Sterbehilfe - Assistenz - darüber sollte geredet werden

Rechtsbeziehung Patient – Therapeut / Krankenhaus / Pflegeeinrichtung, Patientenselbstbestimmung, Heilkunde (z.B. Sterbehilfe usw.), Patienten-Datenschutz (Schweigepflicht), Krankendokumentation, Haftung (z.B. bei Pflichtwidrigkeiten), Betreuungs- und Unterbringungsrecht

Moderator: WernerSchell

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Cicero
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Sterbehilfe - Assistenz - darüber sollte geredet werden

Beitrag von Cicero » 14.03.2012, 09:12

Hallo Forum!
Ich bin weder für aktive Sterbehilfe noch für eine großzügige Ausgestaltung der Assistenz / Begleitung bei der Selbsttötung.
Allerdings sehe ich angesichts der Tatsache, dass die Palliativmedizin nicht in allen Krankheitssituationen ausreichend helfen und damit das Sterben erträglich gestalten kann, die Notwendigkeit, in ausweglosen Situationen zu helfen. Darüber sollte in dieser Gesellschaft diskutiert werden mit dem Ziel, eine gute gesetzliche Regelung für Ausnahmesituationen zu finden. Dies wäre m.E. auch verfassungsrechtlich unbedenklich und keineswegs, wie vielfach behauptet, ein Dammbruch. Die Gegenargumente der Bundesärztekamer halte ich für wenig überzeugend.
Es grüßt Cicero

Beiträge im Forum als Diskussionsgrundlage:

Ärzte dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten
viewtopic.php?t=15520&highlight=assistenz
„Das Ende der ärztlichen Kunst“ (?)“
viewtopic.php?t=16256&highlight=assistenz
Palliativmediziner gegen Sterbehilfe und assistierten Suizid
viewtopic.php?t=15216&highlight=assistenz
Neue berufsrechtliche Regeln für ärztliche Suizidbeihilfe!
viewtopic.php?t=15282&highlight=assistenz
Pro Sterbehilfe!
viewtopic.php?t=15057&highlight=assistenz

Siehe auch:
viewtopic.php?t=17078
Politisch interessierter Pflegefan!
Im Gleichklang: Frieden - Ausgleich - Demokratie - und: "Die Menschenwürde ist unantastbar"!

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Beihilfe zum Suizid - in Ausnahmefällen

Beitrag von Presse » 31.03.2012, 06:42

Ärzte können Ausnahmefällen Beihilfe zum Suizid leisten

Generelles Sterbehilfeverbot für Ärzte gekippt / Anwaltskanzlei Wollmann & Partner in Berlin erzielt Ausnahmeentscheidung

Das von der Bundesärztekammer in ihrer Muster-Berufsordnung festgelegte strikte Verbot für Ärzte, "Hilfe zur Selbsttötung zu leisten", ist heute in einem von der Anwaltskanzlei Wollmann & Partner in Berlin geführten Musterprozess durch das Verwaltungsgericht Berlin (VG 9 K 63/09) gekippt worden. Nach dieser heutigen Entscheidung ist ein derartiges generelles und ausnahmsloses Verbot mit verfassungsrechtlichen Grundsätzen nicht vereinbar. Es muss Ärzten gestattet sein, in Ausnahmefällen eine ihrem Gewissen entsprechende Entscheidung zu treffen, die von diesem Verbot abweicht. Dies bedeutet, dass Ärzte in Ausnahmefällen Beihilfe zum Suizid leisten dürfen, ohne damit gegen das Berufsrecht zu verstoßen.

Quelle: Pressemitteilung vom 30.03.2012 Wollmann & Partner GbR
Pressekontakt:Rechtsanwalt Dieter Graefe
Wollmann & Partner GbR
Rechtsanwälte und Notare
Meinekestraße 22, 10719 Berlin
Telefon: +49 30/88 41 09-95
Telefax: +49 30/88 41 09-90
http://www.wollmann.de

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Suizidhilfeverbot für Ärzte auf der Kippe

Beitrag von Presse » 31.03.2012, 06:58

Suizidhilfeverbot für Ärzte auf der Kippe – Verwaltungsgerichtsentscheid von heute - 30. März 2012

1. Berliner Verwaltungsgericht kippt generelles Suizidverbot durch Standesrecht
2. Humanistischer Verband erfreut über Niederlage des BÄK-Präsidenten
3. Auch in der Ärzteschaft organisiert sich Widerstand gegen Suizidverbot
• Stellungnahme von Dr. M. Strätling und jüngstes Vorgehen LÄK Schleswig-Holstein
• Humanistischer Verband leistet praktische Unterstützung (Musterbrief an LÄK für Ärzte)


1. Suizidhilfeverbot für Ärzte auf der Kippe – Verwaltungsgerichtsentscheid von heute
Das Verwaltungsgericht Berlin hat in einem Entscheid von heute, 30.3.2012, das generelle Suizidhilfeverbot für Ärzte durch eine Landesärztekammer für unzulässig erklärt. Der Fall eines Arztes, der vor dem Verwaltungsgericht Berlin die genannte Ausnahmeregelung erstritt, wurde von Rechtsanwalt Dieter Gräfe von der Anwaltskanzlei Wollmann & Partner vertreten.
Gegen den betroffenen Arzt hatte die Berliner Ärztekammer wegen Suizidhilfeaktivitäten Sanktionen (Verbot) verhängen wollen, wogegen er beim Verwaltungsgericht (Aktenzeichen VG 9 K 63.09) nunmehr erfolgreich Einspruch erhob. Die folgende Presseerklärung der Rechtsanwaltskanzlei wurde von ihm eben an den pv-newsletter übermittelt:
„Das von der Bundesärztekammer in ihrer Muster-Berufsordnung festgelegte strikte Verbot für Ärzte, „Hilfe zur Selbsttötung zu leisten“, ist heute in einem von der Anwaltskanzlei Wollmann & Partner in Berlin geführten Musterprozess durch das Verwaltungsgericht Berlin gekippt worden.
Nach dieser heutigen Entscheidung ist ein derartiges generelles und ausnahmsloses Verbot mit verfassungsrechtlichen Grundsätzen nicht vereinbar. Es muss Ärzten gestattet sein, in Ausnahmefällen eine ihrem Gewissen entsprechende Entscheidung zu treffen, die von diesem Verbot abweicht. Dies bedeutet, dass Ärzte in Ausnahmefällen Beihilfe zum Suizid leisten dürfen, ohne damit gegen das Berufsrecht zu verstoßen.“
Ansprechpartner für die Presse: RA Dieter Gräfe, Wollmann & Partner GbR, Meinekestr. 22, 10719 Berlin, Tel. 030 884109-95, Mobil: 0171 9553210, http://www.wollmann.de

2. Kommentar: Humanistischer Verband erfreut über Niederlage von Bundesärztekammerpräsident
Die Beauftragte des HVD-Bund, Gita Neumann, sieht damit Weichen für die Zukunft gestellt:
„Grundlegende Bedingung für eine standesrechtliche Zulässigkeit wäre somit, dass der helfende Arzt zum Patienten bzw. Suizidwilligen vorher ein gutes Bekanntschafts- bzw. ein Freundschafts- oder gar Verwandtschaftsverhältnis hat. Das geht in eine ähnliche Richtung wie der vorgelegte Gesetzentwurf der schwarz-gelben Regierung. Dieser will klarstellen, dass in Zukunft die „gewerbsmäßige“ Suizidhilfe in Zukunft strafbar sein soll. Die altruistische, d.h. nicht selbstsüchtige Hilfe zum Suizid von Freiwillensfähigen, auch wenn sie von Ärzten mehrfach (und damit quasi durchaus „geschäftsmäßig“, aber ohne Gewinnerzielungsabsicht) geleistet würde, ist demnach sowohl straf- als auch standesrechtlich zulässig. Darüber hinaus wünschenwert und erforderlich wäre allerdings die ausdrückliche Klarstellung im Strafrecht, dass die Hilfe und anschließende Nicht-Rettung bei freiwillensfähigem und nachdrücklichem Suizidbegehren eines Volljährigen nicht rechtswidrig ist. Immerhin erfreulich: Durch das Berliner Verwaltungsrechtsurteil hat der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Frank Ulrich Montgomery, der Hauptverfechter eines generellen Suizidverbots für Ärzte, eine wohlverdiente herbe Niederlage erlitten.“

3) In der Ärzteschaft organisiert sich Widerstand gegen Verbot der Suizidbeihilfe auch bei schwerem Leid
Die Deutsche Bundesärztekammer (BÄK) betreibt derzeit bekanntlich eine Initiative, den (ärztlich) „assistierten Suizid“ im Wege des Berufsrechts verbieten zu lassen: Gemäß § 16 der neuen „Muster-Berufsordnung“ drohen Ärzten zukünftig erhebliche, potenziell existenzgefährdende Sanktionen, falls sie Patienten - selbst bei schwersten Leidenszuständen am Lebensende - Suizidbeihilfe leisten. Ansonsten ist der „assistierte Suizid“ in Deutschland aus guten Gründen generell straffrei. Auch berufsrechtlich wurde er bisher stets toleriert. Die breite Mehrheit der Öffentlichkeit und der Ärzteschaft stehen dem Phänomen ebenfalls eher positiv oder zumindest duldsam gegenüber.
Vor diesem Hintergrund haben in der jüngeren Vergangenheit bereits zwei der größten Deutschen Landesärztekammern (Bayern und Westfalen-Lippe) der Bundesärztekammer unter ihrem Präsidenten Dr. Frank Ulrich Montgomery die Gefolgschaft versagt und deren Empfehlung gar nicht (in Bayern) oder nur in abgeschwächter Form (als „Soll-Nicht-Formulierung“ in NRW) ins Berufsrecht aufgenommen. Bislang haben nur die Landesärztekammern Sachsen und Niedersachsen die vom BÄK vorgeschlagenen Restriktionen in ihre Berufsordnungen wörtlich übernommen. Dabei kann allein die Einschränkung in ihrer jeweiligen Landes-Berufsordnung für Ärzte zu Sanktionen führen - die Bundesärztekammer vermag nur Empfehlungen auszusprechen.

Stellungnahme von Dr. M. Strätling – jüngstes erfreuliches Beispiel Schleswig-Holstein
Ein weiteres, erfreuliches Beispiel für einen differenzierten Umgang mit dieser Problematik hat nun in dieser Woche auch die Ärztekammer Schleswig-Holstein gesetzt:
Während der Kammerversammlung am Mittwoch, den 28. März 2012 in Bad Segeberg, wurde praktisch einstimmig beschlossen, eine ursprünglich geplante Abstimmung über ein berufsrechtliches Verbot der ärztlichen Suizidbeihilfe von der Tagungsordnung zu nehmen.
Ausschlaggebend hierfür war u.a. ein von einigen Ärzten bereits im Vorfeld formell eingereichter Widerspruch bei der Kammer und der Landesregierung gegen eine entsprechende Berufsrechtsänderung. Auch die Einlegung weiterer Rechtsmittel wurde vorbehalten.
Zur sachlichen Begründung dieses Widerspruchs wurde v.a. auf eine umfangreiche wissenschaftliche Stellungnahme eines ebenfalls aus Schleswig-Holstein stammenden Anästhesisten und Medizin-Ethikers, Dr. Meinolfus Strätling, verwiesen. Der Autor führt darin den Nachweis, dass die angestrebte, drastische Verschärfung des ärztlichen Berufsrechts in Bezug auf den assistierten Suizid schon aus ethischer und medizinischer Sicht objektiv unbegründet ist. Auch ihre (verfassungs)rechtliche Verhältnismäßigkeit und Zulässigkeit sowie ihre praktische Durchsetzbarkeit wird in Frage gestellt.
Bemerkenswert ist weiterhin, dass auch die breite Mehrheit der weiteren Stellungnahmen während der Kammerversammlung einem kategorischen „Verbot“ der ärztlichen Suizidbeihilfe eher ablehnend gegenüber standen, wie dem pv-newsletter aus dem Kreis der Diskussionsteilnehmer berichtet wurde. Nach deren Einschätzung zeichnet sich ab, dass wahrscheinlich auch die Ärztekammer Schleswig-Holstein und ihre Mitglieder für einen deutlich differenzierteren Umgang mit dieser Frage votieren werden, als derzeit von der Bundesärztekammer empfohlen. Der genaue Inhalt und Wortlaut ihrer Empfehlungen wird in den kommenden Wochen Gegenstand weiterer Konsultationen sein. Auf deren Grundlage sollen Kompromissvorschläge ausgearbeitet werden sollen, die dem in dieser Frage bestehenden Pluralismus ausreichend Rechnung tragen.

Humanistische Verband Deutschlands unterstützt ärztliches Engagement gegen LÄK u. a. durch Musterbrief
In den nächsten Wochen und Monaten werden auch noch andere Landesärztekammern und ihre Mitglieder entscheiden müssen, wie sie sich zukünftig grundsätzlich zur Frage des begleiteten Freitods im Rahmen einer ärztlichen Gewissensentscheidung positionieren. Die erwähnte Stellungnahme von Strätling, mit der einem undifferenzierten Verbot der ärztlichen Suizidbeihilfe auf wissenschaftlicher Grundlage widersprochen wird, kann kostenfrei von der Bundeszentralstelle Patientenverfügung des HVD heruntergeladen werden:
http://www.patientenverfuegung.de/info- ... rechtliche
Es handelt sich um die vorläufige Kurzversion eines Beitrags, der im September erscheinen wird unter:
Strätling M., Assistierter Suizid – Grundsätzlich „keine ärztliche Aufgabe“ ?
In: Gita Neumann (Hrsg.), Suizidhilfe als Herausforderung,
Aschaffenburg: Alibri Verlag 2012 (Schriftenreihe der Humanistischen Akademie Berlin, Bd. 5), ISBN 978-3-86569-084-5.
Zum Vormerken: PD Dr. Meinolfus Strätling wird das Grundsatzreferat bei der Suizidhilfe-Tagung der Humanistischen Akademie (in Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für politische Bildung) am 12. Oktober 2012, 18 Uhr in Berlin halten. Am zweiten Tagungstag, dem 13, Oktober, wird es eine Debatte mit einer Vertreterin / einem Vertreter der Bundesärztekammer geben.
Für Ärzte, die sich zudem mit dem Gedanken tragen, sich ebenfalls in ihrem Kammerbezirk gegen ein geplantes (oder ggf. bereits beschlossenes) berufsrechtliches Verbot der ärztlichen Suizidbeihilfe zu engagieren, kann zudem, als erster Schritt, eine „Mustervorlage“ zur formellen Einreichung eines Widerspruchs bei ihrer Kammer und den zuständigen Landesbehörden verfügbar gemacht werden:
http://www.patientenverfuegung.de/info- ... hme-des-16

Quelle: Mitteilung vom 30.03.2012
http://www.patientenverfuegung.de

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Gericht kippt Sterbehilfe-Verbot

Beitrag von WernerSchell » 02.04.2012, 07:00

Gericht kippt Sterbehilfe-Verbot
Das generelle Verbot für dem ärztlich assistierten Suizid steht auf der Kippe: Jetzt hat das Berliner Verwaltungsgericht die einschlägige Regelung als verfassungswidrig eingestuft. Juristen sprechen von einem Durchbruch. mehr »
http://www.aerztezeitung.de/nl/?sid=809 ... ung&n=1807
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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Sterbehilfe-Urteil ist kein Freibrief

Beitrag von Presse » 05.04.2012, 06:53

BÄK-Präsident: Sterbehilfe-Urteil ist kein Freibrief
Das Verbot zur Suizidbeihilfe in den ärztlichen Berufsordnungen ist verfassungswidrig - so hatten es jüngst Berliner Richter entschieden. BÄK-Präsident Montgomery glaubt aber nicht, dass das letzte Wort gesprochen ist. Das sehen Medizinethiker anders. mehr »
http://www.aerztezeitung.de/nl/?sid=809 ... ung&n=1815

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Auch Hannelore Kohl starb nicht an Schokoladenpudding

Beitrag von Presse » 05.04.2012, 06:55

Auch Hannelore Kohl starb nicht an Schokoladenpudding

1. Kippt Suizidverbot für Ärzte? - Großes Medienecho - Montgomery wiegelt ab
2. Streit um Gesetzentwurf zum Verbot „gewerblicher“ Suizidhilfe
3. Hinweis auf Fernsehfilm an Donnerstag
4. Leichtfertigkeit der Sterbehelfer vom Verein SterbehilfeDeurschland?
5. Raddatz gegen Doppelmoral: Auch Hannelore Kohl starb nicht an Schokoladenpudding


1.) Kippt Suizidverbot für Ärzte ? – großes Medienecho
Der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Frank Ulrich Montgomery, wiegelt ab: Das Urteil des Berliner Verwaltungsgerichtes würde „stark überhöht interpretiert“. Von Bedeutung sei für ihn auch die Feststellung des Gerichts, dass „gewerbsmäßige Sterbehilfe nicht erlaubt sei“, vor allem nicht bei Menschen, die sich noch nicht im finalen Sterbeprozess befinden.
Medizinrechtler Taupitz, der dem Deutschen Ethikrat angehört, sagte hingegen, aus seiner Sicht sei die verfasste Ärzteschaft nicht gut beraten, wenn sie das Verbot der Beihilfe zum Suizid standesrechtlich festschreibe. Denn es spreche viel dafür, dass gerade Ärzte diese Aufgabe übernehmen sollten. Obwohl das Berliner Urteil nur in dem konkreten Fall ergangen ist, gehen Juristen davon aus, dass es auch auf die Berufsordnungen der anderen Ärztekammern und die Musterberufsordnung der Bundesärztekammer übertragbar ist.
Der 114. Ärztetag in Kiel hatte vor knapp einem Jahr die einschlägigen Bestimmungen in Paragraf 16 der Musterberufsordnung verschärft.
Quellen:
http://www.aerztezeitung.de/news/articl ... spalt.html
http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/49743
Nach der Erstveröffentlichung „Verwaltungsgericht kippt Suizidhilfeverbot für Ärzte“ in diesem pv-newsletter (unsere Abonnenten können ihn gern weiterempfehlen!) am Freitagabend gab es ab Wochenbeginn ein großes Echo in Zeitungen und Magazinen dazu. Hier nur ein Beispiel mit Foto und Namen des Arztes (wobei auch Berliner Politiker/innen und Prominente gezeigt werden, die sich für humane Sterbehilfe ausgesprochen haben):
berliner-kurier.de/polizei-prozesse/nach-dem-urteil-kippt--jetzt-das-sterbehilfe-verbot

2.) Streit über "gewerbsmäßige" Angebote
Die Suizid-Assistenz – auch wenn sie rein kommerziell ausgerichtet wäre - ist in der Bundesrepublik Deutschland nicht verboten. Union und FDP hatten kürzlich im Koalitionsausschuss vereinbart, ein Gesetz zum Verbot "gewerbsmäßiger" Suizid-Beihilfe auf den Weg zu bringen. Würde der Terminus "gewerbsmäßig" auf die landläufige Bedeutung der Gewinnerzielung beschränkt, so wäre zwar künftig die Suizid-Beihilfe aus kommerziellem Interesse verboten - aberdie Beihilfe zur Selbsttötung ohne finanzielle Zielsetzung könnte damit faktisch erlaubt sein. Doch es gibt weitere Haken dabei, was zum Streit zwischen Union und FDP geführt hat: Vor allem der niedersächsische Justizminister Bernd Busemann (CDU) will ein Verbot nicht bloß auf kommerzielle Organisationen beschränken. Seine Befürchtung: Leicht lasse sich verschleiern, dass es den Organisationen darum gehe, Geld zu verdienen. Sie setzten einfach hohe Verwaltungskosten und Gehälter an.
Demgegenüber ist die FDP fest entschlossen, Gruppen ohne finanzielle Interessen vom Verbot auszuschließen. Der Bundestagsabgeordnete und Experte für Palliativmedizin, Michael Kauch (FDP) befürchtet, dass eine zu enge gesetzliche Regelung auch Mitarbeiter in der Palliativmedizin oder von Konfliktberatungsstellen in Schwierigkeiten bringen könnte:

"Wir sind als Koalition der Auffassung, dass es ethisch nicht richtig ist, wenn man aus dem Leid von Menschen Profit zieht. Auf der anderen Seite ist die FDP der Auffassung, dass man hier auch verhältnismäßig sein muss und dass man insbesondere Organisationen, die aus altruistischen Motiven den Menschen helfen wollen, nicht mit Strafe bedrohen darf. Wenn jeder, der einen sterbenden Patienten berät und auf die Frage nach assistiertem Suizid nicht gleich die Antwort verweigert, wenn der von Strafe bedroht wäre, dann ist eine offene Beratung nicht möglich."
Zu welcher Kategorie der Verein SterbehilfeDeutschland von Dr. Roger Kusch oder Dignitas Deutschland gehören, ist unklar.
Erst kürzlich hat SterbehilfeDeutschland das "Weißbuch 2012" veröffentlicht. Von den 27 Menschen im Jahr 2011, denen Kuschs Verein in Deutschland beim Suizid assistiert hat, waren nur wenige unheilbar krank, einige psychisch labil, andere sogar kerngesund.
Siehe: www.dradio.de/dlf/sendungen/tagfuertag

3,) Hinweis auf einen Fernsehfilm am Donnerstag
Die fiktive Handlung spilet in nicht allzu ferner Zukunft: Komm schöner Tod, ZDF, Donnerstag, 5. April, 22.15 Uhr, nach dem Buch „Die Erlöser AG“ von Björn Kern.
Über den Film: badische-zeitung.de/nachrichten/kultur/literatur/der-film-ist-unglaublich-schraeg und sueddeutsche.de/High-End.html

4.) Welt-Redakteur Matthias Kamann greift SterbehilfeDeutschland massiv an. Der Vorwurf: Leichtfertigkeit.
Obwohl – oder weil? – der Verein SterbehilfeDeutschland öffentlich macht, dass es bei ihm keine einzige Suizidhilfe ohne ein Gutachten (des Psychiaters Dr. Johann-Friedrich Spittler) zur Freiwillensfähigkeit gibt, ist er unter Beschuss geraten. Scharfe Kritik wird von Matthias Kamann in Welt online an dieser Praxis geübt, die in einem jüngst veröffentlichten Weißbuch http://www.amazon.de/Weißbuch-2012-Roge ... 3844823352 von Kusch und Spittler detailliert dokumentiert ist. Und das, obwohl Kamann – etwa ähnlich wie der Arzt und Autor Dr. de Ridder - zu den leidenschaftlichen Befürwortern der Patientenautonomie gehört, die sich etwa eine Regelung des ärztlichen Suizids wie im US-Bundesstaat Oregon vorstellen können. Offenbar ist diese Position mit einer besonders scharfen Ablehnung von Suizidhilfeorganisationen wie Dignitas oder eben SterbehilfeDeutschland verbunden – egal wie diese sich auch entwickelt oder was sie tun.
Kamann fragt sich in seiner Rezension des Weißbuches 2012 von Kusch und Spittler vor allem,
<< ob der unbedingte Wunsch nach Suizidbeihilfe nicht schon beim Gutachter selbst zum erkenntnisleitenden Interesse wurde. So fällt auf, welch große Bedeutung am Ende jedes Gutachtens der „entschiedenen Willensäußerung“ und „Selbstbestimmung“ der Patienten beigemessen wird. >>
Die mögliche Aussicht auf Anerkennung, wenn nun SterbehilfeDeutschland die eigenen Sorgfaltskriterien der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat, ist zumindest bei Kamann genau ins Gegenteil umgeschlagen. Für ihn gibt es nur eine einzige Erkenntnis nach der Lektüre des Weißbuches: Dass es so gerade nicht sein darf.
welt.de/politik/deutschland/Die-Leichtfertigkeit-der-Sterbehelfer-um-Roger-Kusch
Was aber, wenn genau die gleichen Fälle sich im Verborgenen einer länger währenden Arzt-Patient-Beziehung abgespielt hätten? Gäbe es dann auch den Vorwurf der Leichtfertigkeit, den Kamann SuizidhilfeDeutschland gegenüber erhebt? Man wird das Gefühl nicht los, dass es um irgendetwas Anderes, Unausgesprochenes geht. Das kann nach Lage der Dinge eigentlich nur sein: Dass Suizidhilfe von Außenstehenden (Fremden) angeboten wird und nicht, wie es sein sollte, vom Patienten seinem eigenen Arzt gegenüber erbeten wird, der alle bisherigen Behandlungsbemühungen seit langem kennt und nun seinem Gewissen zu folgen hätte. Fremdgutachten – mal abgesehen von damit verbundenen Honorarfrage – wird demgegenüber immer etwas Unbehagliches anhaften, selbst wenn es ein Zweitgutachten geben sollte. Insofern geht es wohl weniger um (noch strengere) Sorgfaltsmaßstäbe oder rationale Nachvollziehbarkeit, sondern um Gefühle, Intuitionen oder Sympathien, welche über Akzeptanz oder Nicht-Akzeptanz einer Suizidhilfe entscheiden. Vor allem aber: Um einzelne Gewissensentscheidungen, Verantwortung und Vertrauen zwischen Menschen, die vorher schon einen längeren Weg miteinander gegangen sind. In einem Gutachten sollte jedenfalls nicht die „Entschiedenheit“, mit dem die Suizidhilfeforderung vorgetragen wird, zum herausragenden Kriterium werden, einem Menschen dazu Hilfe anzubieten. Ein anderer Missstand, den leider selbst Kamann nicht zur Kenntnis nimmt, liegt bei den beiden genannten Suizidhilfeorganisationen im folgenden: Keine bietet auch nur annähernd akzeptable Patientenverfügungen an, die etwas die mögliche „passive“ Sterbehilfe als vorrangigen Schritt auszuschöpfen hätten. Einem Empörungsduktus unterliegend schießt Kamann selbst übers Ziel hinaus.

5,) Entgegnung auf Kamann. Von Fritz J. Raddatz
Aus einer Entgegnung von Fritz J. Raddatz auf den Artikel "Die Leichtfertigkeit der Sterbehelfer" des von ihm „ansonsten geschätzten Kollegen Matthias Kamann“:
„ Er ist nicht nur leichthin gedacht - also oberflächlich -, sondern seinerseits leichtfertig; zu Teilen denunziatorisch… Die auch von Matthias Kamann vorgeführte, ja anempfohlene Doppelmoral ist zutiefst verstörend. Als der bedeutende Literaturwissenschaftler Hans Mayer mit dem Satz "Es ist genug" beschloss zu sterben, wurde ihm - er verweigerte Nahrung und Flüssigkeit - selbstverständlich geholfen; alle Eingeweihten wissen, wer ihm nobel zur Seite stand. Auch Hannelore Kohl starb nicht an Schokoladenpudding - vermutlich hatte auch sie einen "Sterbehelfer", der ihr die Präparate besorgte und sie einwies, wie sie das tödliche Mittel per Strohhalm zu sich nehmen musste. All diesen, von mir ob ihres letzten Mutes bewunderten Menschen zollte die Öffentlichkeit verdienten Respekt. … Als der dieser Tage anlässlich seines 85. Geburtstags zu Recht hochgepriesene Martin Walser jüngst öffentlich eingestand, er werde sich "wenn es so weit ist, in Zürich einen anständigen Tod besorgen" (recte: kaufen) - da erhob sich keineswegs ein Sturm der Entrüstung.
Da haben wir also nicht nur eine Zweiklassenmedizin, sondern sollen uns offenbar an einen Zweiklassentod gewöhnen. Der Millionär von Brauchitsch "darf" sich in der Schweiz sein freiwilliges Ende "kaufen" wie die "Bundesliga-Legende" Timo Konietzka; diese Sterbehilfe wird - bedauernd - akzeptiert. Es gilt offensichtlich eine stillschweigende gesellschaftliche Übereinkunft. Aber muss man ein reicher Industrieller, ein bekannter Fußballsportler, eine Politikergattin, ein berühmter Schriftsteller sein, um die ansonsten inkriminierte aktive Sterbehilfe in Anspruch nehmen zu dürfen? Die dürfen - sie müssen nicht Aids noch Krebs noch multiple Sklerose haben - nach freiem Entschluss ihrem Leben ein Ende setzen? Und der Briefträger, der Kfz-Schlosser, der Maurer - die haben sich gefälligst von der Brücke zu stürzen?
…Wer bestimmt da, was jemand wann und auf welche Weise "darf"? Der Staat? Ich spreche dem Staat rundweg jegliches Recht dazu ab. Ich bin niemandes Eigentum. Der Staat hat mir mein Leben nicht gegeben, er hat von mir keinen Auftrag, über das Ende zu wachen. Es ist das alte deutsche Missverständnis, Staat und seine Vollzugsbeamten seien höhere Wesen. Die Wahrheit ist umgekehrt: Bis hinauf ins höchste Amt sind sie meine Angestellten (und die von 80 Millionen Bürgern), wir bezahlen sie. Ob Bundeskanzler(in), Minister oder, Gott bewahre, die spesengefütterten EU-Beamten in Brüssel - sie haben in meinem Leben, auch meinem Lebensende, nichts zu suchen. Ich bin kein Untertan. Doch nach wie vor herrscht da eine Verducktheit. Mühelos könnte ich ein Dutzend mir bekannte Menschen nennen - "Prominente" wie sogenannte "Normalbürger" -, die sagen: "Wenn es so weit ist, finde ich hoffentlich einen verständnisvollen Arzt, der ..."
Mehr: welt.de/print/die_welt/mein-Tod-gehoert-mir.html

Quelle: Mitteilung vom 05.04.2012
http://www.patientenverfuegung.de

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Palliativpflege: assistierter Suizid noch nicht obsolet

Beitrag von Presse » 22.03.2013, 07:39

Leitartikel zur Sterbehilfe: Palliativpflege macht den assistierten Suizid noch nicht obsolet
Der Wunsch Todkranker nach assistiertem Suizid würde verstummen, erhielten sie nur ausreichende Palliativpflege - so lautet ein oft gehörtes
Argument in der Diskussion um Sterbehilfe. Aber so einfach liegen die Dinge vielleicht doch nicht. mehr »
http://www.aerztezeitung.de/nl/?sid=835 ... hik&n=2606

WernerSchell
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Bereitschaft zur Sterbehilfe im Extremfall

Beitrag von WernerSchell » 29.12.2014, 17:57

"Je näher Befragte dem Leiden Sterbender sind,
desto größer ist ihre Bereitschaft zur Sterbehilfe im Extremfall."

Das ist das Ergebnis einer unveröffentlichen Befragung von Palliativmedizinern in NRW.
Quelle: Rheinische Post / NGZ vom 29.12.2014

Berichte dazu wie folgt:

Rheinische Post / NGZ - 29. Dezember 2014 | 06.51 Uhr
Debatte um Sterbehilfe - Viele Ärzte für assistierten Suizid
Berlin. Entgegen der offiziellen Meinung von Ärzteverbänden wünschen sich Palliativmediziner eine offene Diskussion in der Sterbehilfe-Debatte.
Von Gregor Mayntz
Ärzte, Schwestern und Pfleger wollen offenbar im Extremfall Sterbenden beim Suizid helfen. Eine bislang unveröffentlichte Umfrage unter 274 Palliativmedizinern in Nordrhein-Westfalen
kommt zu dem Ergebnis, dass das von den Fachverbänden offiziell vertretene Verbot jeder Sterbehilfe durch Ärzte von der Basis nicht geteilt werde.
… (weiter lesen unter) … http://www.rp-online.de/politik/deutsch ... -1.4765026

Würdelose Krankheiten
Palliativmedizin, so sagt der Name, beschirmt; einem Sterbenden wirft sie einen Mantel über - den Mantel der Zuwendung, damit der Kranke sein Sterben bewusster, erträglicher, würdiger erlebt.
Vom Team erfordert Palliativmedizin eine 24-stündige Humanität. Und wenn morgens ein Patient stirbt, ist sein Bett schon bald von einem neuen Patienten belegt.
Von Wolfram Goertz
… (weiter lesen unter) …. http://www.rp-online.de/politik/wuerdel ... -1.4765114
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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