Chronischer Schmerz wird durch internationale Diagnose-Klassifikation nicht erfasst
Ambulante Schmerztherapie durch neues Vergütungssystem weiterhin in Gefahr
Das internationale Klassifikationssystem für Krankheiten (ICD-10) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) soll Grundlage für Fallpauschalen in der ambulanten ärztlichen Versorgung werden – ähnlich wie bei der Vergütung von Krankenhausbehandlungen. Dies kann für Patienten mit chronischen Schmerzen fatale Folgen haben: Der ICD-10 spiegelt derzeit die unterschiedlichen Schweregrade der Schmerzkrankheit nicht wieder, wie eine Untersuchung belegt. Es fehlt daher die Grundlage für differenzierte Diagnosen und damit für entsprechende Fallpauschalen. Um diesen Missstand zu beheben, plant die DRG-Kommission der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (DGSS) unterstützt von der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie (DGS) eine Eingabe beim zuständigen Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI).
Das kurz und international ICD-10 (International Classification of Diseases) genannte Klassifikationssystem der Weltgesundheitsorganisation dient der Verschlüsselung und systematischen Erfassung von Erkrankungen. Es ist seit einigen Jahren Grundlage der Fallpauschalen in Kliniken. Nun soll es auch Grundlage für die künftige Vergütung ambulanter Leistungen werden.
Von den im ICD-10 verschlüsselten Krankheitsbeschreibungen wird der jeweilige Therapiebedarf bei einer Erkrankung abgeleitet. Dabei wird auch der Schweregrad (Morbidität) eines Leidens berücksichtigt, da dies den Therapieaufwand erhöht. Der Therapiebedarf ist die Grundlage der ärztlichen Vergütung: Diese feste Fallpauschale deckt alle Leistungen ab, die der Arzt bei einer Erkrankung erbringt.
Studie belegt: Schweregrad der Schmerzerkrankung wird nicht dargestellt.
Eine aktuelle Studie des Forums „Zukunft der Schmerztherapie“ der Grünenthal GmbH (Aachen) belegt nun die Defizite des ICD-10 für die Schmerztherapie. An der Studie, die wissenschaftlich vom Institut für Gesundheits- und Sozialforschung (IGES) begleitet wurde, nahmen 45 Schmerztherapeuten teil, darunter Mitglieder der DGSS und der DGS sowie des Hausärzteverbandes. Die Ärzte codierten bei über 1800 Schmerzpatienten die Schmerzdiagnose nach den jetzt gegebenen Möglichkeiten des ICD-10. Danach prüften sie, ob die Einteilung nach diesem Schlüssel den Chronifizierungs- und Schweregrad der Schmerzkrankheit widerspiegelt. Resultat: „Mit dem derzeit gültigen Schlüssel ist eine Aussage über den Schweregrad einer Schmerzkrankheit nicht zu treffen“, erklärt DGS-Präsident Dr. Gerhard Müller-Schwefe. Die Folge: Mit dem neuen, morbiditätsorientierten Vergütungssystem würde sich die Diagnose und damit der Behandlungsbedarf schwer schmerzkranker Patienten nicht mehr sauber abbilden lassen. „Für solche Patienten würde im Codierungssystem die Diagnose fehlen“, folgert Professor Michael Zenz, Präsident der DGSS. „Entsprechend würden auch die Fallpauschalen fehlen, die erforderlichen therapeutischen Leistungen könnten von den Ärzten nicht mehr abgerechnet und somit die Patienten auch nicht mehr behandelt werden.“
Ziel: Definition eines neuen Codes
Aus diesem Grund wollen die schmerzmedizinischen Gesellschaften eine Eingabe beim Institut für Medizinische Dokumentation und Information machen, das für die deutsche Version des ICD-10 verantwortlich ist. Benötigt wird die Definition eines neuen Codes, welcher die Chronifizierung einer Schmerzkrankheit angemessen abbildet. „Chronischer Schmerz ist eine bio-psycho-soziale Erkrankung – und das kommt in einer ausschließlich körperlich orientierten Codierung nicht zum Ausdruck“, so Zenz.
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Quelle: Gemeinsame Pressemitteilung
Deutsche Gesellschaft für Schmerztherapie e.V.
Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes e.V.
27. Februar 2006
http://www.schmerz-therapie-deutschland ... kation.htm