„Spitzengespräch“ der Oberethiker!

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Lutz Barth
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„Spitzengespräch“ der Oberethiker!

Beitrag von Lutz Barth » 16.04.2013, 05:44

Nun – dass die BÄK seit geraumer Zeit in ethisch brisanten Grundsatzfragen – wie etwa der Sterbehilfe – einen konservativen Kurs einschlägt, ohne hierbei den innerärztlichen Dialog etwa mit der bei ihr eingerichteten Zentralen Ethikkommission zu suchen, dürfte sich erneut nach der aktuellen Pressemitteilung der BÄK offenbaren.

„Der derzeit intensiv diskutierte „Gesetzentwurf zur Strafbarkeit der gewerbsmäßigen Förderung der Selbsttötung“ wurde von allen Gesprächsteilnehmern in der bestehenden Form kritisiert. Es bestand Einigkeit darüber, dass ein Verbot lediglich des gewerbsmäßigen, also gewinnorientierten Handelns im bisherigen Gesetzentwurf zu kurz greife, da eine solche Engführung den Eindruck erwecken könne, alle nicht kommerziellen Formen seien als legitim zugelassen. Alle Beteiligten hielten außerdem fest, dass eine Mitwirkung von Ärzten beim Suizid dem ärztlichen Ethos widerspreche und ethisch nicht zu rechtfertigen sei. Eine rechtliche Einschränkung der Garantenpflicht des Arztes wurde zurückgewiesen.“ (vgl. dazu die Mitteilung der BÄK v. 10.04.13 >>> http://www.bundesaerztekammer.de/page.a ... 1183.11193 <<<).

Mit Verlaub: Die Mitwirkung von Ärzten bei einem frei verantwortlichen Suizid eines Schwersterkrankten und Sterbenden widerspricht nicht per se dem ärztlichen Ethos. Hier scheint die BÄK „vergessen“ zu haben, dass mit der im Jahre 2011 erfolgten Novellierung der Grundsätze der BÄK zur ärztlichen Sterbebegleitung die verfasste Ärzteschaft einen entsprechenden Passus gestrichen hat und nunmehr darauf verweist, dass die Mitwirkung des Arztes bei der Selbsttötung keine ärztliche Aufgabe ist!

Offensichtlich liegt es in dem Bestreben der „Oberethiker“, das mit dem Verbot der ärztlichen Suizidassistenz in der Musterberufsordnung einstweilen zementierte ethische Zwangsdiktat „ethisch“ aufzuwerten, in dem – wie in der Vergangenheit – das ärztliche Ethos wieder bemüht wird.

Der Bundesärztekammer sei erneut dringend angeraten, den interprofessionellen Dialog mit renommiertem Medienethikern aus den eigenen Reihen zu suchen und insofern muss es nachdenklich stimmen, wenn keiner der Mitglieder der bei der BÄK eingerichteten Zentralen Ethikkommission bei dem „Spitzengespräch“ offensichtlich zugegen war!

Dass die verfassten Amtskirchen keinen „Kurswechsel“ vornehmen, überrascht keineswegs und insofern wähnten sich die ethischen Hardliner der BÄK in bester Gesellschaft. Indes aber gilt darauf hinzuweisen, dass die freie Ärzteschaft keiner ethischen Oberlehrer bedarf und in erster Linie ihr Gewissen befragen sollte, ob sie denn eine ärztliche Suizidassistenz im Einzelfall für vertretbar erachten.

Abermals mit Verlaub: Insbesondere das Präsidium der BÄK muss sich den Vorwurf gefallen lassen, einen konstruktiven Dialog mit den kritischen Stimmen aus den eigenen Reihen erkennbar nicht führen zu wollen, obgleich doch die Kritiker des arztethischen Zwangsdiktats in der ärztlichen Musterberufsordnung mit wohlgesetzten Worten darauf hinweisen, dass der von der BÄK verfolgte ethische Ansatz erheblich zu kurz greift.

Auch das Präsidium der BÄK sollte „gelegentlich“ profunden Sachverstand zur Kenntnis nehmen, zumal dieser in den eigenen Reihen durchaus vorhanden ist. Nicht jedem Ärztefunktionär erschließen sich ohne weiteres die gewichtigen Spannungslagen zwischen Ethik und Recht, mal ganz davon abgesehen, dass es mir persönlich unerträglich ist, wenn auf Initiative einer eigenen Standesvertretung hin ethische Zwangsdiktate „verabschiedet“ werden.

Es bleibt zu hoffen, dass namhafte Persönlichkeiten der BÄK zur gebotenen Einsicht gelangen und sich nicht weiter als „ethische Oberlehrer“ gerieren, ohne über profunde Sachkenntnisse zu verfügen.
Das „vornehme Geschwätz“ in den sog. Sonntagsreden ersetzt beileibe keinen rationalen Diskurs über die Frage, ob und inwieweit die Ärztekammern in das Grundrecht etwa der Berufs-und Gewissensfreiheit ihrer Kolleginnen und Kollegen eingreifen können!

Die BÄK ist bisher einer dogmatisch und rechtsethisch vertretbaren Argumentation schuldig geblieben und setzt vielmehr darauf, dass irgendwann einmal ein „staatliches Obergericht“ die Frage entscheiden wird, ungeachtet der Tatsache, dass das „Grundgesetz der ärztlichen Sittlichkeit“ ohnehin mit der Zulässigkeit des Schwangerschaftsabbruchs ein „ärztliches Töten“ legitimiert und in die freie und verantwortungsvolle Gewissensentscheidung eines Arztes stellt!

Warum soll dies bei der Mitwirkung eines Arztes bei einem frei verantwortlichen Suizid anders sein?

Ein Schulterschluss mit den Kirchen kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die BÄK mit ihrer inquisitorisch anmutenden Geistes- und Werthaltung dazu beiträgt, dass der ungeheuerliche Irrglaube genährt wird, als seien einige (wohl immerhin ein Drittel) der ärztlichen Kolleginnen und Kollegen „moralisch und arztethisch verroht“.

Die BÄK ist mit ihrer ethischen Grundsatzentscheidung beileibe nicht das Maß aller Dinge, wie uns ein Blick in die entsprechenden ärztlichen Berufsordnungen der einzelnen Länder zeigt. Ein allgemein gültiges „Grundgesetz ärztlicher Sittlichkeit“ gibt es nicht, mag auch der Wunsch der Vater des Gedankens bei der BÄK mit ihrem seinerzeitigen Initiativvorschlag zum Verbot der ärztlichen Suizidassistenz gewesen sein. Zugespitzt formuliert: Das Präsidium der BÄK sollte sich etwas mehr bescheiden und sich nicht im Nachhinein den berechtigten Vorwurf gefallen lassen müssen, ihre Kolleginnen und Kollegen mit ethischen Zwangsdiktaten bevormundet zu haben!
Wir vertreten nicht immer die herrschende Lehre!

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