht um beide Problembereiche?

In der Sache selbst sollten beide Problembereiche getrennt werden, da auch der "Pflegenotstand" keinesfalls "pharmakologische Fehlschläge" legtimieren kann!
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Rauel Kombüchen
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Pflegeerleichterung und Pflegenotstand

Beitrag von Rauel Kombüchen » 23.06.2011, 17:42

Hallo zum Feiertag!

Bei der Medikation gibt es wohl aus vielerlei Gründen Fehler. Einmal ist zu beanstanden, dass ohne gehörige medizinische Abwägung bzw. ohne ausreichende pharmakoligische Kenntnisse drauf los verordnet wird. Daher gab es wohl u.a. die Priscus-Liste, die aufzeigt, was so alles abläuft. Es geht also einmal darum, mehr Sorgfalt anzuwenden. Insoweit sind in erster Linie die Ärzte gefordert. Die medizinische Versorgung ist angesprochen.
Zum anderen geht es auch um die Not der Pflegekräfte, die ihr Arbeitspensum beim besten Willen nicht schaffen können. Daher an verschiedenen Stellen das "Pflegeprogramm reduzieren" müssen. Wenn man dann in diesem Zusammenhang einen mehr als unruhigen Demenzkranken, der ständig Aufsicht und Betreuung bedarf, ein wenig ruhig stellt, glaubt man, nicht geschadet zu haben und Zeit für andere Arbeiten frei zu haben. So ist das wohl. Das ist dann Pflegeerleichterung. Oder anders ausgedrückt, eine Maßnahme die Zeit für dringende andere Aufgaben frei macht. Pflegekräfte verlangen wohl nicht selten solche ruhigstellenden Medikamenteneinsätze. Sonst kommen sie nicht klar. Es versteht sich, dass solche Praktiken eigentlich nicht gebilligt werden können.
Natürlich sind auch in diesem Zusammenhang die Ärzte gefordert, die eigentlich mit medizinischer Sorgfalt die Sachverhalte abklären müssten. Auch sie nehmen sich nicht die Zeit. Und so sind die pflegebedürftigen Menschen am Ende die Betroffenen.

Das alles sind keine neuen Erkenntnisse. Aber offensichtlich nimmt das, obwohl mehr und mehr Wissen darüber verbreitet wird, kein Ende.

MfG Rauel
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Beitrag von Lutz Barth » 23.06.2011, 18:15

Sehr geehrter Herr Kombüchen,

ich verstehe Ihre Hinweise, aber aus der Sicht eines Juristen stellt sich nicht die Frage, "dass solche Praktiken eigentlich nicht gebilligt werden können".

Sie sind nicht zu billigen und stellen sich nicht nur als zivilrechtlich bedeutsame Haftungsereignisse dar, sondern sind in erster Linie auch strafrechtlich relevant, §§ 223 ff. StGB.

Ich weiß, dass diese meine Haltung manche Teilnehmern hier im Forum nicht gefällt, aber mit Verlaub: auch bezüglich der Medikationspraxis haben wir es nicht selten mit "hausgemachten" Problemen der Profession zu tun, die da im Begriff ist, über die Begriffskategorie des "herausfordernden Verhaltens" schlicht die "Pflege" in die Pflicht zu nehmen, ohne hierbei zu erkennen, dass die "Pflege in einem besonderen Maße u.a. durch die zu betreuenden dementen Bewohner herausgefordert ist", dies allerdings "nur" mit einem wirtschaftlich und personell vertretbarem Aufwand und im Übrigen aber die Bewohner ihrem individuellen Lebensrisiko ausgesetzt sind und bleiben (wegen der "Würde" freilich). "Freiheit" hat seinen Preis und sofern diese nicht aufgrund der Rahmenbedingungen eingelöst werden kann, erscheint es offensichtlich unverdächtiger, einige Bewohner beizeiten "etwas ruhig" zu stellen.

Thorstein hat ein Beispiel gebracht, dass von hieraus eigentlich "nur" noch dahingehend ergänzt werden soll, dass im Zweifel die immer wieder gebetsmühlenartig betonte Rede von "Freiheit" insbesondere der verhaltensauffälligen Bewohner dann besonders zynisch wird, wenn eben auch des Nachts Bewohner meinen, ihre potentiell geschützte Freiheit zur Fortbewegung aktiv in die Tat umsetzen zu wollen.

Dass hier die Ärzte in einem besonderen Maße gefordert sind, bedarf keiner Diskussion, wenngleich "am Tag danach" sich die pharmakologische Wirkung eines "pflegeerleichternden Medikaments" verflüchtig haben dürfte, zumal ja nicht damit zu rechnen ist, dass gerade ein Rechtsmediziner nach der entsprechenden Applikation vor Ort ist :roll:
Wir vertreten nicht immer die herrschende Lehre!

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Juristen sollten einmal die Lösungen aufzeigen

Beitrag von Rauel Kombüchen » 23.06.2011, 18:27

Lutz Barth hat geschrieben: .... ich verstehe Ihre Hinweise, aber aus der Sicht eines Juristen stellt sich nicht die Frage, "dass solche Praktiken eigentlich nicht gebilligt werden können". ....
Hallo,
es ist ja schon mal viel gewonnen, wenn grundsätzlich meine Anmerkungen verstanden wurden.
Nun sind an den Pflegebetten zum Glück keine Juristen unterwegs, sondern dafür ausgebildete Pflegekräfte und gelegentlich Ärzte.
Pflegekräfte sind aber nicht in ausreichender Zahl vorhanden, weil die Stellenschlüssel das nicht her geben. Sie müssen aber gleichwohl unter Beachtung des Sorgfaltsgebot ein Pflegepensum schaffen, das weitgehend Gefährdungen ausschließt.
Die Juristen sollten, wenn sie möglicherweise die besseren Ein- und Ansicht haben, einmal klar sagen, wie eine gute Pflege zu gewährleisten ist, wenn mit Rücksicht auf den Zeitaufwand nicht genügend Personal mit Pflegezeit verfügbar ist. Die Träger stellen unter Verweis auf die Stellenschlüssel auch nur soviele MitarbeiterInnen ein, wie auch refinanziert werden. Das muss man auch verstehen.
MfG Rauel
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Juristen sind gefragt?

Beitrag von Lutz Barth » 24.06.2011, 06:00

Nun - ich denke, dass es zur Professionalität eines jeden Berufsstandes gehört, ggf. Problem- und Konfliktlagen zu identifizieren und vor allem auch zu lösen. Die Pflege als Profession befindet sich seit Jahren auf einem Weg der Emanzipation und es wird anderenorts pathetisch vorgetragen, dass die Pflege "nur helfen will" und die Gesellschaft ihr das Vertrauen entgegenbringen möge.

Es ist wirklich nicht die Aufgabe eines Juristen, hier den "Berufsalltag" der Professionellen durchzuorganisieren, mal ganz davon abgesehen, welche Fachrichtung denn hier bei den Juristen angesprochen ist. Der Sozialrechtler wird im Zweifel auch auf die Grenzen des "Wirtschaftlichkeitsgebot" hinweisen wollen, der Haftngsrechtler auf die "Sorgfaltsmaßstäbe", die sich aus § 276 BGB i.V.m. dem "Heimvertrag" und ggf. "Heimgesetz" ergeben und bei all dem sollte freilich nicht eine "unternehmerische Tugend" vergessen werden, ggf. auch wirtschaftliche Risiken zu tragen. Eine vollständige Refinanzierung der Personalkosten kann wohl nicht das Ziel des unternehmerischen Handelns sein, mal ganz davon abgesehen, dass wir dann auch das Modell "Staatspflege" einführen können.

Vielleicht ließe sich ja die eine oder andere Stelle noch besetzen, freilich zu Lasten des Betriebsergebnisses vor Steuern!
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Führungskompetenzen

Beitrag von Lutz Barth » 24.06.2011, 06:08

Literaturhinweis:

Gesundheitseinrichtungen: Mangelnde Führungskompetenz

v. J. Flintrop, in Dtsch Arztebl 2011; 108(25): [79]; online unter Ärzteblatt.de >>> http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/art ... t&id=94308 <<< (html)

zum Thema
Zusammenfassung der Studienergebnisse

http://dgq.de/dateien/DGQ_ExBa_Gesundhe ... 110428.pdf
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