Medikamente in der Betriebsambulanz

Rechtsbeziehung Patient – Therapeut / Krankenhaus / Pflegeeinrichtung, Patientenselbstbestimmung, Heilkunde (z.B. Sterbehilfe usw.), Patienten-Datenschutz (Schweigepflicht), Krankendokumentation, Haftung (z.B. bei Pflichtwidrigkeiten), Betreuungs- und Unterbringungsrecht

Moderator: WernerSchell

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medicus
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Medikamente in der Betriebsambulanz

Beitrag von medicus » 17.07.2011, 11:42

Hallo zusammen :)

ich bin Arzt für Arbeitsmedizin und neu in diesem sehr interessanten Forum.

Folgende Frage beschäftigt mich:
in einem von mir betreuten Betrieb möchte die kompetente und erfahrene Betriebskrankenschwester bei akuten Beschwerden auch Medikamente einsetzen (zwar nicht verschreibungs-, aber doch apothekenpflichtige wie z. B. Ibuprofen). Dafür gibt es natürlich gute Gründe, können auf diese Weise doch leichtere Beschwerden erfolgreich gelindert werden.

Nun wurde mir geraten, dies nicht zu befürworten, da ich als Arzt nicht täglich dort anwesend bin und die Abgabe von Medikamenten durch Krankenpflegepersonal nicht eigenständig zulässig ist, sondern der ärztlichen Anordnung bedarf.

Ich würde, entsprechende Qualitätssicherung vorausgesetzt, der Betriebskrankenschwester dies gern ermöglichen (im Interesse der Beschäftigten), sehe jedoch im Moment keine überzeugende Lösungsmöglichkeit.

Kennen Sie hierzu vielleicht geeignete Praxis-Beispiele oder rechtlich saubere Regelungen?

Vielen Dank im Voraus und beste Grüße
Michael

Gerhard Schenker
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Medikamentenabgabe im Betrieb - Arzt ist verantwortlich

Beitrag von Gerhard Schenker » 17.07.2011, 16:16

Hallo,
ich denke, dass die Medikamentenabgabe - außerhalb der ärztlichen Anwesenheitszeit - in der angedachten Art und Weise problematisch ist. Apothekenpflichtige Arzneimittel dürfen z.B. nur in dem üblichen Rahmen dort abgegeben werden, wo es ausdrücklich erlaubt ist. Bei verschreibungspflichtigen Medikamenten ist die eingeschränkte Abgabe noch klarer.
Trotz guter Absichten und Qualifikation der Krankenschwester scheint mir die Abgabe durch einen Nichtarzt nicht zulässig.
Vielleicht kann man aber mit einer Apotheke eine Vereinbarung treffen, dass notwendige und verordnete Medikamente ggf. gesondert geliefert und dann abgegeben werden können. Der Konkurrenzkampf unter den Apothekern ist groß. Daher ist sicherlich eine Apotheke zu finden, die sich auf eine Absprache einlässt.
Im Übrigen sollten MitarbeiterInnen ihre Medikamente selbst mitbringen, falls benötigt. Für den Notfall kann hat man im Zweifel ja auch noch den "Erste-Hilfe-Kasten". Möglicherweise kommt man damit zunächst zurecht.
Denkbar ist auch, das zuständige Gesundheitsamt mit der Apothekenaufsicht anzusprechen. Evtl. hat dort jemand eine Idee.
Wie auch immer, der Arzt muss für die Verordnung eines Medikamentes Verantwortung tragen. Nach der geltenden Rechtslage kann die Krankenschwester keine verantwortliche Diagnostik und Therapie betreiben. Auch wenn sie entsprechend erfahren ist.

MfG Gerhard Schenker
Das Pflegesystem bedarf einer umfassenden Reform - Pflegebegriff erneuern und Finanzierung zukunftsfest machen!

medicus
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Medikamentenabgabe im Betrieb - Arzt ist verantwortlich

Beitrag von medicus » 18.07.2011, 17:36

Vielen Dank für die Stellungnahme!

Wäre es denn denkbar, eine Regelung zur Übernahme bestimmter Aufgaben durch Pflegepersonen zu schaffen, ähnlich dem Bielefelder Modell?

http://www.wernerschell.de/web/05/pfleg ... fgaben.php

Ich versuche einfach, eine für alle praktikable Lösung zu finden.

Gruß
Michael

thorstein
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Beitrag von thorstein » 18.07.2011, 23:11

Hallo medicus,
Trotz guter Absichten und Qualifikation der Krankenschwester scheint mir die Abgabe durch einen Nichtarzt nicht zulässig.
Das Wörtchen "scheint" deutet schon auf Unsicherheiten hin. Leider kann man dem Profil auch nicht entnehmen, welcher Profession Herr Schenker nachgeht.
Tatsächlich werden in allen stationären Einrichtungen regelmässig Medikamente von Pflegepersonal abgegeben. Das Zauberwort heisst Bedarfsmedikation. Für übliche Probleme wie Kopfschmerzen, Übelkeit, Schlaflosigkeit oder Durchfall sind sie längst Standard.

Diese Bedarfsmedikation gilt natürlich immer individuell für einen bestimmten Patienten und die Anordnung muss vom Arzt schriftlich vorliegen. Ob das in einem Betrieb auch funktionieren kann, weiss ich nicht. Mir war bislang gar nicht bekannt, dass Betriebsärzte überhaupt Medikamente verordnen.

Ist es in irgendeiner Weise verboten, dass Privatpersonen rezeptfreie Medikamente an KollegInnen verleihen? Normalerweise weiss man schon, welche Kollegin eine Kopfschmerztablette usw. dabei hat. Wäre vielleicht ein Lösungsansatz im Graubereich.

PflegeCologne
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Medikation im Betrieb

Beitrag von PflegeCologne » 19.07.2011, 09:03

Hallo,
grundsätzlich ist es doch so, dass allein Ärzte über Diagnostik und Therapie zu befinden haben. Auch die Medikakationsentscheidung ist allein Sache der Ärzte. Lediglich die Abgabe der Medikamente kann Nichtärzten überlassen werden. In Ausnahmesituationen gibt es die Bedarfsmedikation. Aber auch hier müssen klare ärztliche Vorgaben gegeben sein, eigenständige diagnostische und therapeutische Abwägungen sind dabei nicht zulässig. Unklarheiten dürfen nicht bleiben.
Es gibt strenge gesetzlich Regeln. Ich sehe da kaum, abgesehen von den gegebenen Hinweise, Spielraum für praktikable Lösungen. Gesetze müssen Beachtung finden.
Ich würde daher auch einmal mit einer Apotheke oder dem Gesundheitsamt Kontakt aufnehmen. Vielleicht ergeben sich in solchen Gesprächen noch Lösungsansätze.
MfG Pflege Cologne
Alzheimer - eine Krankheit, die mehr Aufmerksamkeit erfordert! - Pflegesystem muss dem angepasst werden, auch, wenn es teurer wird! - Ich bin dabei:
http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de

medicus
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Medikamente in der Betriebsambulanz

Beitrag von medicus » 20.07.2011, 12:59

Jo, die Richtung ist glaube ich klar. Entscheidung/Verordnung von Medikamenten ist stets Aufgabe und Verantwortung des Arztes. Durchführung innerhalb klarer rechtlicher Grenzen wie bei anderen Therapiemaßnahmen auch: d. h. nur Notfall- bzw. Akutbehandlung, aber natürlich keine längerfristige Therapie (es sei denn auf Wunsch des Patienten und in Absprache mit dem behandelnden Arzt).

Ich habe mittlerweile auch von anderen Seiten noch vielfältige Hinweise und Infos bekommen, die alle in diese Richtung gehen.

Gruß
Michael

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