Betreuungsrechtliche Zwangsbehandlung ohne Grundlage

Rechtsbeziehung Patient – Therapeut / Krankenhaus / Pflegeeinrichtung, Patientenselbstbestimmung, Heilkunde (z.B. Sterbehilfe usw.), Patienten-Datenschutz (Schweigepflicht), Krankendokumentation, Haftung (z.B. bei Pflichtwidrigkeiten), Betreuungs- und Unterbringungsrecht

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Betreuungsrechtliche Zwangsbehandlung ohne Grundlage

Beitrag von Presse » 17.07.2012, 12:39

Keine hinreichende gesetzliche Grundlage für eine
betreuungsrechtliche Zwangsbehandlung


Der u.a. für das Betreuungsrecht zuständige XII. Zivilsenat hat in zwei Verfahren entschieden, dass es gegenwärtig an einer den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden gesetzlichen Grundlage für eine betreuungsrechtliche Zwangsbehandlung fehlt.

In beiden Verfahren begehrten die Betreuerinnen die Genehmigung einer Zwangsbehandlung der wegen einer psychischen Erkrankung unter Betreuung stehenden, einwilligungsunfähigen und geschlossen untergebrachten Betroffenen. Diese benötigen wegen ihrer Erkrankung zwar eine medikamentöse Behandlung, lehnen die Behandlung krankheitsbedingt aber ab. Die Anträge der Betreuerinnen blieben vor dem Amtsgericht und dem Landgericht erfolglos. Mit den von den Landgerichten zugelassenen Rechtsbeschwerden verfolgten die Betreuerinnen ihre Anträge auf betreuungsgerichtliche Genehmigung der Zwangsbehandlung weiter. Der XII. Zivilsenat hat beide Rechtsbeschwerden zurückgewiesen.

Im Rahmen des Wirkungskreises der Gesundheitsvorsorge kann einem Betreuer die Befugnis übertragen werden, an Stelle des Betroffenen in dessen ärztliche Behandlung einzuwilligen. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats umfasste dies auch die Befugnis, einen der ärztlichen Maßnahme entgegenstehenden Willen des Betroffenen zu überwinden, wenn der Betroffene geschlossen untergebracht war und das Betreuungsgericht die Unterbringung zur Heilbehandlung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB genehmigt hatte. Hieran hält der Bundesgerichtshof nicht mehr fest. Dies ergibt sich aus Folgendem:

Das Bundesverfassungsgericht hatte in zwei grundlegenden Beschlüssen aus dem Jahr 2011 (BVerfG FamRZ 2011, 1128 und FamRZ 2011, 1927) entschieden, dass die Zwangsbehandlung eines im strafrechtlichen Maßregelvollzug Untergebrachten nur auf der Grundlage eines Gesetzes zulässig ist, das die Voraussetzung für die Zulässigkeit des Eingriffs bestimmt. Die weitreichenden Befugnisse der Unterbringungseinrichtung und die dadurch eingeschränkten Möglichkeiten der Unterstützung und Begleitung durch Außenstehende setzten den Untergebrachten in eine Situation außerordentlicher Abhängigkeit, in der er besonderen Schutzes auch dagegen bedürfe, dass seine grundrechtlich geschützten Belange etwa aufgrund von Eigeninteressen der Einrichtung oder ihrer Mitarbeiter bei nicht aufgabengerechter Personalausstattung oder aufgrund von Betriebsroutinen unzureichend gewürdigt würden.

Diese Vorgaben sind nach Auffassung des Bundesgerichtshofs im Wesentlichen auf die Zwangsbehandlung im Rahmen einer betreuungsrechtlichen Unterbringung zu übertragen. Zwar ist der Betreuer im Rahmen seines Wirkungskreises grundsätzlich zur Vertretung des Betroffenen befugt. Besonders gravierende Eingriffe in die Rechte des Betroffenen bedürfen aber schon aus verfassungsrechtlichen Gründen einer ausdrücklichen gerichtlichen Genehmigung; insoweit ist die sich aus den §§ 1901, 1902 BGB ergebende Rechtsmacht des Betreuers eingeschränkt. So müssen etwa besonders gefährliche ärztliche Maßnahmen nach § 1904 BGB, eine Sterilisation nach § 1905 BGB, eine geschlossene Unterbringung nach § 1906 BGB und die Aufgabe der Mietwohnung eines Betroffenen nach § 1907 BGB zuvor durch das Betreuungsgericht genehmigt werden.

Eine entsprechende gesetzliche Grundlage für die gebotene staatliche Kontrolle des Betreuerhandelns fehlt hingegen hinsichtlich einer Zwangsbehandlung des Betroffenen. Jene muss nach Auffassung des Bundesgerichtshofs inhaltlich den gleichen Anforderungen genügen, die das Bundesverfassungsgericht im Rahmen des strafrechtlichen Maßregelvollzugs aufgestellt hat. Die materiellen Vorschriften des Betreuungsrechts, insbesondere § 1906 BGB als Grundlage für eine bloße Freiheitsentziehung, und die Verfahrensvorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) genügen diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht.

Die maßgeblichen Normen lauten wie folgt:

§ 1901 BGB (Umfang der Betreuung, Pflichten des Betreuers)
(1) Die Betreuung umfasst alle Tätigkeiten, die erforderlich sind, um die Angelegenheiten des Betreuten nach Maßgabe der folgenden Vorschriften rechtlich zu besorgen.


§ 1902 BGB (Vertretung des Betreuten)
In seinem Aufgabenkreis vertritt der Betreuer den Betreuten gerichtlich und außergerichtlich.

§ 1906 BGB (Genehmigung des Betreuungsgerichts bei der Unterbringung)
(1) Eine Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, ist nur zulässig, solange sie zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, weil
1. …
2. eine Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder ein ärztlicher Eingriff notwendig ist, ohne die Unterbringung des Betreuten nicht durchgeführt werden kann und der Betreute auf Grund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der Unterbringung nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann.
(2) Die Unterbringung ist nur mit Genehmigung des Betreuungsgerichts zulässig. Ohne die Genehmigung ist die Unterbringung nur zulässig, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist; die Genehmigung ist unverzüglich nachzuholen.


Beschlüsse vom 20. Juni 2012 - XII ZB 99/12 und XII ZB 130/12
XII ZB 99/12

AG Ludwigsburg – 8 XVII 58/2012 – Beschluss vom 30. Januar 2012
(veröffentlicht in FamRZ 2012, 739)
LG Stuttgart – 2 T 35/12 – Beschluss vom 16. Februar 2012
(veröffentlicht in BtPrax 2012, 125)
und
XII ZB 130/12
AG Ingolstadt – 17 XVII 78/11 – Beschluss vom 2. Januar 2012
LG Ingolstadt – 13 T 220/12 – Beschluss vom 27. Februar 2012

Quelle: Pressemitteilung vom 17. Juli 2012
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-b ... =0&anz=114

Siehe auch:
Beschluss des XII. Zivilsenats vom 20.6.2012 - XII ZB 99/12 - http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-b ... kument.pdf , Beschluss des XII. Zivilsenats vom 20.6.2012 - XII ZB 130/12 -
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-b ... kument.pdf

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Zwangsbehandlung von Betreuten verboten

Beitrag von Presse » 19.07.2012, 06:45

Zwangsbehandlung von Betreuten verboten
Betreute dürfen nicht mehr gegen ihren Willen ärztlich behandelt werden.
Das hat der Bundesgerichtshof in zwei heute bekanntgegebenen Beschlüssen entschieden -
und dabei eine Rolle rückwärts vollzogen.
mehr »
http://www.aerztezeitung.de/nl/?sid=818 ... cht&n=2054

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Behandlung von unter Betreuung stehenden Patienten

Beitrag von Presse » 20.07.2012, 09:22

Behandlung von unter Betreuung stehenden Patienten muss dringend raus aus der rechtlichen Grauzone!

Die aktuell bekannt gemachten Entscheidungen des Bundesgerichtshofes zur Behandlung von unter Betreuung stehenden Patientinnen und Patienten* werfen nach Überzeugung des Hartmannbundes – wie zuletzt beim sogenannten Kölner Beschneidungsurteil – ein Licht auf die rechtliche Grauzone, in der sich Ärztinnen und Ärzte bei ihrer Arbeit tagtäglich befinden. „Die Gesetzeslage in Deutschland ist im Zusammenhang mit der Behandlung der hier betroffenen Personengruppe unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht ausreichend bestimmt“, sagte der Vorsitzende des Verbandes, Dr. Klaus Reinhardt. Insbesondere das ärztliche Personal in klinischen Einrichtungen der Psychiatrie sei nun erheblich verunsichert. So müsse künftig die große Gruppe der unter Betreuung stehenden Patientinnen und Patienten offensichtlich noch einmal gesondert in jede ärztliche Behandlungsmaßnahme einwilligen, obwohl schon eine richterliche Entscheidung über die Unterbringung in der Einrichtung vorliege.

Der Hartmannbund erneuerte vor diesem Hintergrund seine bereits im Zusammenhang mit der Diskussion um das Patientenrechtegesetz erhobene Forderung, gesetzlich eindeutig zu regeln, unter welchen Voraussetzungen unter Betreuung stehende Personen aufzuklären und zu behandelt sind. „Es muss für den behandelnden Arzt zweifelsfrei und praktikabel geregelt werden, ob und unter welchen Voraussetzungen dem vom Patienten selbst formulierten Willen Vorrang gegenüber der Entscheidung des Betreuers zukommt“, sagte Reinhardt. Diese Klarstellung müsse zwingend im noch laufenden Gesetzgebungsverfahren in das Patientenrechtegesetz einfließen.

Reinhardt wies darauf hin, dass den Themen Einwilligung und Aufklärung schon seit Jahrzehnten eine erhebliche Bedeutung im Arzthaftungsrecht zukomme. Die Haftung für Risikobehandlungen müsse in Einklang mit der betreuungsrechtlichen Einwilligung gebracht werden. Angesichts der Urteilsbegründung des BGH sei die Ärzteschaft beunruhigt darüber, dass die im Patientenrechtegesetz entworfenen Paragraphen zu Einwilligung und Aufklärung (§§ 630 d, 630 e BGB-Entwurf) Auslegungsspielräume für unter Betreuung stehende Personen erlaubten.

Reinhardt: „Bei der vermeintlich so einfachen Bestimmung der Einwilligungsfähigkeit des Patienten treten in der täglichen Praxis tausende Grenzfälle auf. Es ist inkonsequent und inakzeptabel, Ärztinnen und Ärzten einerseits die alleinige Verantwortung für die Bestimmung der Einwilligungsfähigkeit der Patientinnen und Patienten aufzubürden, sie dann aber bei den tatbestandlichen Voraussetzungen für diese Entscheidung auf unbestimmte Rechtsbegriffe zu verweisen“. Im Zuge der demografischen Entwicklung werde sich das Problem angesichts einer steigenden Zahl dementer und nur eingeschränkt einwilligungsfähiger Patientinnen und Patienten zusätzlich verschärfen.

„Die rechtspolitischen Entscheidungen müssen endlich eindeutig im Deutschen Bundestag getroffen werden“, so Reinhardt abschließend.

*Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 20.06.2012 (XII ZB 99/12, XII ZB 130/12)

Quelle: Pressemitteilung vom 20.07.2012
Petra Schröter
Sekretariat
Stellv. Hauptgeschäftsführung/
Verbandskommunikation
Hartmannbund - Verband der Ärzte Deutschlands e.V.
Kurfürstenstr. 132
10785 Berlin
Telefon 030 206208-11
Telefax 030 206208-14
petra.schroeter@hartmannbund.de
http://www.hartmannbund.de

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Ist § 1906 I 2 BGB verfassungswidrig?

Beitrag von WernerSchell » 23.07.2012, 07:41

Siehe auch unter
Ist § 1906 I 2 BGB verfassungswidrig?
viewtopic.php?t=17549
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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Zwangsbehandlung psychisch Kranker ist rechtswidrig

Beitrag von Presse » 26.07.2012, 13:54

Urteil in Karlsruhe
Zwangsbehandlung psychisch Kranker ist rechtswidrig
Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe
Körperliche Unversehrtheit und Schutz der Patienten waren bisher nicht immer gewährleistet:
Der Bundesgerichtshof fordert deshalb neue Gesetze zur Zwangsbehandlung psychisch Kranker.
Die Regelung muss über das Wohl mehrerer zehntausend Menschen entscheiden.
.... mehr
http://www.sueddeutsche.de/panorama/urt ... -1.1415124

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Betreuungsrechtliche Zwangsbehandlung ohne Grundlage

Beitrag von Service » 12.08.2012, 06:46

Keine hinreichende gesetzliche Grundlage für eine betreuungsrechtliche Zwangsbehandlung

Der Bundesgerichtshof hat in zwei Verfahren entschieden, dass es gegenwärtig an einer den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden gesetzlichen Grundlage für eine betreuungsrechtliche Zwangsbehandlung fehlt (BGH, Beschlüsse vom 20. Juni 2012 - XII ZB 99/12 und XII ZB 130/12; Quelle: PM des Bundesgerichtshofes). Unter einer „betreuungsrechtlichen Zwangsbehandlung“ versteht man die Gabe von Medikamenten gegen den Willen der betroffenen Person.
In beiden Verfahren begehrten die Betreuerinnen die Genehmigung einer Zwangsbehandlung der wegen einer psychischen Erkrankung unter Betreuung stehenden, einwilligungsunfähigen und geschlossen untergebrachten Betroffenen. Diese benötigen wegen ihrer Erkrankung zwar eine medikamentöse Behandlung, lehnen die Behandlung krankheitsbedingt aber ab.
Im Rahmen des Wirkungskreises der Gesundheitsvorsorge kann einem Betreuer die Befugnis übertragen werden, an Stelle des Betroffenen in dessen ärztliche Behandlung einzuwilligen. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes umfasste dies auch die Befugnis, einen der ärztlichen Maßnahme entgegenstehenden Willen des Betroffenen zu überwinden, wenn der Betroffene geschlossen untergebracht war und das Betreuungsgericht die Unterbringung zur Heilbehandlung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB genehmigt hatte. Hieran hält der Bundesgerichtshof nicht mehr fest. Dies ergibt sich aus Folgendem:
Das Bundesverfassungsgericht hatte in zwei grundlegenden Beschlüssen aus dem Jahr 2011 entschieden, dass die Zwangsbehandlung eines im strafrechtlichen Maßregelvollzug Untergebrachten nur auf der Grundlage eines Gesetzes zulässig ist, das die Voraussetzung für die Zulässigkeit des Eingriffs bestimmt. Die weitreichenden Befugnisse der Unterbringungseinrichtung und die dadurch eingeschränkten Möglichkeiten der Unterstützung und Begleitung durch Außenstehende setzten den Untergebrachten in eine Situation außerordentlicher Abhängigkeit, in der er besonderen Schutzes auch dagegen bedürfe, dass seine grundrechtlich geschützten Belange etwa aufgrund von Eigeninteressen der Einrichtung oder ihrer Mitarbeiter bei nicht aufgabengerechter Personalausstattung oder aufgrund von Betriebsroutinen unzureichend gewürdigt würden.
Diese Vorgaben sind nach Auffassung des Bundesgerichtshofs im Wesentlichen auf die Zwangsbehandlung im Rahmen einer betreuungsrechtlichen Unterbringung zu übertragen. Zwar ist der Betreuer im Rahmen seines Wirkungskreises grundsätzlich zur Vertretung des Betroffenen befugt. Besonders gravierende Eingriffe in die Rechte des Betroffenen bedürfen aber schon aus verfassungsrechtlichen Gründen einer ausdrücklichen gerichtlichen Genehmigung; insoweit ist die sich aus den §§ 1901, 1902 BGB ergebende Rechtsmacht des Betreuers eingeschränkt. So müssen etwa besonders gefährliche ärztliche Maßnahmen nach § 1904 BGB, eine Sterilisation nach § 1905 BGB, eine geschlossene Unterbringung nach § 1906 BGB und die Aufgabe der Mietwohnung eines Betroffenen nach § 1907 BGB zuvor durch das Betreuungsgericht genehmigt werden.
Eine entsprechende gesetzliche Grundlage für die gebotene staatliche Kontrolle des Betreuerhandelns fehlt hingegen hinsichtlich einer Zwangsbehandlung des Betroffenen. Jene muss nach Auffassung des Bundesgerichtshofs inhaltlich den gleichen Anforderungen genügen, die das Bundesverfassungsgericht im Rahmen des strafrechtlichen Maßregelvollzugs aufgestellt hat. Die materiellen Vorschriften des Betreuungsrechts, insbesondere § 1906 BGB als Grundlage für eine bloße Freiheitsentziehung, und die Verfahrensvorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) genügen diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht.

Quelle: Mitteilung vom 11.08.2012
Verband Kirchlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Rheinland-Westfalen-Lippe
Weißenburger Straße 12
44135 Dortmund
Tel.: 0231/ 579743
Fax: 0231/ 579754
E-Mail: info@vkm-rwl.de

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Zwangsbehandlung bei Unterbringung - Wille beachtlich

Beitrag von Presse » 05.09.2012, 07:20

Beschluss des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 8. August 2012 - XII ZB 671/11 -

a) Da die Einwilligung des Betreuers in eine Zwangsbehandlung mangels gesetzlicher Grundlage nicht genehmigungsfähig ist, kommt die Genehmigung einer entsprechenden Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht in Betracht, wenn die Heilbehandlung wegen der Weigerung des Betroffenen, sich behandeln zu lassen, nicht durchgeführt werden kann (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 20. Juni 2012 - XII ZB 99/12 und XII ZB 130/12 - jeweils juris).
b) Die Genehmigung einer Unterbringung zur Heilbehandlung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB kommt allerdings noch in den Fällen in Betracht, in denen nicht von vornherein ausgeschlossen ist, dass sich der Betroffene in der Unterbringung behandeln lassen wird, sein natürlicher Wille also nicht bereits der medizinisch not-wendigen Behandlung entgegensteht und er die Notwendigkeit der Unterbringung nicht einsieht (im Anschluss an Senatsbeschluss BGHZ 166, 141, 152 = FamRZ 2006, 615, 618).

Quelle: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-b ... s=2&anz=66

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Zwangsbehandlungen: Psychiater fordern ein neues Gesetz

Beitrag von Presse » 07.11.2012, 11:36

Zwangsbehandlungen: Psychiater fordern ein neues Gesetz
Dtsch Arztebl 2012; 109(44): A-2170 / B-1770 / C-1737
http://www.aerzteblatt.de/archiv/132081 ... ues-Gesetz
Richter-Kuhlmann, Eva
Psychisch Kranke dürfen einem Urteil des Bundesgerichtshofs zufolge auch in einer akuten Krise nicht gegen ihren Willen behandelt werden. Für Ärzte bedeutet dies eine Erschwernis ihrer Tätigkeit. Eine gesetzliche Regelung soll nun Abhilfe schaffen.
... http://www.aerzteblatt.de/archiv/132081 ... ues-Gesetz

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Selbstbestimmungsrecht und Zwangsmaßnahmen

Beitrag von WernerSchell » 13.11.2012, 17:18

Beschluss des AG Offenbach vom 26. Oktober 2012 · Az. 14 XVII 1205/12

1. Das Gericht hält an seiner vor Kurzem (im Beschluss vom 26.6.2012, 14 XVII 990/08, juris) ausführlich begründeten am Selbstbestimmungsprinzip ausgerichteten verfassungskonformen Auslegung des § 1906 Abs. 1 Ziff. 2 BGB auch nach Bekanntwerden der Beschlüsse des Bundesgerichtshofs (vom 20.6.2012, XII ZB 99/12 und XII 130/12) fest.
... Weitere Informationen
http://openjur.de/u/554555.html#

Tenor der Entscheidung:

Die vorläufige Unterbringung der Betreuten in einer geschlossenen Einrichtung
wird durch einstweilige Anordnung
bis längstens 8.11.2012 betreuungsgerichtlich genehmigt.
Während der Unterbringung dürfen folgende Maßnahmen auch gegen den natürlichen Willen d. Betr. durchgeführt werden:
Regelmäßige Gabe
- hochpotenter Antipsychotika
- von Benzodiazepinen.
Auch bei fehlender Krankheitseinsicht hat der Zwangsmaßnahme eine den Verständnismöglichkeiten des Betroffenen entsprechende Information über die beabsichtige Behandlung und ihre Wirkungen vorauszugehen. Die hat nach ärztlicher Anordnung und unter ärztlicher Überwachung zu erfolgen. Sie ist einschließlich ihres Zwangscharakters, der Durchsetzungsweise, der maßgeblichen Gründe und der Wirkungsüberwachung zu dokumentieren.
(Siehe Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 23.3.2011, 2BvR 882/09)
Die Entscheidung ist sofort wirksam.
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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Der Psychiatrie droht Rückfall ins 19. Jahrhundert

Beitrag von Presse » 23.11.2012, 15:57

Leitartikel:
Der Psychiatrie droht Rückfall ins 19. Jahrhundert
Psychisch Kranke dürfen nicht mehr gegen ihren Willen medikamentös behandelt werden - ans Bett fesseln darf man sie aber weiterhin. Die Regierung will Zwangsbehandlungen nun klar regeln. Die Zeit drängt, derzeit müssen Ärzte sogar den Tod ihrer Patienten in Kauf nehmen. mehr »
http://www.aerztezeitung.de/nl/?sid=827 ... nie&n=2368

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Zwangsbehandlung: Bundestag beschließt Ultima ratio

Beitrag von Presse » 18.01.2013, 07:23

Zwangsbehandlung: Bundestag beschließt Ultima ratio
Seit einigen Monaten stehen Ärzte mit einem Bein im Gefängnis, wenn sie Zwangsmaßnahmen anwenden.
Jetzt hat der Bundesrat solche Eingriffe gesetzlich neu geregelt - und die Hürden deutlich aufgestockt.
mehr »
http://www.aerztezeitung.de/nl/?sid=829 ... hik&n=2471

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Paragraf 1905 BGB soll überprüft werden

Beitrag von WernerSchell » 09.09.2020, 15:54

Paragraf 1905 BGB soll überprüft werden
Petitionen/Ausschuss

Berlin: (hib/HAU) Der Petitionsausschuss spricht sich für eine Überprüfung der Vorschrift des Paragraf 1905 BGB "zur Einwilligung des Betreuers in eine Sterilisation bei einer nicht einwilligungsfähigen betreuten Person" aus. In seiner Sitzung am Mittwochmorgen verabschiedete der Ausschuss mit den Stimmen der Fraktionen von CDU/CSU, SPD, AfD und FDP die Beschlussempfehlung an den Bundestag, eine Petition mit der Forderung nach ersatzloser Streichung der Vorschrift "als Material" dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) zu überweisen. Die Linksfraktion sowie die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hatten für das höhere Überweisungsvotum "zur Berücksichtigung" plädiert.

Die Petentin schreibt zur Begründung ihrer Forderung nach Streichung, diese stünde im Einklang mit der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) und werde auch im Monitoring-Bericht des Instituts für Menschenrechte gefordert. Der Paragraf benachteilige Frauen mit Behinderung, sei nicht mehr zeitgemäß und erhöhe das Risiko für Frauen mit Behinderung, Opfer sexualisierter Gewalt zu werden.

Laut der Begründung zur Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses beurteilt die Bundesregierung die Situation anders. Aus ihrer Sicht dient Paragraf 1905 BGB dem Schutz von Betreuten gegen Sterilisation ohne ausreichende Aufklärung, Beratung und Ermittlung ihres tatsächlichen Willens. Eine ersatzlose Streichung würde daher eher eine Reduzierung des Schutzes für betreute Personen zu Folge haben, da ein Betreuer - bei Vorliegen des entsprechenden Aufgabenkreises - auch ohne Erfüllung der strengen Voraussetzungen des Paragrafen 1905 BGB in eine Sterilisation einwilligen könne.
In dem Paragrafen ist geregelt, dass der Betreuer nur einwilligen darf, wenn "die Sterilisation dem Willen des Betreuten nicht widerspricht, der Betreute auf Dauer einwilligungsunfähig bleiben wird, anzunehmen ist, dass es ohne die Sterilisation zu einer Schwangerschaft kommen würde und die Schwangerschaft nicht durch andere zumutbare Mittel verhindert werden kann".

Nach Aussage des Petitionsausschusses gehört die genannte Vorschrift schon seit Verabschiedung des Betreuungsgesetzes im Jahr 1992 zu dessen umstrittensten Regelungen. "Im Hinblick auf die Anforderungen der UN-BRK soll diese Vorschrift daher erneut überprüft werden", heißt es in der Vorlage. Hierzu bedürfe es zunächst hinreichender Tatsachenkenntnis darüber, in welchen Konstellationen in der gerichtlichen Praxis Sterilisationen bei Betreuten auf Grundlage des Paragrafen 1905 BGB genehmigt beziehungsweise abgelehnt werden. Ein entsprechendes Forschungsvorhaben werde derzeit durch das BMJV vorbereitet. Aus Sicht des Petitionsausschusses ist die Petition geeignet, "in die diesbezüglichen Untersuchungen und Entscheidungsprozesse einbezogen zu werden".

Quelle: Mitteilung vom 09.09.2020
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