77 Prozent der Bevölkerung für ärztliche Freitodhilfe

Rechtsbeziehung Patient – Therapeut / Krankenhaus / Pflegeeinrichtung, Patientenselbstbestimmung, Heilkunde (z.B. Sterbehilfe usw.), Patienten-Datenschutz (Schweigepflicht), Krankendokumentation, Haftung (z.B. bei Pflichtwidrigkeiten), Betreuungs- und Unterbringungsrecht

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Lutz Barth
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77 Prozent der Bevölkerung für ärztliche Freitodhilfe

Beitrag von Lutz Barth » 11.09.2012, 07:04

77 Prozent der Bevölkerung für ärztliche Freitodhilfe

DGHS stellt aktuelle Forsa-Umfrage vor

(dgpd Berlin) Die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) e.V. hat das Meinungsforschungsinstitut Forsa mit einer Umfrage zum Thema „(Ärztliche) Sterbebegleitung in Deutschland“ beauftragt. In dem Erhebungszeitraum 27. bis 29. August 2012 wurden 1.003 Personen ab 18 Jahren befragt.

77 Prozent aller befragten Bundesbürger sind der Meinung, dass es Ärzten grundsätzlich erlaubt sein sollte, Schwerstkranke beim Freitod zu unterstützen. 19 Prozent sprechen sich dagegen aus. Es fällt auf, dass bei der Gruppe der 45-55-Jährigen mit 85 Prozent die höchste Zustimmung gegeben ist. Die Jüngeren im Alter zwischen 18 bis 29 Jahren sowie die Katholiken äußern eher Vorbehalte gegen eine solche Form ärztlicher Sterbehilfe.

69 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass jeder Arzt nach seinem Gewissen selbst entscheiden können sollte, ob er Schwerstkranken beim und zum Freitod hilft. 22 Prozent sind dagegen.

Die Ergebnisse geben Aufschluss über ein Thema, das die Öffentlichkeit wegen des bevorstehenden Verbotes der gewerbsmäßigen Beihilfe zur Selbsttötung bewegt: Wie kann Sterben für jene Patienten erleichtert werden, die aufgrund ihrer terminalen Erkrankung oder schwersten Leiden mit Hilfe eines Arztes aus dem Leben scheiden möchten.

Im Kern wird deutlich: Ärztliche Freitodbegleitung für Schwerstkranke ist kein Tabu mehr. Im Gegenteil. Die überwiegende Mehrheit der deutschen Bevölkerung wünscht sich diese Möglichkeit. Die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben setzt sich seit 30 Jahren dafür ein, dass die Würde des Menschen auch in der letzten Lebensphase unantastbar bleibt. Dazu gehört nach ihrer Auffassung auch das Recht der Bürger, ihr eigenes Leben und Sterben selbstbestimmt abzukürzen oder mit Hilfe eines Arztes abkürzen zu lassen. Dabei geht es nicht um aktive Sterbehilfe, die in Deutschland strafbewehrt ist, sondern um Fälle, in denen der Arzt z. B. ein suizidgeeignetes Medikament zur Verfügung stellt, das der Patient selbst einnehmen kann.


Mehr Details zur Forsa-Umfrage auf www.dghs.de
Quelle: DGHS, Pressemitteilung v. 10.09.12 >>>http://www.dghs.de/presse/pressemitteil ... hilfe.html <<< (html)
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Wenn "Umfragen" verschwiegen werden!

Beitrag von Lutz Barth » 17.09.2012, 08:02

Das „Schweigen“ der Experten: Wenn Umfragen zur Sterbehilfe „unterschlagen“ werden!

Der vermeintliche Diskurs zur Sterbehilfe zeichnet sich durch einen bemerkenswerten „Tiefgang“ aus, bei dem die führenden Meinungsmacher in Sachen Arztethik weniger durch das gebotene Maß an Rationalität in der Diskussion brillieren als vielmehr durch zuweilen pathetisch vorgetragene Sonntagsreden über die Ethik und Moral im Allgemeinen und die Arztethik im Besonderen.

Derjenige, der da glaubt, die Debatte um den frei verantwortlichen Tod sei auf dem besten Wege, enttabuisiert zu werden, muss angesichts der meisten Statements der sog. Experten schier verzweifeln.

Alle vermeintlichen und selbsternannten Ethikexperten und allen voran die „Moralapostel“ in unserer Gesellschaft scheinen sich jedenfalls darin einig zu sein, die Meinung des Volkes beharrlich nicht zur Kenntnis nehmen zu müssen und von daher erscheint es auch nur folgerichtig zu sein, mit keiner Silbe die von der DGHS in Auftrag gegebene und ganz aktuell veröffentlichte Forsa-Umfrage zur Problematik der ärztlichen Suizidbeihilfe (vgl. dazu DGHS >>> http://www.dghs.de/fileadmin/user_uploa ... 2012-w.pdf <<<) zu erwähnen.

Nun – der Tod soll eben unorganisiert bleiben, damit die Oberethiker in unserem Lande weiterhin ihre Ziele mit ihrer Mission verfolgen können und da drängt sich schließlich der Verdacht auf, dass es wohl auch hierzulande angeraten wäre, eine Verbotsregelung - wie in Österreich - auf den Weg zu bringen, die in besonderer Weise als Ausdruck und Wertschätzung des „Lebens als höchstes und nicht verfügbares Gut“ gewertet werden könnte.

Einzig des Volkes Meinung muss dabei den Oberethikern in unserem Lande ein echter „Dorn im Auge sein“, zumal in Kenntnis dessen, dass die Meinung des Volkes seit Jahren mehr als hinreichend klar ist!
So gesehen macht es denn auch Sinn, rein vorsorglich nicht in den allgemeinen Presseberichten auf die aktuelle Forsa-Umfrage der DGHS hinzuweisen, mal ganz davon abgesehen, dass auch den Oberethiker zugestanden sei, dass diese freilich nach kognitiver Stabilität streben und so es tunlichst vermeiden, sich mit scheinbar unangenehmen und höchst „unerfreulichen Umfragen“ thematisch auseinanderzusetzen.

Mit Verlaub: Die Debatte muss vitaler als bisher geführt werden und es ist hohe Zeit, die Sendboten einer klerikal anmutenden Ethik ihrer „ethischen Überzeugungstäterschaft“ zu überführen!

Oberethiker geben allzu gerne den Hippokrates (und gelegentlich auch den Hufeland) und missachten unverhohlen Grundrechte sowohl der Ärzte als auch der Patienten, die in einem aufgeklärten Rechtsstaat für selbstverständlich gehalten werden – so jedenfalls die allgemeine Vermutung!

Die Gegner der Liberalisierung der Sterbehilfe erscheinen uns in unserer Gesellschaft als „Wölfe im Schafspelz“: Sie tragen in einem erheblichen Maße dazu bei, dass Grundrechte insbesondere der schwersterkrankten und sterbenden Menschen schlicht „versenkt“ werden und sie können der Versuchung nicht widerstehen, uns dies als eine moralisch und ethisch anständige Position im wahrsten Sinne des Wortes „zu verkaufen“.

Abermals mit Verlaub: So „anständig“ dürfte die Verklärung des Leides aber letztlich nicht sein, negieren doch die führenden Apologeten einer „Kultur des Lebens“ verfassungsrechtliche Binsenweisheiten, die sich zuvörderst aus rechtsethischer Perspektive nicht „nur“ aufdrängen, sondern von keinem ernsthaften Mitdiskutanten in Zweifel gezogen werden.

Es ist an der Zeit, deutliche Worte an die Adresse all derjenigen zu richten, die da meinen, des Volkes Meinung und damit die jeweils individuelle Gewissensentscheidung der unmittelbar subjektiv Betroffenen ignorieren zu können.

Der vermeintliche „Hochdiskurs“ über das frei verantwortliche Sterben schwersterkrankter Menschen ist einziges Trauerspiel, bei dem die maßgeblichen Akteure sich wahrlich keine besondere Meriten verdienen, auch wenn gelegentlich die Oberethiker zu besonderen Ehren und Titeln gelangen.

Die geschlossene Gesellschaft der Oberethiker sollte sich vielmehr schämen und sich endlich einer aufrichtigen Diskussion öffnen, die hoffentlich von den „ethischen und moralischen Nebelbomben“ der Lebensschützer-Fraktionen verschont bleibt.

Allen voran die Ärztefunktionäre und Würdenträger werden sich dem Vorwurf zu stellen haben, bedeutsame Grundrechte der Schwersterkrankten zu missachten und so einer „Kultur des Lebens“ zu frönen, bei dem das Leid in unerträglicher Weise verklärt wird. Die allein maßgebliche Innenperspektive des freien und selbstverantwortlichen Individuums wird geflissentlich übergangen und es bleibt zu hoffen, dass hier künftig die aufgeklärten Wissenschaften einen nachhaltigen Beitrag dazu leisten, dass die „Sonntagsreden“ der Oberethiker entmythologisiert werden.

Wer den rechtsethischen Standard unseres Grundgesetzes nicht fühlen will, muss letztlich das Recht spüren und in diesem Sinne würde ich mir persönlich wünschen, wenn in erster Linie die Ärzteschaft gegenüber ihren eigenen Kolleginnen und Kollegen aufbegehrt, die den Tod nicht „organisieren“ wollen.

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin weist in die richtige Richtung! Die Ärztinnen und Ärzte benötigen keine ethischen Oberlehrer, um eine verantwortungsvolle (Gewissens-)Entscheidung gemeinsam mit ihren (!) Patienten zu treffen!

Die BÄK verkündet mitnichten „arztethische Wahrheiten“, die zu internalisieren der Ärzteschaft analog der gläubigen Christen aufgrund zentraler Dogmen aufgegeben sind und der Präsident der BÄK und andere hochrangige Ärztefunktionäre nehmen nun wahrlich nicht ein „Stellvertreteramt auf Erden“ wahr.

Die Medizinethikerinnen und Ethiker sind in besonderer Weise gefordert, sich nun endlich Gehör bei den selbsternannten Oberethikern zu verschaffen, denen allzu häufig das „wir“ über die Lippen kommt.
Es steht einer Medizinethik als Wissenschaft nicht gut zu Gesichte, wenn die unsäglichen Botschaften so mancher Ärztefunktionäre unkommentiert bleiben.

Wissenschaft ist der Wettbewerb um das bessere Argument und neben den Ethikern sind insbesondere die Rechtswissenschaftler aufgefordert, in diesen „Wettbewerb“ einzutreten – nicht zuletzt auch deswegen, weil im Zweifel so manche Botschaft der Lebensschützer-Fraktionen in Kenntnis des rechtsethischen Standards unseres Grundgesetzes als „unlauter“ zu enttarnen ist.

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Beitrag von johannes » 27.09.2012, 19:39

77 Prozent aller befragten Bundesbürger sind der Meinung, dass es Ärzten grundsätzlich erlaubt sein sollte, Schwerstkranke beim Freitod zu unterstützen. ... Im Kern wird deutlich: Ärztliche Freitodbegleitung für Schwerstkranke ist kein Tabu mehr. Im Gegenteil. Die überwiegende Mehrheit der deutschen Bevölkerung wünscht sich diese Möglichkeit.
Hört sich auf den ersten Blick sehr überzeugend an. Also 8 von 10 Deutschen sagen, daß der Arzt Schwerkranke beim Freitod unterstützen sollen.

Ich kenne mehr als 10 Deutsche, doch da ist keiner meiner Bekannten darunter, der das unterstützt. Ach ja, das ist ja nicht repräsentativ!

Daß nach einem Dammbruch dieser immer weiter durchlöchert wird, so daß bald kein Damm mehr da ist, ist wohl eine Binsenweisheit. Die große Sturmflut an der Nordsee hat das ja eindrucksvoll unterstrichen, oder der Untergang von New Orleans durch Katrina.

So ist das auch bei der Beihilfe zum Selbstmord. Als sich das in den Niederlanden erstmals gesetzlich etabliert hatte, war es für mich eh nur eine Frage der Zeit, bis auch in Deutschland Euthanasie wieder salonfähig wird. Ich vertraue darauf, daß unsere Politiker schon bald die entsprechenden Weichen stellen werden.

Damit haben die führenden Meinungsmacher in Sachen Euthanasie dann wohl ihr Ziel erreicht. Ob nun die Lebensbejaher als Oberethiker verschrieen werden oder ob sich die Lebenszerstörer als Oberethiker aufspielen - was macht das schon?

Nachdem nun nach einer Umfrage der DGHS angeblich 8 von 10 Deutschen der Euthanasie bei Schwerkranken zustimmen, wiederhole ich mich auch gern noch einmal bezüglich der nichtautorisierten Euthanasie.

Ist der erste Schritt einmal in einen Gesetzestext gegossen, werden weitere Schritte auf dem Weg zur generalisierten Euthanasie an unerwünschtem Leben folgen. Alles andere würde der Logik der Sache widersprechen. Euthanisten und deren Anhänger werden schon die richtigen Begründungen für ihr Tun vorzuweisen haben. Wir kommen der Aussage eines Präsidentenberaters in Frankreich jedenfalls auch in Deutschland immer näher:

Euthanasie wird das Mittel der Zukunft sein, die sozialen Probleme zu lösen!

Sicher noch nicht heute - aber morgen, oder übermorgen bestimmt!
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Selbstbestimmter Wille

Beitrag von Lutz Barth » 30.09.2012, 18:51

Nun - es besteht wohl kein Anlass zur Resignation. Die Umfrage vedeutlicht in erster Linie, dass auch hierzulande die meisten Bundesbürger ihr Selbstbestimmungsrecht gewahrt wissen möchten.

Insofern mag der Gesetzgeber, aber auch die selbsternannten Lebensschützer-Fraktionen, die entsprechenden Konsequenzen ziehen. Hilfreich wäre in diesem Zusammenhangl eine ausgewogene Berichterstattung auch seitens der "Lebensschützer", die nach wie vor schmerzlich vermisst wird.
Zuweilen erscheint es mir geradezu grotesk, wenn auf einschlägigen Webseiten der engagierten Lebensschützer kaum eine Auseinandersetzung mit den anderen Positionen noch ein Verweis auf anderlautende Literatur/Medienberichten stattfindet.

Dies scheint wohl auch nicht gewollt zu sein, geht es den Missionaren doch einzig um ihren "Verkündungsauftrag" über das anzunehmende einzigartige und deshalb nicht verfügbare "Geschenk des Lebens" nach dem Motto: Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn.

Mit einer solchen ethischen und moralischen Position kann sich die Mehrheit in der deutschen Bevölkerung nicht identifizieren, mal ganz davon abgesehen, dass sich hier ein Despotismus offenbart, der auf eine wenig tugendhafte Gesinnung hinweist.

Auch Lebensschützer sollten Toleranz üben und zumindest akzeptieren, dass nicht jeder hierzulande bereit ist, mittels eines Blickes in die transzendente Glaskugel sein Selbstbestimmungsrecht aufzugeben.

Ethische und moralische Überzeugungstäter braucht unsere Gesellschaft nun wahrlich nicht!
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Beitrag von johannes » 01.10.2012, 17:05

Nein, Herr Barth, ich resigniere gewiß nicht.

Euthanasie und hierzu geschaffene Gesetze haben nichts mit einem Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen zu tun. Freiheit findet üblicherweise dort ihre Grenzen, wo die grundlegende Ordnung ausgehebelt wird.

Sie haben Recht! Das Prinzip der angeblichen Selbstbestimmungsrechtler ist so alt wie die Menschheit.

"Sollte Gott gesagt haben ...?" Der will euch doch nur eure Freiheit nehmen! Die milliarden Menschenleben, die dieser Spruch bereits gekostet hat, ist nicht zu zählen. Und sie sind stolz auf ihre Haltung und verkaufen sie weiterhin als Freiheit. Großartige Freiheit, die anderen den Tod bringt. Wie gut, daß es noch jemanden gibt, der den Menschen in seine Schranken weist, auch wenn sich das noch ein klein wenig hinziehen sollte.

Daß die Lebenszerstörerfraktion respektlos mit dem Leben umgeht, wird uns allenthalben vor Augen geführt. Nein, Herr Barth, wer jenen, die ihn ermorden wollen, Toleranz entgegen bringt, verliert sein Leben - früher oder später. Wenn Sie gesetzliche und medizinsche Mörder benötigen, bitte sehr. Ich kann getrost auf sie verzichten!
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Keine neuerliche Grundsatzdebatte

Beitrag von Lutz Barth » 02.10.2012, 15:29

Verehrter Johannes.

Es ist hier nicht der rechte Ort, eine neuerliche Grundsatzdebatte über das "christliche Menschenbild" und dem damit vertretenen Fundamentalismus zu führen.
Auch Religionsgemeinschaften werden zu akzeptieren haben, dass wir in einem säkularen Verfassungsstaat leben und dieser eben nicht nur ein (!) Menschenbild kennt.

Der gläubige Christ mag nach seiner Facon selig werden, im Zweifel auch sterben, so wie es eben Andersdenkende auch gestattet ist, frei verantwortlich angesichts des ungeheuren Leids, dass ihnen widerfahren ist, aus dem Leben zu scheiden - einem Leid, dass der Einzelne nicht zu tragen hat, mag auch ein Anderer sein Leben für die Menschheit gegeben haben.

Der Glaube mag Berge versetzen, aber keinesfalls die Errungenschaften im aufgeklärten Zeitalter, will heißen: Grundrechte sind subjektive Rechte, die zu schützen sind und mit denen zugleich auch die Autonomie gewährleistet werden.

Es bleibt den Gläubigen überlassen, sich angesichts ihrer Glaubenslehre mit Pflichten ausgestattet zu sehen, die ihnen ein stückweit ihrer "weltlichen Rechte" entkleiden.
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Beitrag von johannes » 04.10.2012, 16:26

Verehrter Herr Barth,

ich nehme wohl zur Kenntnis, daß wir in einem atheistischen Verfassungsstaat leben, in dem die Evolutionisten das Sagen haben.

Der Mensch ist das Produkt des Zufalls, er fristet sein Leben rein zufällig und sein Tod hat keinerlei Relevanz. Das sind die drei Grundprämissen dieser Philosopie. Rechte in einem solchen Staat sind Anmaßungen derjenigen, die die Macht in Händen haben und ihr Wohlwollen nach Belieben verteilen. Das sind die Realitäten, die ich sehr wohl zur Kenntnis nehme.

Meine Einstellung zum Leben hat wohl kaum etwas mit Fundamentalismus zu tun. Als Christ steht es mir nicht zu, Ihnen zu verbieten, sich selbst ihr Leben zu nehmen. Sie sind nach meiner Auffassung selbst für sich verantwortlich. Ich betrachte es nur als eine Unverschämtheit, daß Selbstmörder den Anspruch erheben, andere dazu verpflichten zu wollen, sie in ihrem lebensverachtenden Handeln unterstützen zu müssen.

Zerstörung von Leben ist für mich keine Errungenschaft eines aufgeklärten Zeitalters - das ist für mich einfach nur Anmaßung und Dummheit. Wie schon gesagt - heute heißt es von diesen "Aufgeklärten" dem Leidenden helfen wollen und morgen heißt es den Unerwünschten beseitigen. Die ersten Schritte auf diesem Wege sind ja längst Realität - wenn auch noch nicht in Deutschland.

Ich gebe mich keiner Illusion hin, daß die Lebenszerstörerfraktion nicht die Oberhand gewinnen wird. Sie wird! Mich wundert nur immer wieder, daß die Lebenszerstörerfraktion von heute so von oben herab auf die Lebenszerstörerfraktion von gestern herabschaut und so tut, als wäre sie was Besseres. Wie sagte mal ein Politiker? Sie haben das Glück der späten Geburt.
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Hehre Worte...

Beitrag von Lutz Barth » 04.10.2012, 18:56

die sicherlich einstweilen nicht ihre Wirkung verfehlen werden. Aber mit Verlaub: Ihr Versuch der Kontextualisierung mit der unsäglichen deutschen Geschichte verfängt nicht, mal ganz davon abgesehen, dass es in der Debatte um die ärztliche Suizidassistenz nicht darum geht, hier jemanden in die "Pflicht" nehmen zu wollen.

Allein der Hinweis auf die deutsche Geschichte reicht nicht aus, um die bioethischen Hochdiskurse in einem aufgeklärten Zeitalter beantworten zu können, zumal man/frau dann auch auf die Idee verfallen könnte, die düsteren Kapitel der Kirchengeschichte als Beleg dafür nehmen zu können, dass größte Vorsicht geboten ist, wenn Kirchen meinen, mit letzter Konsequenz moralische Positionen einnehmen zu müssen, aus denen dann eine Rechtfertigung für ihr unsägliches Verhalten abzuleiten wäre. Auch die Geschichte der Kirche ist keine ruhmreiche und auch diese hat in der Vergangenheit erhebliche Schuld auf sich geladen, von der es keineswegs ausgemacht ist, dass diese den seinerzeitigen Verkündern der Heilslehren vergeben wird.

Im Übrigen gehen Sie fehl in der Annahme, dass wir in einem
atheistischen Verfassungsstaat leben. Der Verfassungsstaat ist eine Heimstatt von Menschen, die jeweils nach ihrer Facon selig werden können, will heißen: Der Staat ist und bleibt zur religiösen und weltanschaulichen Neutralität verpflichtet, weil es nicht das "Bild vom Menschen" gibt und daher die Wertepluralität kennzeichnend ist. Auch Gläubige können hierzulande gemäß ihrer Überzeugungen - freilich in den Grenzen der für alle allgemein verbindlichen Gesetze - leben. Dass, was zu erwarten und einzufordern ist, ist gegenseitige Akzeptanz, Respekt und damit im weitesten Sinne eine Toleranz, die m.E. allerdings ein stückweit bei den überzeugten Christen zu kurz kommt, ja sogar kommen muss, wenn und soweit man/frau den Kirchendogmen nachzufolgen bereit ist.

Und in der Tat haben Sie Recht: Als Christ wäre es vermessen, die Selbstentleibung verbieten zu wollen, so wie es es vielleicht auch unverschämt ist, auf eine rituelle Beschneidung zu beharren, ohne dass hier das Selbstbestimmungsrecht resp. das Grundrecht auf die körperliche Unversehrtheit des Kindes hinreichend berücksichtigt wird.
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Beitrag von johannes » 05.10.2012, 17:16

völlig richtig, daß die deutsche Geschichte nicht einzigartig ist. Immerhin lassen Sie erkennen, wie vordergründig die Argumentation der Lebenszerstörerfraktion ist, wenn sie zur Rechtfertigung auf ein gleichermaßen "unsägliches Verhalten" der Kirchen verweist. Wo Sie diese als nicht ruhmreich bezeichnen, haben Sie gewiß meine Zustimmung, aber genau so wenig ruhmreich ist das Verhalten derer, die als Lebenszerstörer die Macht an sich reißen.

Sie sagen, daß es nicht "das Bild vom Menschen" gibt. Dabei entgeht Ihnen offensichtlich, daß es Menschen sind, die den Menschen zur Manipulationsmasse machen. Wer "das Bild vom Menschen" in Frage stellt, ist darauf bedacht, sein eigenes Süppchen zu kochen auf Kosten der anderen. So wird auch ein Schuh draus. Das geht dann konform mit der kirchlichen Ansicht, daß nur Katholiken das Recht zu leben haben (Mittelalter) oder daß nur ein toter Indianer ein guter Indianer ist, ...

Es ist schon so daß, wer keine Obrigkeit über sich duldet, sich seine eigene Obrigkeit schafft und danach andere dort hinein zwingt. Sie wissen so gut wie ich, daß der Staat nicht neutral ist - auch wenn er rein theoretisch dazu verpflichtet ist. Bis heute gab und gibt es Seilschaften, die gewisse Leute gleicher macht als andere. Da Sie sich mit dem Recht sicher etwas besser auskennen als ich, wird Ihnen also nicht unbekannt sein, daß auch in unserem Lande nicht Recht bekommt, wer Recht hat, sondern wer den besseren Anwalt hat, der das Recht so zurecht biegt, daß er obsiegt. Das wird sich auch langfristig in dieser Thematik niederschlagen, davon bin ich überzeugt.
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Obrigkeit?

Beitrag von Lutz Barth » 05.10.2012, 19:05

Verehrter Johannes.

Dass es letztlich immer um "Herrschaftsverhältnisse" geht, ist nicht zu leugnen, wenngleich dies auch mit Blick auf eine "Obrigkeit" geht, die uns allen Menschen offensichtlich zu "dulden" aufgegeben ist und zwar bereits in den Zehn Geboten: ""Dus sollst keine anderen Götter neben mir haben".

Und in der Tat weiß ich als Rechtswissenschaftler nur allzu gut, dass nicht "Recht bekommt, wer Recht" hat, mal abgesehen von der Frage, was als "gerecht" zu erscheinen hat. Es geht auch nicht darum, dass in irgendeiner Form das "Recht zu biegen", sondern letztlich kritisch zu befragen, ob es Standards gibt, die auch in bioethischen Diskursen nicht hintergehbar sind und letztlich einen rechtsethischen Konsens ermöglichen.

Die Notwendigkeit des Strebens nach einem Konsens wird allerdings in erster Linie "nur" dann erkannt, wenn wir wissen, worüber wir eigentlich debattieren. Und hier setzt denn auch meine harsche Kritik an: Derzeit zeichnen sich die federführenden Diskutanten in einem zentralen Diskurs eher durch ihre Unterbelichtetheit, denn durch solides Fachwissen aus. Es sind eher Hobbyphilosophen, Hobbyethiker und letztlich auch Hobbyjuristen, die über zentrale Verfassungsrechtsfragen mehr schlecht als recht philosophieren und es ist für mich persönlich nahezu unerträglich, wenn diese Hobbyphilosophen mit einem Experstatus versehen werden, obgleich ihnen doch zumindest zuzumuten ist, auch nur ein halbwegs solides Literaturstudium zu absolvieren, um dann zur Erkenntnis zu gelangen, dass so manche Position, die im Sterbehilfe-Diskurs vertreten wird, schlicht unsinnig ist.

Allen voran die Lebensschützer-Aktivisten haben sich in der Vergangenheit sicherlich keine besonderen Meriten verdient, "schwätzen" diese doch über Grundrechte, deren Inhalt und Funktion diese nicht im Ansatz erschlossen haben.
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Sterbehilfegesetz: Das Schweigen der Länder

Beitrag von Presse » 12.10.2012, 16:52

Sterbehilfegesetz: Das Schweigen der Länder
Der Gesetzentwurf zur Sterbehilfe hat eine heiße Diskussion entfacht. Jetzt war das Thema im Bundesrat - doch die Länderkammer hat entschieden:
Kein Kommentar. Mit einem Vorstoß zur Sterbehilfe ist Rheinland-Pfalz abgeblitzt. mehr »
http://www.aerztezeitung.de/nl/?sid=823 ... ung&n=2269

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Selbstbestimmt sterben - TV-Tipp

Beitrag von WernerSchell » 20.10.2012, 06:34

Geplantes Thema bei "Ratgeber: Recht " – am Samstagnachmittag, 20. Oktober 2012, um 17:03 Uhr im Ersten, u.a.:

Selbstbestimmt sterben
Kann Europa helfen?

Die aktive Sterbehilfe ist in Deutschland verboten, das heißt niemand darf einem anderen durch aktives Tun, zum Beispiel durch das Verabreichen einer Todesspritze das Leben verkürzen. Auch nicht, wenn dieser das ausdrücklich wünscht. Der "Ratgeber: Recht" informiert über die aktuelle Rechtslage.

Die Sendung wird in der Nacht von Donnerstag auf Freitag um 04:15 Uhr wiederholt.

Quelle: Mitteilung vom 19.10.2012
SWR-Fernsehen
Redaktion "Ratgeber: Recht"
76037 Karlsruhe
Tel: (0721) 176-190 und -191
Fax: (0721) 176-196
Aktuelle Informationen zur Sendung: www.ratgeberrecht.de
Bei Fragen zu dieser Sendung wenden Sie sich bitte an:
ratgeber-recht@swr.de
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https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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Suizidhilfe-Verbot der Ärzteschaft

Beitrag von Lutz Barth » 18.11.2012, 10:24

Bundesjustizministerin kritisiert Suizidhilfe-Verbot der Ärzteschaft / Infratest dimap-Umfrage: 76% der Deutschen für ärztliche Suizidhilfe

Quelle: ptext.de v. 16.11.12 >>>http://www.ptext.de/nachrichten/bundesj ... ima-461055 <<< (html)

Kurze Anmerkung L. Barth:

Bemerkenswertes Statement der Bundesjustizministerin, wenngleich dies in der Sache insbesondere die Ärztefunktionäre bei der BÄK unberührt lässt. Die derzeitige "ethische Basta-Politik" der BÄK - mag sie auch die Zustimmung für ihren (!) Antrag von der Mehrheit der Delegierten auf dem 114. Deutschen Ärztetag erhalten haben - kann "nur" dadurch zur Kurskorrektur veranlasst werden, wenn die Ärzteschaft insgesamt sich gegen den massiven Eingriff in ihr Grundrecht, namentlich das der Gewissensfreiheit gem. Art. 4 GG, wehrt.

Es ist unerträglich, dass eine Standesorganisation meint, mit dem Verbot der ärztlichen Suizidassistenz in derart gravierender Weise in die Grundrechte ihrer Kollegen eingreifen zu können, mal ganz davon abgesehen, dass insbesondere die Position der BÄK nicht überzeugt! Professionelle Ethiker müssen sich über die Art und Weise des ethischen Zwangsdiktats mehr als nur bestürzt zeigen, dokumentiert doch die Verbotsnorm in §16 Ä-MBO einzig den Willen der vermeintlichen Oberethiker, die da meinen, ihre individuelle Gewissensentscheidung für einen gesamten Berufsstand zur Richtschnur machen zu können.

Ist es da despektierlich, von einer "Gleichschaltung" des Gewissens sprechen zu können? Ich meine nein! Es offenbart sich in dem Verbot der ärztlichen Suizidassistenz eine "ethische Geistes- und Werthaltung", die mit einer guten Arztethik nur wenig gemein hat.
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